Im Abstimmungskampf um den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992 beschwor der Bundesrat das Stimmvolk zu einem Beitritt. Ein Alleingang der Schweiz sei eine Illusion. Nach 30-jähriger Schutzfrist hat die Forschungsstelle «Diplomatische Dokumente der Schweiz» bisher geheime Protokolle, Notizen und Memos veröffentlicht – und offengelegt, was die Landesregierung wirklich dachte. Die «SonntagsZeitung» hat die Dokumente ausgewertet. Nur in einem Punkt waren sich die Bundesräte einig: Sie schätzten den EWR unisono als miserablen Vertrag ein.
Die Bundesräte Arnold Koller und Adolf Ogi ärgerten sich schon damals über die Äusserungen der Chefunterhändler in der Öffentlichkeit. Der damalige Bundespräsident und Innenminister Flavio Cotti bezeichnete die Verhandlungen als «eine ununterbrochene Abfolge von Enttäuschungen». Finanzminister Otto Stich sagte, der EWR bedeute «eine Satellisierung der Schweiz». In der Öffentlichkeit sei «der Eindruck entstanden, dass sich die Schweiz tranchenweise abschlachten» lasse, klagte Arnold Koller. Und Kaspar Villiger stellte fest: «Wir bewegen uns auf dem Weg eines Kolonialstaates mit Autonomiestatut.» Die EG-Vorschläge seien «als Frechheit zu betrachten und sogar für die Schweiz als unwürdig zu qualifizieren». Der Alleingang sei «besser als dieser EWR».
Mit ähnlichen Worten bekämpfte der damalige Nationalrat Christoph Blocher das Vertragswerk. Cotti hielt den EWR für nicht akzeptabel, weswegen er die Flucht nach vorne antreten wollte – und gleich den Beitritt in die Europäische Gemeinschaft (EG) vorschlug. Nach einer «allgemeinen Diskussion» beschloss der Bundesrat «ohne Abstimmung» sein Ja zum EWR. Bundesrat René Felber liess die Bombe platzen: «Für den Bundesrat ist dieser Vertrag eine Etappe auf dem Weg (…) zur vollständigen Integration der Schweiz in die EG.» Otto Stich beschwerte sich in seiner Autobiografie: «Ein derart weitreichender Entscheid wie das EU-Beitrittsgesuch wird in einer kurzen Morgensitzung beschlossen – ohne Traktandierung und ohne schriftliche Begründung!» Am 6. Dezember 1992 lehnte das Volk den EWR-Vertrag ab. Sämtliche Untergangszenarien erwiesen sich als Schreckgespenst. Trotz des Neins zum EWR ist die Anbindung an die EU allerdings enger als je zuvor.
autonomiesuisse stellt fest: Die Episoden aus den 90er-Jahren weisen frappierende Parallelen zu den glücklosen Verhandlungen rund ums verworfene Rahmenabkommen mit der EU auf.