Der Abgang von Staatssekretärin Livia Leu als Chefunterhändlerin der Schweiz mit der EU sollte ein Weckruf sein für alle, die sich Verhandlungen auf Augenhöhe wünschen. Mit Leu fällt «der Stachel im Fleisch» im Aussendepartement weg. Während Bundesrat Ignazio Cassis bei den Sondierungsgesprächen mit der EU reflexartig aufs Prinzip Hoffnung setzte, stellte Staatssekretärin Livia Leu stets nüchtern fest, dass die Schweiz bei den relevanten Fragen keine Fortschritte erziele. Diese unbequeme Haltung scheint nicht länger geduldet zu werden, weswegen Leu das Handtuch warf. Im Gegensatz zur Versenkung des Rahmenabkommens anno 2020 hat auch bei den Gewerkschaften ein Meinungsumschwung stattgefunden, wie der «Nebelspalter» berichtet.
Die Gewerkschaften verlangen für ihr Nachgeben allerdings weitreichende Zugeständnisse von den Arbeitgebern. Faktisch würde die freiwillige Sozialpartnerschaft mit einer Pflicht zu Gesamtarbeitsverträgen (GAV) und Zwangsmitgliedschaft bei den Gewerkschaften ersetzt. Die Gewerkschaften könnten ihr Problem der schwindenden Mitglieder durch Zwangszahlungen wettmachen. Dies bedeutete das Ende des flexiblen und liberalen Arbeitsmarkts, der die Schweiz international wettbewerbsfähig hält. Die Leidtragenden wären aber nicht in erster Linie die global orientierten Unternehmen, sondern die Schweizer KMU und die Wohnbevölkerung. Denn es könnte ein Wegfall von Arbeits- und Ausbildungsplätzen und ein Wohlstandsverlust drohen.
autonomiesuisse appelliert an die Entscheidungstragenden in Politik, Gesellschaft und vor allem der Wirtschaft aufzuwachen. Die Schweizer Wirtschaft schneidet sich ins eigene Fleisch, wenn sie einem «raschen Vertragsabschluss» das Wort redet. Für einen kurzfristig möglicherweise leicht einfacheren EU-Marktzugang würde sie ihre wichtigsten Trümpfe im globalen Wettbewerb aus der Hand geben. Weil dieser Preis zu hoch ist, hat autonomiesuisse eine Medienmitteilung herausgegeben.