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04. Dezember 2024

Was der Bundesrat von den Dakota lernen kann

«Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab», sollen schon die alten Dakota gesagt haben. Nur unser Bundesrat ignoriert diese Weisheit. Seine «Paketlösung» mit der EU ist eine «bilaterale Totgeburt», wie es Arthur Rutishauser, Chefredaktor der «SonntagsZeitung», treffend formuliert. Doch statt abzusteigen, gibt der Bundesrat lieber viel Geld aus, um das tote Pferd schönzureden.

Im Volk versteht kaum jemand, warum die Schweiz die Vorschriften des Bürokratiemonsters EU automatisch übernehmen soll. «Wir dürfen zwar zuerst darüber abstimmen – aber Nein sagen ist verboten, sonst gibts eine Busse oder Sanktionen», schreibt Rutishauser. Deshalb sei die volksnahe Bundesrätin Doris Leuthard auf die Idee gekommen, das ungeliebte Paket mit einem Stromabkommen zu versüssen.

Verträge, die ihr Papier nicht wert sind

«Doch dann kam Corona, und die Deutschen verwehrten der Schweiz, entgegen allen Freihandelsverträgen, eine Maskenlieferung.» Da wurde allen klar, was Verträge in der Not wert sind: nicht das Papier, auf dem sie stehen. Erschwerend kam hinzu, dass die EU den Schweizern plötzlich die nationalen Wasserreserven verbieten wollte. Begründung: «Die könnten im Notfall wettbewerbsverzerrend sein.»

Ein Bumerang namens «Europäisierung»

Bald merkten die Schweizer, dass sich die «Europäisierung» der Bahn auch als Bumerang erweisen könnte. Denn damit holte man sich die Verspätungen 1:1 in die Schweiz – vor allem aus Deutschland. Die Schweizer Seite versuche deshalb, dem mit strengen Pünktlichkeitsvorschriften entgegenzuwirken, so Rutishauser.

Hauptsache «Gesicht wahren»?

Wird der Bundesrat am 20. Dezember dennoch feierlich auf sein totes Pferd steigen – und den «erfolgreichen» Abschluss der Verträge mit der EU verkünden? Wenn ja, kommt die «bilaterale Totgeburt» ins Parlament und dann vors Volk. Der Bundesrat kann sein Gesicht wahren. Auch wenn er insgeheim wohl wie alle anderen hofft, dass das Vertragswerk abgelehnt wird.

21. November 2024

Ex-EFTA-Gerichtspräsident korrigiert Nationalratspräsident

Sollen die Schweizerinnen und Schweizer selbst entscheiden können, wie sie ihre Europapolitik gestalten wollen? Gewisse politische Kreise scheinen dies eher verhindern zu wollen.

Darum verschleiern sie Realitäten vorzugsweise mit Euphemismen. Wenn die Schweiz automatisch EU-Recht implementieren muss, spricht man beschönigend von der «dynamischen» Rechtsübernahme. Und statt von einem institutionellen Rahmenvertrag mit der EU ist von den «Bilateralen III» die Rede – als handle es sich um Verträge auf Augenhöhe.

Verbaler Schlagabtausch

Ähnlich behaupten der EU-Botschafter in der Schweiz, Petros Mavromichalis, und aktuell Nationalratspräsident Eric Nussbaumer, dass die Schweiz mit den Verträgen keine «fremden Richter» akzeptieren müsse. Sie verweisen auf das «paritätische Schiedsgericht», das bei Differenzen zwischen der EU-Kommission und der Schweiz zu Wort kommen soll. In den verbalen Schlagabtausch mit EU-Turbo Nussbaumer hat sich jetzt auf LinkedIn auch Prof. Dr. Dr. Carl Baudenbacher, Expräsident des EFTA-Gerichtshofs in Luxemburg, eingeschaltet.

Postsowjetischer Standard für die Schweiz

Er erklärt Eric Nussbaumer, dass seine Auffassung unhaltbar ist. Denn das Schiedsgericht stelle nur eine «Formalie» dar. Es ist nämlich dazu verpflichtet, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anzurufen, der wiederum ein verbindliches Urteil erlassen würde. «Das Modell mit dem Pro-forma-Schiedsgericht stammt aus den Verträgen der EU mit postsowjetischen Schwellenländern», schreibt Baudenbacher: «Jeder Kenner der Materie aus der EU und dem EWR ist sich im Klaren darüber, dass damit der enorme Souveränitätstransfer auf die EU verdeckt werden sollte. Aber auf keinen Fall sollten dem Pro-forma-Schiedsgericht reale Kompetenzen eingeräumt werden.»

 Gut möglich, dass Nussbaumer selbst einem Täuschungsmanöver aufgesessen ist, wie Baudenbacher hinzufügt. Denn leider missverstehe die Bundesverwaltung «ihren Auftrag zur objektiven Information».

05. November 2024

Das EU-Paket verliert an Wert – und wird doch immer teurer!

Wann immer die Schweiz und die EU über ein institutionelles Rahmenabkommen sprechen, legen beide ein Verhalten an den Tag, das deutlich vom «Courant normal» zwischenstaatlicher Gespräche auf Augenhöhe abweicht.

Was macht beispielsweise ein Unternehmen, wenn es ein Gut nicht loswird? Es senkt den Preis.

Diametral anders verhält sich die EU. Sie bietet der Schweiz einen «präferenziellen sektoriellen Zugang zum Binnenmarkt». Im Gegenzug verlangt sie, dass die Schweiz ihre Gesetzgebung übernimmt, sich dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) unterstellt und diverse Zahlungen leistet. Unter anderem deshalb hat die Schweiz 2006 eine erste «Kohäsionsmilliarde» für die EU-Osterweiterung lockergemacht und 2021 gut 1,3 Milliarden Franken über zehn Jahre freigegeben.

Jetzt drängt die EU darauf, dass die Schweiz noch tiefer in die Tasche greift. Fast eine halbe Milliarde pro Jahr schwebt ihr vor. Dabei orientiert sie sich an Norwegen, das rund 450 Millionen Euro jährlich nach Brüssel abliefert. Anders als die Schweiz gehört Norwegen zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). 

Doch auch Schweizer Politexponenten gebärden sich seltsam. Jede Privatperson fragt sich vor einem Einkauf: Was bringt mir das Gut? Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) beschönigt den Nutzen des «Binnenmarktzugangs» dagegen bewusst. So liest man auf der Website, dass rund die Hälfte unserer Exporte in die EU gingen. Das ist längst nicht mehr der Fall. Gemäss Bundesamt für Statistik sind es nur noch knapp 40 Prozent. Die Tendenz ist seit Jahren abnehmend.

Effektiv bewegt sich der Nutzen des bevorzugten EU-Binnenmarktzugangs im mikroskopischen Bereich. So exportieren beispielsweise China und die USA wesentlich mehr in die EU als die Schweiz. Und ihre Ausfuhren sind in den letzten 30 Jahren teilweise dynamischer gewachsen als jene der Schweiz – obgleich keines der Länder der EU eine «Binnenmarkt»-Gebühr entrichtet. Im Gegensatz zur Schweiz verfügen sie nicht einmal über ein Freihandelsabkommen mit der EU.

Irritierend ist schliesslich, dass die EU ihrem Topkunden Schweiz fast mantramässig die «Rosinenpickerei» vorwirft. Dabei erzielt sie jedes Mal ein dickes Plus in der Handelsbilanz. «Kundengeschenke» macht nicht die EU, sondern immer wieder der «Käufer»: So hat die Schweiz kürzlich bekannt gegeben, dass der Bund allein 50 Millionen Franken in die Hochrhein-Strecke der Deutschen Bahn investieren will. Welches andere Land finanziert schon Bahnstrecken anderer Länder?

26. Oktober 2024

Umfrage Schweiz-EU: Macht der Bundesrat Politik am Volk vorbei?

Vor 25 Jahren traten die bilateralen Verträge I mit der EU in Kraft. Doch im Stimmvolk kommt keine Feierstimmung auf, wie eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG zeigt. 49 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer betrachten die EU negativ. Nur 28 Prozent sind der EU gegenüber positiv gestimmt, 22 Prozent haben gemischte Gefühle.

Das Volk teilt die Bedenken von autonomiesuisse: Die Schweiz könnte an nationaler Souveränität verlieren und Kontrolle an die EU-Institutionen abgeben. Zudem halten 83 Prozent die EU für einen «bürokratischen Moloch» und 66 Prozent sind der Meinung, die EU sei nicht in der Lage, auf die grossen Herausforderungen der Welt zu reagieren.

Dennoch erachtet eine Mehrheit die bilateralen Verträge für wichtig. Aber auch hier ist die Bilanz durchzogen: 80 Prozent geben den Bilateralen die Hauptschuld an der starken Zuwanderung. Und viele vermuten, dass auch steigende Mieten und sinkende Löhne auf das Konto der hochgelobten Verträge gehen.

Inwiefern profitiert die Schweiz vom EU-Binnenmarkt? Fakt ist: Seit Bestehen der Bilateralen ist der Anteil der Exporte in die USA, nach China und Indien deutlich gestiegen – in die wichtigsten EU-Länder Deutschland, Frankreich und Italien hingegen stark gesunken.

24. Oktober 2024

Wirtschaftsnobelpreis: Schützenhilfe für die Schweizer Demokratie?

Warum sind manche Länder reich – und andere bitterarm? Dieser Frage gehen die Ökonomen Daron Acemoğlu, Simon Johnson und James Robinson nach. Ihre Forschungen reichen bis in die Kolonialzeit zurück. Jetzt haben die Professoren aus den USA den Wirtschaftsnobelpreis erhalten. Ihr Fazit: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand gehen Hand in Hand. Wichtiger als kluge Köpfe und eine starke Regierung seien verlässliche demokratische und rechtsstaatliche Institutionen. Acemoğlu betonte in der Telefonkonferenz, dass die Menschen ihre demokratischen Rechte und eine bessere Regierungsführung einfordern müssten. Anlässlich eines Auftritts am UBS Center for Economics in Society der Universität Zürich lobte er vor einigen Jahren die äusserst demokratischen Strukturen der Schweiz, den Föderalismus und die lokale Autonomie sowie das Schulsystem. Hans Gersbach, Direktor der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, erklärte gegenüber «Cash»: «Für die Schweiz zeigen die Nobelpreisträger indirekt, wie wichtig unsere ökonomischen und politischen Institutionen – und deren Weiterentwicklung – für die wirtschaftliche Zukunft des Landes sind.»

30. September 2024

Kompass-Initiative: Jetzt unterzeichnen und Leitplanken für Bundesrat setzen

«Es kann nicht sein, dass der Bundesrat unsere Gesetze ans Ausland outsourct», sagte sich die Bewegung Kompass/Europa rund um die Unternehmer Alfred Gantner, Marcel Erni und Urs Wietlisbach.

Jetzt geht sie mit ihrer Kompass-Initiative an den Start. Diese will in der Bundesverfassung verankern, dass die Schweiz ihre Rechtsprechung grundsätzlich nicht ans Ausland abtreten darf. Das soll die direkte Demokratie schützen – und verhindern, dass die Schweiz in eine EU-Passivmitgliedschaft abdriftet.

Der Initiativtext bedeutet zugleich, dass sämtliche Verträge, die eine wesentliche dynamische Rechtsübernahme aus dem Ausland anstreben, dem obligatorischen Staatsvertragsreferendum zu unterstellen sind. Konkret können Verträge wie das Rahmenabkommen 2.0 mit der EU also nur zustande kommen, wenn Volk und Stände ihnen zustimmen.

Die Gesetzgebung und die Rechtsprechung gehören zu den Kernkompetenzen eines Staats und machen sein Wesen aus. Mit der dynamischen Rechtsübernahme, wie sie der Bundesrat in seinen Verhandlungen mit der EU vorsieht, öffnet sich die «Büchse der Pandora». Denn um wie viele Gesetze es beim Rahmenabkommen 2.0 genau geht, kann selbst die Verwaltung noch nicht abschätzen. Und Fakt ist, dass in Brüssel an jedem Arbeitstag mindestens ein neues Gesetz entsteht.

Zwar wäre das Rahmenabkommen 2.0 bereits nach geltendem Recht dem Staatsvertragsreferendum zu unterstellen. Um Klarheit zu schaffen und dem Bundesrat Leitlinien für künftige Gespräche mit der EU zu geben, empfiehlt autonomiesuisse, die Kompass-Initiative aber zu unterschreiben. Bis Ende März 2026 müssen die Initianten 100'000 gültige Unterschriften sammeln.

25. September 2024

Überschwemmen EU-Gesetze die Schweiz?

Dr. Hans-Jörg Bertschi, Verwaltungsratspräsident der Bertschi Group und Co-Präsident von autonomiesuisse, Urs Wietlisbach, Mitbegründer der Partners Group und von Kompass/Europa, Nicola Forster, Jurist und ehemaliger Präsident der GLP Zürich, und Dr. Stefan Brupbacher, Direktor Swissmem, diskutierten am 25. September 2024 in Nottwil unter der Leitung von Moderator Reto Brennwald an der Podiumsdiskussion «Schweiz – EU: Wie soll der bilaterale Weg aussehen?». Organisiert wurde das Podium von Karin Bieri, MB KommNet.

«Die EU hat viermal mehr Gesetze als die Schweiz – und sie ist viel jünger», sagte Wietlisbach. «Warum sollen wir mit dem Rahmenabkommen 2.0 diese Gesetzesberge übernehmen?», fragte er sich. Die USA und die Chinesen exportierten erfolgreich in die EU, ohne auch nur an solche Verrenkungen zu denken.

Bertschi betonte, dass der Vorteil des «privilegierten Marktzugangs» in der EU minimal sei. «Viel wichtiger sind innovative Produkte. Und die entstehen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Wir brauchen bessere Spielregeln, nicht die gleichen wie in der EU.» Im Übrigen sei es falsch, von den «Bilateralen III» zu sprechen. Denn es handle sich nicht um einen Vertrag auf Augenhöhe. Die EU benutze die Formulierung «institutioneller Vertrag».

Er erlebe die Absurdität aus Brüssel in vielen Sitzungen, sagte Brupbacher. Dennoch würde er den Rahmenvertrag mit der EU unterschreiben: «Es stimmt nicht, dass wir Hunderte von Gesetzen übernehmen müssen. Wir können auch einige ablehnen.» Was ihn umso mehr ärgert? Der Schweizer Gesetzgeber erhöhe die Regulierungsdichte oft unnötig, ohne Druck von aussen.

Forster nennt die Medizinaltechnik-Branche als Beispiel dafür, wie die EU wirksam Druck ausüben kann – wenn die Schweiz nicht mitzieht. Allein Ypsomed habe 40 Mitarbeitende angestellt, um Konformitätsbewertungen für die EU durchzuführen. Wietlisbach lässt dieses Argument nicht gelten: «Der Aktienkurs von Ypsomed ist rasant gestiegen. Und die Branche hat Arbeitsplätze geschaffen.»

23. September 2024

Schweiz-EU: Weckt die Zürcher FDP die Partei aus dem Tiefschlaf?

Seit Filippo Leutenegger das kantonale FDP-Präsidium übernommen hat, schwört er die Partei auf die liberalen Werte ein, die sie einst geprägt haben. So wagt sich der Zürcher Freisinn gar an eine «heilige Kuh» – die Personenfreizügigkeit mit der EU. Er fordert ein griffiges Schutzkonzept «zur Steuerung und Reduktion der Zuwanderung aus der EU». Denn allein im vergangenen Jahr seien offiziell fast 100'000 Personen in die Schweiz geströmt. Bei diesem Tempo könne die Infrastruktur nicht mehr Schritt halten, warnt die Zürcher FDP. Solche Töne sind so ungewohnt, dass «Nebelspalter»-Chef Markus Somm in «Somms Memo» von einer «Zeitenwende» spricht. 

Die grosse Frage: Wie reagiert die nationale FDP? Einige Parlamentarier wie Marcel Dobler, Peter Schilliger und Christian Wasserfallen sympathisieren mit dem Kurswechsel. Der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann bringt es auf den Punkt: «Bei der Personenfreizügigkeit muss unter dem Strich etwas Positives für die Schweiz herausschauen.» Der Parteipräsident Thierry Burkart plädiert zwar für eine griffige Schutzklausel im Vertrag mit der EU. Schweizweit will die FDP die Diskussion über das Rahmenabkommen 2.0 aber erst lancieren, wenn das Verhandlungsergebnis des Bundesrats vorliegt.

Derweil sorgen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für Kopfschütteln. So stossen die Richter aus Strassburg ein Urteil der Schweiz um: Ein Drogendealer aus Bosnien-Herzegowina darf nicht des Landes verwiesen werden – und soll stattdessen von den Steuerzahlern eine Genugtuung von 10'000 Franken erhalten.

Unbeachtet solcher Diskussionen und hinter dem Rücken der Parteispitze will darum einer schon jetzt Fakten schaffen: Der FDP-Nationalrat Simon Michel kritisiert mantrahaft die «Abschottungstendenzen» der Schweiz, redet der Zuwanderung das Wort und weibelt für eine Anbindung des Landes an die EU. Unter anderem startet er «Gesprächskreise von FDP-Mitgliedern und -Freunden» mit Referenten, die wohl alles vorbehaltlos unterschreiben würden, worauf der Absender Brüssel steht.

20. August 2024

Ex-Bank-CEO: «Behalten wir unsere Bäckerei!»

Man könne nicht «den Fünfer und das Weggli» haben, werfen viele EU-Freunde der Schweiz vor. Zeno Staub, bis Ende 2023 CEO der Bank Vontobel, Unternehmer und Präsident der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft (AWG) des Kantons Zürich in der Mitte-Partei, greift die Metapher auf – und zeigt ihre wahre Bedeutung im «Nebelspalter». 

Schweizer Erfolgsrezept

Entscheidend ist weder der Fünfer noch das Weggli, sondern dass wir die «Bäckerei», unsere Schweizer Wirtschaft, behalten. Mit der institutionellen Angleichung an die EU würden wir dagegen unsere Produktionsbedingungen aus der Hand geben. «Liberale Arbeitsmärkte, direkte Demokratie, eigene, pragmatische Rechtssetzungsfähigkeit, Föderalismus, Subsidiarität, Steuerwettbewerb» – das sind laut Staub die Zutaten des Schweizer Erfolgsrezepts.

Verträge, die gesundem Menschenverstand entsprechen

Staub teilt die Verträge mit der EU in fünf Gruppen ein. Die erste Gruppe umfasst Abmachungen, wie sie unter OECD-Ländern üblich sind. Zweitens sieht er geografisch bedingte Verträge, die den Land- und Luftverkehr und die Sicherheit betreffen – und drittens den Bereich Forschung, Bildung und Innovation. Der vertragliche EU-Marktzugang in diesen Bereichen gewährt der Schweiz etwa die Bedingungen wie der globalen Konkurrenz.

Personenfreizügigkeit und MRA – wirtschaftlich überschätzt

Kritischer sieht Staub die vierte Vertragsgruppe, wozu das Abkommen zu technischen Handelshemmnissen, MRA, und die Personenfreizügigkeit zählen. Die Personenfreizügigkeit hält er für überschätzt: «Allein um Menschen aus dem Ausland in der Schweiz einstellen zu dürfen und ihre Familien hier anzusiedeln, brauchen wir keinen Vertrag mit dem Ausland.» Staub geht davon aus, dass sich die Schweiz einfach den Fünfer für eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung sparen wolle – obgleich das Bevölkerungswachstum ein Ausmass angenommen habe, das den gesellschaftlichen Konsens gefährde.

Auch die Vorteile des MRA bezeichnet er als «dünn». Das zeigen die erfolgreichen Exporte von China, Südkorea und den USA in die EU und die Tatsache, dass die Medtech-Branche im Drittlandstatus – mit gleich langen Spiessen wie die globale Konkurrenz – allein 2020/2021 rund 4500 neue Stellen in der Schweiz geschaffen hat.

Zur fünften Gruppe von Verträgen, die eine institutionelle Angleichung an die EU bezwecken, braucht es ein klares «Nein», schliesst Staub. Sonst haben unsere Kinder keine Bäckerei mehr.

05. August 2024

Historiker warnen: «Beamte sind die neuen Fürsten»

«Wer die Geschichte kennt, versteht die Gegenwart», sagt ein Bonmot. In diesem Sinn beobachten die Historiker Oliver Zimmer – er hat 27 Jahre in Grossbritannien gelebt, jahrzehntelang als Professor in Oxford – und Tobias Straumann mit Sorge, wie sich die Schweiz an die EU andocken will.

Zimmer sieht die direkte Demokratie in Gefahr. Denn die Schweizer Politik sei elitär, denke zunehmend gleichförmig und orientiere sich lieber an der EU als an Volksrechten, wie er der «NZZ» erklärt: «Es gibt viele Leute, auch gut Gebildete, die historisch eher schwachbrüstig unterwegs sind. Sie haben das Gefühl, der Zug des Fortschritts fahre unweigerlich in die supranationale Richtung, in die Richtung der EU.» Diese Angst, den Zug nach Brüssel zu verpassen, hält Zimmer für einen Irrtum.

EU tickt absolutistisch

«Die EU steht in der Tradition des aufgeklärten Absolutismus, einer Zeit, in der aufgeklärte und gutmeinende Herrscher und ihre Berater Reformen zum Wohl ihrer Untertanen durchsetzen wollten. Die Fürsten von damals sind heute die administrativ geschulten Beamten», betont Zimmer. Die Beamten hätten ein Interesse daran, möglichst viel Macht an die Verwaltung und die Gerichte zu übertragen. Parlamente und Bürger seien für sie «ein Störfaktor».

Klar ist für Zimmer daher, dass Volk und Kantone über das institutionelle Abkommen mit der EU entscheiden müssen. Sonst würden wir uns von Artikel 1 der Bundesverfassung verabschieden.

Wann wachen Wirtschaftsverbände auf?

Wirtschaftshistoriker Straumann analysiert, wie die EU ihren Charakter über die Jahre enorm geändert hat. «Sie war früher wirklich ein liberales Projekt, jetzt ist sie zum stark bevormundenden Konstrukt geworden, auch gegenüber den eigenen Mitgliedstaaten. Ich glaube nicht, dass es gut herauskommt für die EU-Länder, wenn die EU weiterhin ihre Kompetenzen ausweitet», diktiert er der «Weltwoche». Seiner Ansicht nach ist die Schweiz «schon sehr weit» in die EU integriert: «Die Bilateralen müssen meiner Ansicht nach nicht weiterentwickelt werden.» 

Etwas erstaunt Straumann ganz besonders: dass die Wirtschaftsverbände den Nachteil einer EU-Anbindung «kaum ernst nehmen». Dabei würde ein institutionelles Abkommen bedeuten, «dass die Schweizer Firmen noch viel stärker reguliert würden».

29. Juli 2024

Offene und faire EU-Debatte erwünscht!

«Jans kanns» titelte die «Weltwoche», als Beat Jans sein Amt als Bundesrat antrat. Jetzt macht sich vielerorts die Ernüchterung breit. Denn Beat Jans lobte in der «NZZ» die Paketlösung mit der EU über den grünen Klee hinaus. Er behauptete sogar, die Schweiz werde durch ein geregeltes Verhältnis mit der EU souveräner.

Darauf konterte alt Bundesrat Ueli Maurer ebenfalls in der «NZZ»: «Das ist schon fast eine bösartige Verzerrung der Fakten. Wie soll die Souveränität, die Selbstbestimmung der Schweizerinnen und Schweizer, gestärkt werden, wenn Entscheidungen statt bei uns in Brüssel gefällt werden?» Das gefährde die Unabhängigkeit der Schweiz.

«Beat Jans und Ueli Maurer agieren nicht magistral», sagte FDP-Präsident Thierry Burkart dem «Blick». Klar ist für ihn aber eines: «Es ist verhandlungstaktisch höchst ungeschickt, wenn Beat Jans als nicht dossierzuständiger Vertreter der Landesregierung der Gegenseite noch vor Verhandlungsabschluss und Positionsbezug des Gesamtbundesrats signalisiert, dass die Schweiz quasi jedes Resultat brauche und folglich akzeptieren würde.» Wundert es da jemanden, dass der «Nebelspalter» den Bundesrat gar zum «Löli des Tages» kürte?

Jans und Maurer haben Lob verdient, nicht Tadel – schreibt Arthur Rutishauser, Chefredaktor der «SonntagsZeitung». Denn wir müssten über die Verträge mit der EU diskutieren. «Am Schluss kommt es zu einem Souveränitätsverlust, weil die Schweiz die relevanten EU-Gesetze und deren Weiterentwicklung übernehmen muss. Wie sich das mit der direkten Demokratie verträgt, ist schleierhaft. Referenden wird es bei den betroffenen Themen kaum mehr geben können, weil man nicht Nein sagen kann, ohne dass es kompliziert wird.»

In diesem Sinn begrüsst auch autonomiesuisse eine offene und ehrliche Debatte über die Verträge mit der EU. Es kann aber nicht sein, dass sich ein Bundesrat einerseits gegenüber der Schweizer Öffentlichkeit über die Verhandlungen mit der EU ausschweigt, aber andererseits ohne kollegiale Abstimmung der Gegenpartei in Brüssel vorauseilend einen Freipass auf dem ganzen Feld einräumt. Damit gibt der Bundesrat seine Verhandlungsposition unnötig preis.

Ob man sich für oder gegen eine institutionelle Anbindung an die EU ausspricht: autonomiesuisse fordert eine Diskussion ohne versteckte Agenda. So geht aus dem Verhandlungsmandat des Bundesrats dreierlei klar hervor:

1. Die Rahmenverträge 2.0 führen zu einem unwiderruflichen Souveränitätsverlust und degradieren die direkte Demokratie weitgehend zu einer folkloristischen Übung.

2. Langfristig überwiegen die negativen Effekte des EU-Vertragspakets allfällige kurzfristige formelle Vorteile. Denn sie zerlegen die Standortvorteile der Schweiz.

3. Die Verträge schränken die Erfolgsprinzipien Subsidiarität und Föderalismus massiv ein. Weil diese in Art. 1 der Bundesverfassung festgelegt sind, ist ein Ständemehr zwingend erforderlich.

24. Juli 2024

Was, wenn ein Bundesrat zum Chefaktivisten mutiert?

«Der Bundesrat entscheidet als Kollegium», schreibt die Bundesverfassung vor. «Die Entscheide werden gemeinsam getroffen.» Alle Ratsmitglieder müssen diese Entscheide gegen aussen vertreten. «Das bedeutet, dass der Bundesrat einvernehmliche Lösungen sucht, anstatt gestützt auf das Mehrheitsprinzip den eigenen Standpunkt durchzusetzen», erklärt die Schweizer Regierung auf ihrer Website. In der Praxis bekunden manche Bundesratsmitglieder Mühe mit dieser Kultur. Wie sonst kommt Beat Jans dazu, in der «NZZ» eine PR-Stellungnahme zu einem Thema zu schreiben, das nicht zu seinem Dossier gehört? Hat er diesen Schnellschuss mit seinen Ratskollegen abgesprochen?

Tatsächlich irrt Beat Jans in mindestens sieben Punkten.

1. Beat Jans schreibt konsequent von den «Bilateralen III». Obwohl der Bundesrat dafür das Wording «Paketansatz» kreiert hat. Die EU lehnt den Begriff «Bilaterale» ab, weil sie von der Schweiz eine institutionelle Anbindung erwartet.

2. Über Streitigkeiten zwischen der EU und der Schweiz würde ein paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht entscheiden, behauptet Jans – falsch! Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das Auslegungsmonopol über die Verträge, das Bundesgericht wäre ausgeschaltet, das Fake-Schiedsgericht an den EuGH gebunden.

3. Ohne Vertrag sei die Schweiz den Nadelstichen der EU schutzlos ausgeliefert. Deshalb brauche es jetzt Rechtssicherheit. Dabei stellt die EU mit ihrer ausufernden Bürokratie fast die verkörperte Rechtsunsicherheit dar. Jans verkennt, dass Nadelstiche durch die Rahmenverträge 2.0 sogar legitimiert würden. Wenn der Souverän oder das Parlament im Rahmen der dynamischen Rechtsübernahme ein neues EU-Gesetz ablehnt, erlauben die Verträge der EU, auch sachfremde Gegenmassnahmen gegen die Schweiz zu ergreifen.

4. «Mit einer Einigung stärken wir also unsere Souveränität (…), damit Schweizer Wissenschafter mit ihren Kollegen in der EU forschen und unsere KMU mit ihren europäischen Partnern wirtschaften können», schwadroniert Jans. Weiss er nicht, dass unsere KMU seit dem Freihandelsabkommen von 1972 freien Zugang zum EU-Markt haben? Mit den USA besteht kein solches Abkommen. Dennoch sind sie unser Handelspartner Nummer eins. Der einzige Trumpf der EU ist «Horizon». Aber auch das relativiert sich: Kein Schweizer Nobelpreisträger hat je im Rahmen eines EU-Programms geforscht.

5. Wir müssten das EU-Recht laut Jans «dynamisch» übernehmen, nicht «automatisch» – und nur dann, wenn es um den «Zugang zum EU-Binnenmarkt» geht. Das Problem: Die EU entscheidet, was für den Binnenmarkt relevant ist. Und sollte die Schweiz ausscheren, ermächtigen die Verträge die EU zu weiteren Nadelstichen.

6. «Die dynamische Rechtsübernahme wäre beunruhigend, wenn sie ein Blankocheck für jegliche erdenkliche Neuregelung wäre», räumt Jans ein. Gemäss vorgesehenem Regelwerk ist die dynamische Rechtsübernahme jedoch genau ein solcher Blankocheck. Mit anderen Worten: Die Schweiz müsste die «Katze im Sack» kaufen.

7. Fast erwartbar stimmt auch Jans das Hohelied der Zuwanderung an. Ohne Zuwanderung kein Wohlstand, keine Lösung des Fachkräftemangels – meint er. Dass die Schweiz mit weniger Zuwanderung nicht wachsen könne, ist «nachweislich falsch», wie der «Nebelspalter» klarstellt. Die Schweizer Wirtschaft würde ohne übermässige Zuwanderung aus der EU nachhaltiger wachsen. Die Zuwanderung selbst verschärft den Fachkräftemangel: Mehr Menschen brauchen nun mal mehr Infrastruktur.

So sieht es autonomiesuisse: Wenn ein Magistrat mit Blick auf die EU rührselig von «Friedensprojekt», «Garant für Stabilität und Prosperität» und «Wertegemeinschaft» spricht, offenbart er seine wahren Absichten. Es geht ihm weniger um die Wettbewerbsfähigkeit und die Unabhängigkeit der Schweiz, als vielmehr darum, diese enger an die EU zu binden.

Welchen Aussagen können wir noch trauen, wenn Bundesräte zu Chefaktivisten mutieren – und selbst vor Lobbying nicht zurückschrecken? Ein solches Verhalten sägt am Fundament der direkten Demokratie, welche entscheidend zur Spitzenstellung der Schweiz bezüglich Innovation, Wohlstand und Stabilität beiträgt.

18. Juli 2024

Selbsternannter «Mr. Bilaterale» betreibt «Age Shaming»

Abgesehen von vereinzelten EU-Freaks, macht sich kaum ein Politiker mit Herzblut für die bundesrätliche Paketlösung mit der EU stark. Aus der Reihe tanzt einzig der Solothurner FDP-Nationalrat Simon Michel. Er fällt umso mehr auf, als er CEO von Ypsomed ist – eines börsenkotierten Medtech-Konzerns, den sein Vater aufgebaut hat. Unter den Parlamentariern spielt er wirtschaftlich in einer Liga wie sonst nur Magdalena Martullo-Blocher. Neu übernimmt Michel das Präsidium der Lobbyorganisation Progresuisse. Die Organisation hat die PR-Agentur Furrerhugi – als Anspielung auf autonomiesuisse – aus dem Boden gestampft, um die Schweiz institutionell an die EU zu docken.

«Vor seinem Einstieg im Familienunternehmen war Michel beim Mobilfunkanbieter Orange im Marketing. Der Mann ist ein Verkäufer, der auch mal mit einer Idee den Markt testet», schreibt der «Tages-Anzeiger» über den selbsternannten «Mr. Bilaterale». Ganz Verkäufer zeichnet sich Michel vor allem durch sein Mundwerk aus. So spricht er bei der Paketlösung beschönigend von «Bilateralen III» und der «Fortsetzung des Bilateralismus» – und redet die Folgen klein.

Nach dem Motto «Ich weiss zwar nicht, wovon ich spreche, dafür spreche ich umso lauter» greift er Andersdenkende an. «Ein emeritierter Professor, der unqualifiziert mit #Bullshit argumentiert, sollte sich auf seine Emeritierung konzentrieren und nicht die Zukunft unseres Landes gefährden», schreibt er auf LinkedIn über Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Baudenbacher, Expräsident des EFTA-Gerichtshofs. In einem weiteren Beitrag poltert er über «alte weisse Männer, angeführt durch einen noch älteren weissen Mann aus Herrliberg», welche die EU angeblich verteufeln …, «ohne auch nur andeutungsweise einen Plan B aufzuzeigen. Es ist an der Zeit, dass Sie Ihre Rente geniessen und die Zukunft unseres Landes der nächsten Generation überlassen, denn das ist nicht Ihre, aber unsere Zukunft!»

Für autonomiesuisse sind das Aussagen, aber keine Argumente. Wie verzweifelt muss ein Politiker sein, wenn er seine Gegenspieler nur beschimpfen kann? Und fällt dem 47-jährigen «Jungspund» Michel wirklich nichts anderes ein als plumpes «Age Shaming»? Auch dabei ignoriert er geflissentlich, dass prominente Wirtschaftsvertreter, welche für die Gegenposition einstehen, jünger sind als er. Ein Verdacht drängt sich auf: Michel geht es weniger um sein Land als vielmehr um sein Geschäft. Die Medtech-Branche bekam die Brüsseler Bürokratie früh zu spüren. So musste Ypsomed ihre Produkte neu zertifizieren lassen, um sie weiterhin in der EU verkaufen zu können.

Ironie des Schicksals: Seit der Bundesrat das Rahmenabkommen 2021 versenkt hat, hat sich der Aktienkurs der Ypsomed positiv entwickelt.

03. Juli 2024

Mit welchen Tricksereien müssen wir noch rechnen?

Muss dem Rahmenabkommen 2.0 mit der EU eine Mehrheit des Volks und eine Mehrheit der Kantone zustimmen? Ein vom Bundesrat beim Bundesamt für Justiz in Auftrag gegebenes Gutachten verneint dies vehement. Dieses Ergebnis hat weite politische Kreise überrascht. So sehr, dass selbst der Bundesrat kalte Füsse bekam. Er behält sich nun trotz des Gutachtens eine Abstimmung mit Ständemehr vor.

Tatsächlich kamen schon das Freihandelsabkommen von 1972 und 1992 der EWR-Vertrag vor Volk und Stände. Und das Rahmenabkommen, das die Landesregierung jetzt einfädeln will, würde die Schweiz noch viel enger an die EU binden. Das Bundesamt für Justiz argumentierte noch am 15. Januar 2020 diametral anders als heute, wie Prof. Dr. Dr. Carl Baudenbacher, Expräsident des EFTA-Gerichtshofs in Luxemburg, auf LinkedIn kommentiert. Für ihn stellt das «Gefälligkeitsgutachten» ein abschreckendes Beispiel für die «Verluderung der juristischen Methodenlehre» dar. Denn über den Inhalt des Rahmenabkommens werde «gelogen» und die Folgen werden verharmlost. Die Wurzeln des Ständemehrs liegen darin, dass sich einst autonome Kantone zur Eidgenossenschaft zusammengeschlossen hatten. Das Ständemehr ist somit älter als das Stimmenmehr.

Was in aller Welt hat das Bundesamt für Justiz dazu bewogen, die Verfassung so spielerisch zu interpretieren? Die «NZZ» schliesst nicht aus, dass es «mit dem EU-freundlichen Departementschef an der Spitze auch eine implizite Ermunterung gab, in diese Richtung Überlegungen anzustellen». Der Verdacht drängt sich aber auch auf, dass Befürworter des Rahmenabkommens diesem Vertragswerk in einem Abstimmungskampf keine grossen Chancen zutrauen – und jede juristische Spitzfindigkeit nutzen, um es leichter durchboxen zu können.

Wenn schon das Bundesamt für Justiz die Fakten so verdreht, fragt man sich, für welche weiteren Fake News wir uns noch wappnen sollten.

19. Juni 2024

NZZ-Chefredaktor: Geht er nach dem ersten richtigen Schritt auch den zweiten?

Die Europawahl nimmt der «NZZ»-Chefredaktor Eric Gujer zum Anlass, den Europäischen Rat unter die Lupe zu nehmen. Sein Urteil fällt vernichtend aus. Während sich die EU gerne als Hort der Demokratie aufspielt und Defizite in anderen Staaten anprangert, wirkt der Europäische Rat nur noch im Ausnahmezustand als Souverän. Ansonsten dominieren Richter das Gremium. «Nicht mehr gewählte Regierungen bilden im Europäischen Rat den obersten Gesetzgeber, sondern demokratisch nicht legitimierte Richter.» Das Demokratiedefizit der EU und die Abgehobenheit der europäischen Institutionen nehme beständig zu und lasse nationalkonservative Protestparteien erst recht gedeihen. «Alles wird noch formalistischer, noch träger und schliesslich willkürlich», schreibt Gujer. Spürbare Veränderungen bringt die EU nur zustande, wenn Krisen wie etwa das Griechenland-Fiasko oder Covid-19 sie erzwingen. «In diese Lücke springt der Europäische Gerichtshof. Er baut die Verträge, die von Nationalstaaten geschlossen und verändert werden, zu einer Art Verfassung um», kritisiert Gujer und folgert: «Kreativität und unternehmerischer Wagemut sind einer Union wesensfremd, die Richter und Regulierungen verehrt.» Nicht erstaunlich, stagniert die EU – unabhängig davon, wer an der Macht ist.

autonomiesuisse fragt sich, wie lange es noch dauert, bis Gujer aus seiner messerscharfen Diagnose auch die richtigen therapeutischen Massnahmen für die Schweiz ableitet. Mit der Paketlösung des Bundesrats würde sich die Schweiz weitgehend dem Europäischen Gerichtshof unterwerfen und an die überregulierte und global ins Hintertreffen geratene EU binden. Das wäre das Ende des friedlichen Bilateralismus, der immer eine Win-win-Situation für beide Seiten anstrebt. Wann macht Gujer nach dem ersten richtigen Schritt auch den zweiten? Und vor allem: Wann merkt der Bundesrat, dass er sich in die falsche Richtung bewegt?

17. Juni 2024

EU-Bürokratie macht Unternehmen und Patienten krank

Das Gegenteil von «gut» ist «gut gemeint». Und «gut gemeint» sind viele EU-Richtlinien. Das sagen nicht etwa helvetische EU-Skeptiker, sondern Dr. Daniel Stelter im deutschen Ökonomie-Podcast «bto – beyond the obvious – featured by Handelsblatt». Mit Fakten zeigt er, dass es um den Wirtschaftsraum Deutschland und die EU schlimmer bestellt ist, als es uns die Politik weismachen will. Der Aufwand der Unternehmen wächst, um die staatlichen Auflagen zu bewältigen. Immer mehr Firmen kehren Deutschland den Rücken zu. Jüngst beschloss der Chemie-Gigant BASF, seine Produktion im Land drastisch zu drosseln. Weniger bekannt ist, dass die EU-Bürokraten auch Menschen schmerzlich beeinträchtigen – mit bis zu tödlichen Folgen. Schuld daran ist ausgerechnet die «Medical Device Regulation», kurz MDR, die 2021 in Kraft getreten ist. Die «gut gemeinte» Richtlinie hat die Kosten im Zulassungsprozess von Medizinprodukten laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mehr als verdoppelt. Hinzu kommt, dass das Prozedere teilweise dreimal so lange dauert wie vor Inkrafttreten der Verordnung. Dieser bürokratische Giftcocktail treibt die Kosten von medizinischen Produkten hoch und verwehrt Patienten den Zugang zu innovativen Therapien, was Heilungschancen schmälert und Lebensqualität kostet. EU-Unternehmen drohen, den Anschluss an den Weltmarkt zu verlieren. Dass es auch anders geht, machen die USA vor: Sie haben den Zulassungsprozess in den letzten Jahren beschleunigt. Es fragt sich, ob es wirklich sinnvoll ist, wenn die Schweiz genau solche Direktiven wie die MDR unreflektiert übernimmt – bloss, weil der Bundesrat ein Rahmenabkommen 2.0 mit der EU wünscht. Wann endlich erwacht economiesuisse?

11. Juni 2024

Brüssel lässt sich seine Drohkulissen nicht nehmen

«Wer sich zum Schaf macht, den fressen die Wölfe.» Das erlebt derzeit die Schweiz. Wenn sie gegenüber Brüssel in allen Punkten nachgibt, spielt die EU ihren Machtpoker erst recht aus. Das merkt freilich nur, wer Staatssekretär Alexandre Fasel aufmerksam zuhört. Wie die «Weltwoche» beobachtete, markierte er vor Pro Schweiz den höflichen Gentleman, der «fleissig Notizen machte», betonte aber vor der Europäischen Bewegung Schweiz (EBS), dass die Eidgenossenschaft einlenken müsse. Der Grund: Brüssel habe «ein neues Powerplay aufgezogen». Die brave Schweizer Verhandlungsdelegation sei davon ausgegangen, dass die Schweiz aufgrund des Common Understanding wieder fix an den EU-Forschungsprogrammen teilnehmen dürfe. Von diesem Versprechen will die Gegenseite laut Fasel nichts mehr wissen – nach dem Motto: «Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?» Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen will die EU die Schweiz nur fürs Jahr 2025 quasi auf Probe wieder mitmachen lassen und dann weiterschauen. Schliesslich würden ihr sonst irgendwann die Drohmittel ausgehen. Oder um ein weiteres Bonmot zu zitieren: «Wer einmal Blut geleckt hat, will immer mehr.»

22. Mai 2024

EU-Verträge: Neue Lasten für Firmen, keine Entlastung

«Mit den Bilateralen III besteht die Chance, die engen Beziehungen zu unserem wichtigsten Wirtschaftspartner langfristig auf stabile Füsse zu stellen», schreibt der Wirtschaftsdachverband economiesuisse auf seiner Website. Stattdessen könnte allein schon die dynamische Übernahme von EU-Recht den Schweizer Unternehmen den Boden unter den Füssen wegziehen. Dies zeigt eine Analyse des Buchautors und ehemaligen Chefökonomen des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Beat Kappeler. Vier Tage lang hat er sich durch die neusten EU-Verordnungen gekämpft – Zeit, die den Verbänden und dem Parlament wohl fehlt. Sonst würden sie nicht davon ausgehen, dass die Schweiz einfach EU-Gesetze übernehmen und problemlos Güter in die EU exportieren kann. «Die Realität wäre keine Entlastung, sondern eine Belastung», sagt Kappeler: «Schweizer Unternehmen müssten alle EU-Regeln für ihre gesamte Tätigkeit übernehmen, nicht nur für ihre Exportgeschäfte.» Wenn Wirtschaftsverbände und Exporteure über neue Zertifizierungen und andere Hürden in der EU klagten, sollten sie den ganzen Wust an Regeln lesen, den die EU ihren Unternehmen auferlege, fordert Kappeler. Die Massnahmenpalette aus Brüssel reiche von einer «Nullschadstoff-Wirtschaft» (COM2021 400) bis zu Bussen, wenn Kunden behaupten, durch künstliche Intelligenzen geschädigt worden zu sein. Die Unternehmen müssten ihre Unschuld beweisen (COM/2021/206 final, 2021/0106(COD). «Neben einer öffentlichen Kontrollbürokratie wären die Unternehmen gezwungen, parallel interne Bürokratien aufzubauen», folgert Kappeler. Dabei würde die EU strikt darauf achten, dass kein Land den Regulierungswettbewerb mit schlankeren Gesetzen gewinnt. Indirekt zielt die dynamische Übernahme von EU-Recht somit darauf ab, das Erfolgsmodell Schweiz zu zerstören. «Die Schweizer Unternehmen und das Schweizer Volk haben ein Recht darauf, dass Verbände und Parlament zwischen Exportvorschriften und den enormen inländischen Erleichterungen für die Unternehmen unterscheiden können – und die Texte der EU-Richtlinien lesen.» Denn die Bedrohung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH), dem der Bundesrat das letzte Wort geben will, wird erst deutlich, wenn man sich mit den unzähligen verdichteten Rechtssätzen auseinandersetzt.

07. Mai 2024

Driftet Europa als Hightech-Standort ins Abseits?

«Europa für das digitale Zeitalter» – das zählt zu den Prioritäten der Europäischen Kommission. Tatsächlich hat die EU mit der Datenschutzgrundverordnung DSGVO wohl die komplexeste Datenschutzgesetzgebung der Welt zusammengeschustert. Doch die Anzeichen verdichten sich, dass der alte Kontinent als Hightech-Standort vor allem gegenüber Asien und den USA ins Hintertreffen gerät. So hat der Dienstleister CloudZero in mehreren Studien untersucht, welche Standorte für Tech-Fachkräfte im Zeichen der Digitalisierung am attraktivsten sind. Durchs Band liegen die europäischen Städte dabei auf den mittleren bis hinteren Plätzen. In der jüngsten Studie, welche die 30 wichtigsten digitalen Städte bewertet, schwingen Washington, Tokio, New York, Dallas, Hongkong, Singapur und Peking obenaus. Dann folgt Zürich immerhin auf Rang 8, wie der «Nebelspalter» berichtet. Dänemark landet – als erstes EU-Land – auf Platz 9. Die Standortattraktivität hat CloudZero anhand von Faktoren wie den offenen Stellen, den Gehältern, der Zahl Tech-Unternehmen, der Breitbandgeschwindigkeit und der Mietkosten für eine zentral gelegene Einzimmerwohnung beurteilt. Eine Stärke der Schweiz besteht darin, Talente auszubilden und anzuziehen. Darum hat sie es zum zehnten Mal in Folge im IMD World Talent Ranking (2023) aufs Podest geschafft. Dennoch meint autonomiesuisse: Um den technologischen Anschluss nicht zu verpassen, muss sich die Schweiz an den Besten orientieren. EU-Massstäbe reichen nicht.

02. Mai 2024

Arbeitsmigration: Wer profitiert davon?

Volle Züge, verstopfte Strassen, knapper Wohnraum: Herr und Frau Schweizer spüren, dass die ausländische Wohnbevölkerung seit Einführung der Personenfreizügigkeit (PFZ) mit der EU vor 22 Jahren um 1,2 Millionen Personen gewachsen ist. Um die emotionale Diskussion zu versachlichen, hat das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik IWP der Universität Luzern die Studie «Arbeitsmigration in die Schweiz: Die wichtigsten Erkenntnisse zu Bevölkerungswachstum, Wohlstand & Sozialstaat» veröffentlicht. Demnach profitieren in erster Linie die zugewanderten Arbeitskräfte, aber auch die rekrutierenden Unternehmen und die Volkswirtschaft. Von Vorteil sind zugewanderte Talente, wenn sie produktiver sind als die heimischen Arbeitskräfte – oder ihnen helfen, produktiver zu werden. Wie eine Analyse zeigt, spielt dieser Effekt jedoch eine eher bescheidene Rolle. Das Schweizer BIP pro Kopf ist seit 2000 inflationsbereinigt um 23 Prozent gestiegen. Damit liegt die Schweiz im europäischen Mittelfeld, das keine vergleichbare Zuwanderung erlebt hat. Hat die Zuwanderung den Fachkräftemangel verringert? Mitnichten. Mehr Menschen konsumieren mehr, brauchen mehr Dienstleistungen. Für jeden Arbeitsplatz bei einem exportorientierten Unternehmen entstehen so weitere 0,6 bis 1,4 Stellen für Neuzuzüger im lokalen Gewerbe. Hinzu kommt: Rund 40 Prozent der Menschen ziehen nicht wegen des Arbeitsmarkts, sondern aus familiären Gründen in die Schweiz. Selbst das Finanzierungsproblem der AHV vermag die Zuwanderung nur kurzfristig zu lindern. Langfristig beziehen die meisten Personen mehr Leistungen aus der AHV, als sie zu deren Finanzierung beigetragen haben. Ob der Nutzen der Zuwanderung für Staat und Gesellschaft insgesamt überwiegt, lässt die Studie mangels Daten offen. Sie schliesst jedoch mit dem Hinweis, dass das Schweizer Erfolgsmodell auf der direkten Demokratie, der Konkordanzregierung, der disziplinierten Geld- und Fiskalpolitik und dem Föderalismus beruht. «Die hohe Zuwanderung kann zur Folge haben, dass das Wissen von und die Wertschätzung für diese Sonderheiten und die Involviertheit verloren gehen. Denkbar ist aber auch, dass sich Zugewanderte die Eigenheiten des Schweizer Systems über die Zeit zu eigen machen.»

25. April 2024

autonomiesuisse trifft auf economiesuisse

Braucht die Schweizer Wirtschaft ein neues Massnahmenpaket mit der EU? Für die «Schaffhauser Nachrichten» haben economiesuisse-Geschäftsführerin Monika Rühl und Hans-Peter Zehnder, Co-Präsident von autonomiesuisse und Verwaltungsratspräsident der Zehnder Group, die Klingen gekreuzt. Rühl sieht die Schweiz unter Handlungszwang, wenn sie den bilateralen Weg weitergehen möchte: «Den Status quo gibt es somit nicht, weil unser Verhandlungspartner den nicht mehr will.» Entsprechend zeigt Rühl wenig Ambitionen: «Bei allem Stolz auf die Schweiz – dort sind wir die Kleinen gegenüber der grossen EU.» Rühl ist der Auffassung, die Schweiz müsse nur in definierten Bereichen, in denen sie am EU-Binnenmarkt teilnehme, die Spielregeln der EU übernehmen. Zehnder kontert: «Wenn man das Menü auswählen kann, habe ich kein Problem, aber das können wir nicht. Von der EU-Seite wird das Abkommen, das wir hier verhandeln, auch verbunden mit dem Gedanken, dass alle zukünftigen Abkommen diesen Regeln unterstellt werden.» Extensiv ausgelegt, sei jedes Thema binnenmarktrelevant. Im Klartext: Es ist heute nicht vorhersehbar, in welchen Bereichen die Schweiz künftig automatisch EU-Recht übernehmen muss. «Der Freihandel ist wichtig, aber noch wichtiger ist, dass wir als Firmen besser sind als die anderen», betont Zehnder. Möglich ist das nur, wenn die Schweiz weiterhin über wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen verfügt. Oder wie es Zehnder formuliert: «Wir wollen (…) nicht in jeder Beziehung angeglichen werden.»

08. April 2024

Neue Töne von economiesuisse: Was gilt nun?

Jahrelang hat der Dachverband der Wirtschaft economiesuisse die alte Leier wiederholt, wonach die Zuwanderung eine unabdingbare Voraussetzung für den Wohlstand sei. Das gilt jetzt offenbar nicht mehr uneingeschränkt. So hört man auf «SRF» plötzlich neue Töne von Präsident Christoph Mäder: «Wir müssen heute feststellen, dass die Zuwanderung in den letzten Jahren im Schnitt zu hoch gewesen ist.» Zwar glaubt er nach wie vor an das Mantra, dass die Schweiz den gestiegenen Wohlstand vor allem der Personenfreizügigkeit verdankt – obwohl der Produktivitätsfortschritt gesunken ist. Doch selbstkritisch signalisiert Mäder eine Wende: «Wir können nicht mehr der grenzenlosen Zuwanderung das Wort reden, sondern müssen respektieren, dass es Massnahmen braucht.» Bisweilen gibt sich Mäder gar kämpferisch: «Wenn die EU tatsächlich ein neues Abkommen mit der Schweiz will, muss sie anerkennen, dass wir mit dem heutigen Ausländeranteil an der ständigen Wohnbevölkerung eine besondere Herausforderung haben», erklärt er und träumt von einer Art Schutzklausel. Meint er das ernst? Wenn ja, dann empfiehlt autonomiesuisse: Statt auf das Prinzip Hoffnung zu setzen, wäre es sinnvoller, das bisherige – reflexartige – Engagement fürs Rahmenabkommen 2.0 mit der EU nochmals kritisch zu überdenken.

02. April 2024

economiesuisse verstrickt sich in Widersprüche

Da reibt man sich verwundert die Augen: Andreas Bohrer, Lonza-Chefjurist und Titularprofessor der Universität Zürich, beklagt sich als economiesuisse-Vorstandsmitglied über die «Überregulierung» der EU bei Nachhaltigkeitsvorschriften für Unternehmen. Er wehrt sich in seinem Fachbeitrag gegen «eine Ausweitung der Vorschriften nach EU-Vorbild». Dabei erinnert er daran, dass die Schweizer Wirtschaft «global» agiert – also nicht auf den Euroraum beschränkt ist. Während Bohrer «ein überhastetes gesetzgeberisches Vorgehen» ablehnt, weibelt die Verbandsspitze tagtäglich für ein Rahmenabkommen mit der EU. Dieses würde der Schweiz genau die umstrittenen Regeln eins zu eins aufzwingen. «Es ist ein sehnenzerreissender Spagat, den der Wirtschaftsdachverband economiesuisse da vorführt», kommentiert Wirtschaftsredaktor Beat Gygi in der «Weltwoche». Die Rechtssicherheit, die Bohrer sich wünscht, «kann die Schweiz, so der logische Schluss aus Bohrers Worten, nur dann garantieren, wenn sie sich von der Gesetzesproduktion der EU und deren Richter fernhält», folgert Gygi. Entgegen Gygis Annahme hat die Regulierungsflut noch weiter zugenommen. So haben die EU-Staaten – trotz ablehnender Haltung Deutschlands – kürzlich die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) durchgeboxt. Wer die Paragrafenproduktion im Elfenbeinturm verfolgte, erlebte dabei eine Art Déjà-vu: Zuvor hatte Deutschland schon seinen Widerstand gegen das einschneidende neue EU-Lieferkettengesetz kleinlaut aufgeben müssen. autonomiesuisse weist darauf hin, dass es sich um «Binnenmarkt-Themen» handelt, welche die Schweiz nach Aufforderung durch die EU-Kommission zu übernehmen hätte. Und wenn sie das nicht will? Ausscheren wäre kaum möglich. Denn im Streitfall hätte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das letzte Wort.

26. März 2024

Irreversible und massive Kompetenzverschiebung nach Brüssel

Der Rechtsanwalt Dr. Christoph Rohner hat jeden Satz des «Common Understanding» der Schweiz mit der EU unter die Lupe genommen. Das Resultat ist ernüchternd, wie er in seiner Analyse in «Die Ostschweiz» festhält. Zum einen stellt der Rechtsexperte fest, dass beispielsweise bei Streitigkeiten zwischen der Schweiz und der EU zahlreiche Fragen offenbleiben. Zum andern entlarvt er die Behauptung des Bundesrats, er habe mit der präsentierten Paketlösung einen «grossen Fortschritt» erreicht, als illusorisch. Denn unter anderem die zahlreichen institutionellen Bindungen würden den «sektoriellen Ansatz» aushebeln. Rohner kommt zum gleichen Schluss wie autonomiesuisse: Das «Common Understanding» ist «alter Wein in neuen Schläuchen». Besteht die Hoffnung, dass die Schweiz noch Verbesserungen aushandeln kann? Rohner winkt ab. Ein Abkommen basierend auf dem «Common Understanding» führt ihm zufolge zu irreversiblen Kompetenzverschiebungen nach Brüssel, die «das verfassungsrechtliche Gefüge der Schweiz massiv verändern» werden. Wer die stärkere Verhandlungspartei ist, zeigt sich bis in die Details: Die EU setzt die Frist für eine Einigung bis Ende Jahr. Dazu diktiert sie, dass die institutionellen Mechanismen auch auf alle künftigen Marktzugangsregeln anzuwenden seien. Allfällige Ausnahmen von der dynamischen Rechtsübernahme sind schwammig formuliert – und können sich bis Vertragsabschluss ändern. Auch bezüglich der «bereits vor Inkrafttreten des Rahmenabkommens zu erhöhenden Kohäsionsbeiträge (…) dürfte der stärkere Vertragspartner sagen, womit er sich (…) zufriedengibt», schreibt Rohner. autonomiesuisse folgert: Die Schweiz muss aufpassen, dass am Schluss nicht gilt: «Ausser Spesen nix gewesen.»

22. März 2024

Buchtipp: «Die Schweiz ist anders – oder sie ist keine Schweiz mehr»

Während der Bundesrat sein Rahmenabkommen mit der EU wieder aufwärmt, erscheint das Buch «Die Schweiz ist anders – oder sie ist keine Schweiz mehr» des Ex-Spitzendiplomaten Paul Widmer in diesen Tagen in einer zweiten Auflage (NZZ Libro/Schwabe Verlag). Bis Herbst soll das Werk auch auf Französisch vorliegen. Auf gut hundert Seiten zeigt Widmer, warum die Schweiz staatspolitisch anders aufgebaut ist als die anderen Nationen. Es greift nicht direkt in die Debatte über die Verhandlungen mit der EU ein, sondern bietet das hierfür notwendige Grundlagenwissen, das vielerorts verloren gegangen ist. Die Schweiz baut laut Widmer auf vier Hauptpfeilern auf: der direkten Demokratie, der Mehrsprachigkeit, dem Föderalismus und der Neutralität. Gemeinsam ist diesen Pfeilern, dass sie «die Machtkonzentration im Staat» einschränken. Ihr Erfolgsmodell kann die Schweiz nur erhalten, solange sie eigenständig bleibt. Allein das verdeutlicht, wieso die dynamische Rechtsübernahme und die Letztkompetenz des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die einzigartige Wettbewerbsposition der Schweiz torpedieren würde.

08. März 2024

Verhandlungsmandat: EU-Anbindung schwächt Schweizer Wirtschaft

Der Bundesrat hat das Verhandlungsmandat mit der EU verabschiedet. Dieses Rahmenabkommen 2.0 bringt mehrere Abkommen in ein «Paket» ein. Die Schweiz müsste damit EU-Recht übernehmen und das letzte Wort in Streitfällen soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) haben.

Aus Sicht von autonomiesuisse bietet das «Common Understanding» des Bundesrats keine Grundlage für Verhandlungen mit der EU auf Augenhöhe. Der Preis für das Andocken an den EU-Binnenmarkt ist für die Schweizer Wirtschaft zu hoch. Denn die EU-Bürokratisierung würde mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz erheblich schwächen. Die Position als Innovationsweltmeisterin kann unser Land nur mit freiheitlichen Rahmenbedingungen halten.

Schützenwind erhielt die Auffassung kürzlich von unerwarteter Seite. So gab Helene Budliger Artieda, Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO, im Talk «Feusi Fédéral» des «Nebelspalters» zu Protokoll, dass ihr die Regulierung in der EU zunehmend Sorgen bereite. Das Erfolgsrezept der Schweiz bestehe darin, dass sich der Staat von unten aufbaue und sich die Regulierung auf die Rahmenbedingungen beschränke. Die Entwicklung aus Brüssel sei «nicht gut, weil wir einen anderen Weg gehen wollen».

Mit Ausnahme der von Grosskonzernen dominierten economiesuisse – deren Manager oftmals Expats mit eher kurzfristigem Engagement sind – sieht die Schweizer Wirtschaft das überstürzte Vorpreschen des Bundesrats skeptisch. Mittelständische Unternehmen und Familienunternehmen wollen den Werkplatz Schweiz stärken. Sie sind sich bewusst, dass dies nur möglich ist, wenn sich die Schweiz ihre Rahmenbedingungen selbst geben kann. Darum darf sie sich nicht institutionell an die an Bedeutung verlierende EU binden.

Diese Stimmungslage reflektiert auch eine Umfrage von «20 Minuten» (Stand 8. März 2024). Von knapp 6500 Leuten geben 69 Prozent an, dass die bisherigen Verträge mit der EU reichen. Nicht einmal ein Fünftel wünscht eine neue Lösung mit der EU.

autonomiesuisse ist überzeugt: Die Schweiz kann ihren Wohlstand mit den bisherigen Verträgen besser erhalten – sogar dann, falls einzelne Binnenmarktabkommen in Zukunft wegfallen sollten. Am wichtigsten ist und bleibt für die Schweiz das Freihandelsabkommen von 1972. Von diesem profitiert auch die EU, da sie gegenüber der Schweiz regelmässig einen Handelsbilanzüberschuss erzielt. autonomiesuisse wird sich weiterhin für einen weltoffenen, freien und erfolgreichen Wirtschaftsplatz Schweiz einsetzen.

Die Sicht von autonomiesuisse vertritt Co-Präsident Prof. Dr. Giorgio Behr, Verwaltungsratspräsident der BBC Group, heute in «10 vor 10», SRF 1, 21.50. Ausserdem informiert autonomiesuisse die Schweizer Medien über den Standpunkt der unabhängigen Wirtschaft und des Unternehmertums.

07. März 2024

Hans-Jörg Bertschi: «Bürokratische EU-Gesetze würden Wettbewerbsvorteile erodieren»

97 Prozent ihres Geschäfts wickelt die Bertschi Gruppe im Ausland ab. Nur wenige sind so vertraut mit den internationalen Märkten wie ihr Verwaltungsratspräsident und autonomiesuisse-Co-Präsident Hans-Jörg Bertschi. In der «Somm Show» hat «Nebelspalter»-Chef Markus Somm mit Hans-Jörg Bertschi das EU-Verhandlungsmandat des Bundesrats unter die Lupe genommen. «Mit dem Vertragspaket müsste die Schweiz viele bürokratischen EU-Gesetze importieren», sagt Bertschi: «Das unterbindet die Vorteile, die unsere Wirtschaft auf den weltweiten Märkten noch hat.»

Aus Sicht der Schweizer Familienunternehmen sei der Preis für ein EU-Abkommen zu hoch. «Der Erfolg auf dem Exportmarkt hängt vor allem vom Innovationsgrad der Produkte ab, nicht von Verträgen», erklärt Bertschi. Jedes Land und jedes Unternehmen müsse sich überlegen: «Was ist mein Erfolgsgeheimnis?» Der grösste Fehler der EU ist die Gleichmacherei.

Wie sich die EU-Bürokratie auswirken kann, schildert Bertschi anhand eines Beispiels. Sein Unternehmen unterhält in 20 von 27 EU-Staaten auch Tochterfirmen. «Eine Steuerprüfung bei einem Unternehmen mit 1000 Beschäftigten dauert in der Schweiz zwei bis drei Tage. In Deutschland hat eine Firma mit 30 Mitarbeitenden dafür drei Monate lang drei Beamte im Haus.»

In den letzten 15 Jahren konnte die Schweiz ihre Freihandelsabkommen mehr als verdoppeln. Allerdings ist hier das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO federführend, nicht das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA, das mit der EU verhandelt. «Der Bundesrat muss den Mut aufbringen, gegenüber der EU die Interessen der Schweiz zu vertreten», betont Bertschi.

16. Februar 2024

Und autonomiesuisse hat doch recht!

«autonomiesuisse liegt gemäss Christa Tobler nur in der Hälfte der Kritikpunkte richtig, in der anderen Hälfte irrt sie sich», schreibt die «Handelszeitung» unter Berufung auf die Rechtsprofessorin Christa Tobler. «Blick» und weitere Medien haben diese Fehlinterpretation weiterverbreitet.

Grund genug für autonomiesuisse, nochmals einen fundierten Faktencheck vorzunehmen. Und siehe da: autonomiesuisse liegt in allen Punkten richtig. Zum Beispiel behauptet Christa Tobler gemäss den Medienberichten, «autonomiesuisse mache eine falsche Annahme». Das auszuhandelnde EU-Vertragspaket sei nicht dem Staatsvertragsreferendum zu unterstellen.

Diametral anders sieht das der schweizweit wohl beste Kenner des EU-Rechts, der Ex-EFTA-Gerichtspräsident Prof. Dr. Carl Baudenbacher. Demnach ist die Rechtslage «völlig klar». Ein Abkommen, das so tief in die Strukturen der Schweiz eingreift, würde das doppelte Mehr, von Volk und Ständen, erfordern. Denn das «Rahmenabkommen 2.0» gehe weit über den Beitritt zu einer supernationalen Gemeinschaft hinaus. Bei einer solchen wäre die Schweiz eigenen Organen unterstellt und an diesen beteiligt. Mit dem Rahmenabkommen 2.0 wäre dagegen den parteiischen Organen der Gegenseite unterworfen, nämlich der EU-Kommission und dem EuGH. Das würde gemäss Baudenbacher eine «Satellisierung» darstellen, die weit über das hinausreichte, was die Verfassung explizit erwähnt.

Ebenso argumentiert der Ex-Oxfordgeschichtsprofessor Oliver Zimmer: «Staats- und demokratiepolitisch gesehen ist das Ständemehr beim bevorstehenden Referendum zum institutionellen Vertrag mit der EU (Rahmenabkommen 2.0) unerlässlich.» Sogar die als europhil bekannte Basler Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter gibt auf X unumwunden zu, dass sie das obligatorische Referendum mit Volks- und Ständemehr begrüsst.

Ebenso haltlos sind die anderen Kritikpunkte. Es lohnt sich, die Medienmitteilung zu lesen, die autonomiesuisse verschickt hat.

14. Februar 2024

Giorgio Behr: «Heute würde niemand von uns mehr für den EWR stimmen»

«1992 haben sehr viele Unternehmer, und auch ich, den EWR-Beitritt der Schweiz befürwortet», sagt Giorgio Behr, Unternehmer und Co-Präsident von autonomiesuisse, den «Schaffhauser Nachrichten» in einem Interview. Heute würde das niemand mehr tun. Denn die EU hat sich in den letzten 30 Jahren dramatisch verändert. Wäre die Schweiz EWR-Mitglied, müsste sie gigantische Zahlungen leisten und hätte kaum mehr Handlungsspielraum. Gerade diesen benötigt ein Land aber, um sich gute Rahmenbedingungen zu verschaffen.

Das Vertragspaket, das der Bundesrat mit der EU abschliessen will, braucht die Schweiz hingegen nicht – ist Behr überzeugt. Den Zugang zum EU-Binnenmarkt sichert das Freihandelsabkommen seit 1972 ab. Zudem findet das Wachstum nicht in der EU statt. «Die USA haben Deutschland schon längst als wichtigsten Handelspartner der Schweiz abgelöst. Wir sollten uns stärker auf Märkte ausserhalb von Europa ausrichten. Dazu zählen auch Indien oder Lateinamerika», erklärt Behr. Der hohe Wohlstand in der Schweiz hänge nicht von Verträgen mit der EU ab, sondern davon, dass die Schweiz innovativer als die EU-Staaten sei. Nicht zuletzt machen es Länder wie die USA, China und Indien vor. Sie treten im EU-Binnenmarkt höchst erfolgreich auf – ohne «freien» Zugang.

Mit der institutionellen Anbindung an die EU nähme die Paragrafendichte in der Schweiz zu. «Allein das deutsche Gesellschaftsrecht ist etwa zehnmal ausführlicher und komplizierter als das schweizerische», meint Behr. Das würde nur Bürokratie und hohe Kosten bringen.

Warum drängt economiesuisse dann auf einen Vertragsabschluss? Behr unterscheidet zwischen der unternehmerischen Sicht von autonomiesuisse und jener von Konzernchefs, die oft in der Schweiz nicht stimmberechtigt sind und die Firma regelmässig wechseln. «Wir Unternehmer denken in Generationen und darum nachhaltig», betont Behr. Dass economiesuisse wenig glaubwürdig agiert, zeigt sich für ihn auch an einem anderen Fall: Zunächst machte der Verband enorm Druck für die OECD-Steuerreform. Nun gehört der Verband zu den Ersten, die auf die Bremse getreten sind.

Behr fordert den Bundesrat auf, endlich Rückgrat zu beweisen. «Es geht nicht an, dass die Schweiz beispielsweise beim Landverkehr brav alle Verpflichtungen erfüllt, während Deutschland und Italien hinterherhinkten. Zudem sei die Kohäsionsmilliarde ausgegebenes Geld ‹ohne Gegenwert›. Dieser Schritt war naiv.»

12. Februar 2024

Ex-Oxford-Professor: «Schweizer Elite hat grosse Lücken bezüglich Staatskunde»

Föderalismus, halbdirekte Demokratie, Bürgerstaat und ein Bewusstsein für Wettbewerb: Das macht die Schweiz aus. Doch genau dieser gesellschaftliche Kitt bröckelt im Land – sagt der Ex-Oxford-Geschichtsprofessor Oliver Zimmer in einem Interview mit der «NZZ». Vorbei scheinen die Zeiten, als das Stimmvolk die «6 Wochen Ferien für alle»-Initiative (2012) abschmetterte, weil es die Mehrausgaben dahinter erkannte.

Das Grundproblem: Die Eliten haben vergessen, welchen Faktoren die Schweiz ihren Erfolg verdankt, wie der Research Director des Zürcher Forschungsinstituts Crema argumentiert: «Man sieht nicht mehr, dass unsere Flexibilität zu Rahmenbedingungen geführt hat, die oft besser sind als in der EU. In der Schweiz gibt es Steuerkonkurrenz, in der EU dominiert die Subventionskultur», sagt Zimmer. Umso mehr wundert er sich, dass aus der Wirtschaft nicht mehr Widerstand kommt. Hart ins Gericht geht er auch mit der politischen Elite, bei der er «grosse Lücken» bezüglich Staatskunde und Geschichte ausmacht. Zum Beispiel müsste das Parlament mit Blick auf das institutionelle Abkommen mit der EU jetzt «ernsthaft debattieren über die Grenzen seiner Macht und seine Verpflichtung gegenüber jenen, die es repräsentiert».

Was, wenn es der Politik gelingt, das EU-Abkommen unter Dach und Fach zu tricksen? Für Zimmer ist klar: «Es käme zu einem massiven Souveränitätsverlust und zu einer weiteren Erosion des Gesellschaftsvertrags.» Eine automatische Rechtsübernahme mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) sei nicht kompatibel mit den Schweizer Institutionen. Die Schweiz verlöre ihre Flexibilität. Und sie würde offenkundig einen EU-Beitritt ansteuern.

«Wenn die Schweiz anders abstimmen würde, als dies die EU will, würde Brüssel – sekundiert vom Schweizer Parlament – die Daumenschrauben anziehen.» Welche Lösungsansätze sieht Zimmer? Zum einen wäre es die Aufgabe der Politik, den Zugewanderten die Stärken des Schweizer Gemeinwesens zu erklären, statt diese selbst zu vernachlässigen. Zum andern hält er ein demokratisiertes Modell Singapur für eine Alternative zum EU-Zentrismus. «Wenn schon Weltoffenheit, dann bitte konsequent. Man holt sich die besten Leute weltweit, steuert die Zuwanderung selber, ohne Rücksicht auf den Pass der Bewerber.»

26. Januar 2024

Staatsrechtler Andreas Glaser: Parlament, Volk und Stände verlieren an Einfluss!

Beim geplanten EU-Abkommen handelt es sich um mehr als «Bilaterale III». «Es geht weit über das hinaus, was heute gilt. Mir scheint, dass man sich über die institutionelle Tragweite des Abkommens nicht überall im Klaren ist», sagt Andreas Glaser, Professor für Staats-, Verwaltungs- und Europarecht unter besonderer Berücksichtigung von Demokratiefragen an der Universität Zürich, der «NZZ». Die dynamische Rechtsübernahme sowie der Europäische Gerichtshof (EuGH) würden «das Verhältnis der Schweiz zur EU auf eine ganz andere Stufe heben». Konkret bliebe dem Parlament in vielen Fällen «keine andere Wahl, als Änderungen des EU-Rechts zu übernehmen und innerstaatlich umzusetzen». Genauso wie dies fürs Schengen-Abkommen gilt.

Insgesamt verlieren Parlament, Stimmvolk, Kantone und Bundesgericht laut Glaser an Bedeutung. Dabei kennt er das EU-Recht ebenso gut wie das Schweizer Recht: Als gebürtiger Deutscher hat er in Deutschland studiert und habilitiert. Wie Glaser argumentiert, setzt das Parlament schon heute Volksinitiativen – wie die Alpeninitiative und die Masseneinwanderungsinitiative – nicht um, wenn die Schweiz damit gegen die Bilateralen verstossen würde. «Das EU-Abkommen würde den Vorrang des bilateralen Rechts einfach noch auf weitere Bereiche ausdehnen», betont Glaser.

Bei gewissen Referenden könnte das Volk zwar Nein sagen. «Ein völlig freier Entscheid wäre aber kaum möglich, denn bei einem Nein würden Sanktionen drohen – welche, das wüsste man im Vorhinein nicht», erklärt Glaser. Was gewisse Streitfälle betrifft, ist sich der Demokratieexperte sicher, dass Juristen aus der EU die Praxis des Bundesgerichts als EU-rechtswidrig einstufen. Solche Fälle könnten rasch eskalieren. «Entscheidend wird sein, wo die Interessen der EU-Kommission liegen und ob sie einen Nutzen darin erkennt, sich wegen der Schweiz zu verausgaben», meint Glaser.

autonomiesuisse ergänzt: Statt dass unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft die erwünschte Rechtssicherheit im Verhältnis zur EU erhalten, unterwerfen sie sich mit dem Abkommen letztlich der politischen Willkür der EU-Kommission.

12. Januar 2024

Ex-EFTA-Gerichtshof-Präsident zerpflückt Rahmenabkommen 2.0

«Das Projekt Rahmenabkommen war von Anfang an auf Bullshit aufgebaut», schreibt Prof. Dr. iur. Dr. rer. pol. h.c. Carl Baudenbacher, ehemaliger Präsident des EFTA-Gerichtshofs, auf «insideparadeplatz.ch». Dabei versteht er «Bullshit» explizit so, wie es der US-Philosophieprofessor Harry G. Frankfurt definiert hat: als «Gerede, das ohne Rücksicht auf Wahrheit überzeugen will». Genau damit wollen Exponenten aus dem EDA, der Konferenz der Kantone, der Exportwirtschaft und den Universitäten ein Rahmenabkommen 2.0 mit der EU – möglichst am Stimmvolk vorbei – durchboxen.

Noch am 21. Januar 2022 versicherte Bundesrat Ignazio Cassis hoch und heilig, dass es kein Rahmenabkommen 2.0 geben werde. Doch die entscheidenden institutionellen Elemente – dynamische Rechtsübernahme, Überwachung und Streitbeilegung – sind im Entwurf für ein Verhandlungsmandat mit denen des versenkten Rahmenvertrags «praktisch identisch», wie Baudenbacher klarstellt. Und ob sich die Hoffnung erfüllt, zum Beispiel beim Lohnschutz oder der Unionsbürgerrichtlinie, eine Freistellung vom Auslegungsmonopol zu erreichen, «ist sehr fraglich». Für die Schweizer Bevölkerung bedeutet das: «ausser Spesen nix gewesen».

Auch mit Blick auf das Pro-forma-«Schiedsgericht» hat die Schweiz – entgegen offiziellen Beteuerungen – keine Verbesserungen erzielt. Dieses ist nur ein «Deckmantel». Denn es ist verpflichtet, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anzurufen, sobald EU-Recht «impliziert» wird, erklärt Baudenbacher. Die Kommission und der EuGH sind EU-Institutionen. «Nirgendwo sonst im internationalen Recht gibt es zwischen gleichberechtigten Partnern eine Situation, in der sich der eine de facto der Aufsicht und Rechtsprechung der Institutionen des anderen unterwirft.» Baudenbacher kritisiert zudem, was der Bundesrat verschweigt: Das Bundesgericht wäre vom Streitbeilegungsverfahren ausgeschlossen. «Kein oberstes Gericht der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums wird so schlecht behandelt», schreibt Baudenbacher.

Das Modell mit dem «Schiedsgericht» und dem EuGH hat die EU für die Ukraine, Moldawien, Georgien und Armenien ausgeheckt. Staaten, die am EU-Finanztropf hängen. Ganz anders die Schweiz: Sie müsste milliardenschwere Kohäsionszahlungen leisten. Braucht es bei einer Abstimmung über das Rahmenabkommen ein Ständemehr? Neuerdings kursiert die Auffassung, wonach das umstritten ist. Dabei ist gemäss Bundesverfassung völlig klar, dass dies der Fall wäre, wie Baudenbacher ausführt.

Wird das Rahmenabkommen 2.0 unterzeichnet, gibt die Schweiz einen Grossteil ihrer Souveränität unumkehrbar an die EU ab. Angesichts dieser Tragweite fordert autonomiesuisse Bundesbern, Politik, Institutionen und Interessenvertreter zum «Fair Play» auf. Als Bewegung aus dem Unternehmertum appelliert sie auch an ausländische Konzernchefs, sich mit der direkten Demokratie und dem Föderalismus der Schweiz auseinanderzusetzen. Zu oft geniessen wir die Früchte des Schweizer Erfolgsmodells, vergessen aber dessen Wurzeln.

08. Januar 2024

Kurskorrektur nötig: Diese Verbesserungen braucht das EU-Verhandlungsmandat

Wer die Unterlagen des Bundesrats zum Verhandlungsmandat mit der EU liest, erfährt ein Déjà-vu. Fast alle Elemente des verworfenen Rahmenabkommens finden sich darin wieder – auch die institutionellen Regeln: So soll die Schweiz automatisch EU-Recht übernehmen ohne faires Opting-out, das Weisungsrecht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) fürs Schiedsgericht akzeptieren und die Guillotine-Klausel für die Bilateralen I schlucken. Dabei strebt der Bundesrat diesbezüglich keine Verbesserungen in den Verhandlungen an. Sollte dies auch nach der Konsultation so bleiben, entspricht der erwartbare Vertragsabschluss einem Rahmenabkommen 2.0.

autonomiesuisse fordert den Bundesrat auf, jetzt die Trümpfe unseres Landes auszuspielen. Die EU exportiert wesentlich mehr in die Schweiz als umgekehrt, die Schweiz bietet über 1,5 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürgern eine Arbeitsstelle und bildet an den zwei besten Universitäten Kontinentaleuropas auch viele Studierende aus der EU aus. Das Verhandlungsmandat braucht noch mindestens folgende Kurskorrekturen:

• Die Personenfreizügigkeit beziehungsweise die Unionsbürgerrichtlinie ist von der dynamischen Rechtsübernahme auszunehmen.

• Das Schiedsgericht muss frei entscheiden können, ohne bindendes Weisungsrecht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

• Das Freihandelsabkommen ist explizit von den institutionellen Regeln auszuschliessen.

• Das neue Abkommen soll eine explizite und faire Kündigungsklausel enthalten.

Ausserdem ist das ausgehandelte Abkommen dem Staatsvertragsreferendum zu unterstellen. Wenn die EU die Schweiz insgeheim zur EU-Mitgliedschaft führen will, ist ihr Scheitern vorprogrammiert. Eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer will keine EU-Mitgliedschaft, auch keine schleichende. Der Bundesrat muss den Mut aufbringen, die Verhandlungen abzubrechen, wenn es ihm nicht gelingt, die EU in den entscheidenden Punkten zum Umdenken zu bewegen. Eine interessante Alternative bleibt dann eine umfassende Aktualisierung des EU-Freihandelsabkommens. Ein solches hat das Vereinigte Königreich inzwischen mit der EU abgeschlossen. Und eine neue Prognose des Centre for Economics and Business Research (CEBR) prognostiziert dem Vereinigten Königreich ein deutlich rascheres Wirtschaftswachstum als den grossen EU-Ländern.

Um den Bundesrat zu einer Kurskorrektur zu bewegen, hat autonomiesuisse ein Positionspapier verfasst und sich an die Schweizer Medien gewandt.

03. Januar 2024

Was ist uns die Freiheit wert?

Fürs neue Jahr tischt der Bundesrat alten Wein in neuen Schläuchen auf: Sein Entwurf für Verhandlungen mit der EU vom 15. Dezember 2023 entpuppt sich als ein «Rahmenabkommen 2.0». Statt dass der Bundesrat die Stärken der Schweiz ausspielt, kommt er der EU auf der ganzen Linie entgegen. So nimmt er hin, dass die Schweiz automatisch EU-Recht – ohne faires Opting-out – übernehmen muss, akzeptiert «fremde Richter» und schluckt eine «Guillotine». Verbesserungen strebt er nur beim Lohnschutz und der Spesenregelung aktiv an.

Paul Widmer, langjähriger Diplomat und Vertreter der Schweiz im Europarat, erklärt in der «NZZ am Sonntag», weshalb die Schweiz mit ihrer direkten Demokratie und dem Föderalismus «von ihrem Staatswesen her mit der Zielsetzung der EU schlicht nicht vereinbar» ist: «Sie ist von unten her aufgebaut, die EU von oben her konstruiert.» Zusätzlich beobachtet Widmer zwei negative Entwicklungen in der EU: eine deutliche Abkehr von einer liberalen Marktpolitik hin zu einem überregulierten Binnenmarkt und ein korrosiver Verlust an Demokratie in den Einzelstaaten.

An oberster Stelle steht in der Schweiz seit Generationen die politische Freiheit der Bürger, nicht die staatliche Macht. autonomiesuisse schliesst sich darum Paul Widmer an: Vielleicht müssen wir in Zukunft für unsere Freiheit wieder einen Preis entrichten. Die Vorteile des freiheitlichen Erfolgsmodells Schweiz überflügeln geringfügige Mehrbelastungen durch die EU bei Weitem. Wir dürfen die weltweit geschätzten Stärken der Schweiz nicht für Gesetze aus Brüssel opfern. Vielmehr gilt es, die Nadelstiche der EU mit kühlem Kopf geschickt zu parieren.

autonomiesuisse wird die Aussenpolitischen Kommissionen des National- und Ständerats auffordern, das Verhandlungsmandat des Bundesrats mit ihren Kernanliegen zu ergänzen. Ansonsten dürften die Verhandlungen rasch abgeschlossen sein. Denn die EU erhält mit der ambitionslosen Paketlösung genau ihr «Wunschpaket». Je nach Verhandlungsergebnis werden wir uns zudem für eine Volksabstimmung im nächsten Jahr vorbereiten.

15. Dezember 2023

EU-Paketlösung darf nicht zu teuer erkauft werden

Überraschend schnell hat der Bundesrat das Mandat für Verhandlungen mit der EU verabschiedet. Oberstes Ziel für ihn muss es jetzt sein, die Zukunft des Erfolgsmodells Schweiz zu sichern. Dass die Schweiz das innovativste und globalisierteste Land der Welt ist, verdankt sie unter anderem der direkten Demokratie, dem Föderalismus und freiheitlichen Rahmenbedingungen. Eine zu enge institutionelle Anbindung an die EU würde die Standortvorteile aushöhlen, was der Zugang zum EU-Binnenmarkt nicht kompensieren könnte. Generell hängt der Schweizer Exporterfolg weniger von Abkommen ab als vielmehr von unserer Wettbewerbsfähigkeit. Trotz der erzielten Fortschritte steht der «Elefant» bei den neuen Verhandlungen mit der EU noch immer im Raum. Mit einer dynamischen Rechtsübernahme würde sich die Schweiz verpflichten, die Gesetze aus Brüssel unreflektiert zu übernehmen. Um das Erfolgsmodell Schweiz nicht zu sabotieren, sind folgende Punkte zentral:

1. Weichen Schweizer Parlaments- und Volksentscheide von Vorgaben aus Brüssel ab, muss ein faires «Opting-out» möglich sein. Vertragskündigungen oder gar eine «Guillotine» sind nicht akzeptabel.

2. Für Meinungsverschiedenheiten über die Verträge braucht es ein unabhängiges Schiedsgericht. Der Europäische Gerichtshof EuGH darf kein verbindliches Weisungsrecht haben.

3. Schweizer Behörden dürfen nicht der Aufsicht der EU-Kommission unterstellt werden.

4. Als Einwanderungsland muss die Schweiz die Personenfreizügigkeit bei hoher Zuwanderung regulieren können, vorzugsweise mit marktwirtschaftlichen Massnahmen.

Verhandlungen auf Augenhöhe bedeuten aber auch, dass man den Tisch verlassen darf. Genau diesen Mut muss der Bundesrat aufbringen, wenn es ihm nicht gelingt, die EU in den entscheidenden Punkten zum Umdenken zu bewegen. Interessant bleibt für diesen Fall eine Aktualisierung des Freihandelsabkommens mit der EU. Auch das Vereinigte Königreich konnte eine solche Lösung mit der EU durchsetzen.

autonomiesuisse hat zu den Plänen des Bundesrats eine Medienmitteilung verfasst und wird prononciert Stellung nehmen zum Verhandlungsmandat.

09. November 2023

Die Schweiz braucht klare Ziele für Verhandlungen

Anderthalb Jahre lang haben die Schweiz und die EU sondiert, wie es nach dem gescheiterten Rahmenabkommen weitergehen soll. Jetzt hat der Bundesrat entschieden, dass er ein EU-Verhandlungsmandat erarbeiten will. autonomiesuisse begrüsst dies – und insbesondere die Fortschritte aus den Sondierungsgesprächen. Sie zeigen, wie wichtig die Arbeit von autonomiesuisse ist. Wenn der Bundesrat schon mit der EU verhandeln möchte, muss er dafür allerdings zuerst klare Ziele definieren, ein professionelles Verhandlungsteam formieren – und gegenüber den Ergebnissen der Sondierungen nochmals deutliche Verbesserungen erreichen. Die oberste Priorität darf nicht eine Einigung mit der EU sein, sondern die Sicherstellung guter Rahmenbedingungen für die Schweiz. Eine Angleichung auf EU-Niveau würde den Werkplatz Schweiz und damit Arbeitsplätze gefährden.

autonomiesuisse unterstützt die Anstrengungen des Bundesrats, solange die Schweiz wirtschafts- und gesellschaftspolitisch langfristig frei und weltoffen bleiben kann. Der Bundesrat muss im neuen Verhandlungsmandat klare Verhandlungsziele sowie die Organisation der Verhandlungen festlegen. autonomiesuisse erwartet, dass so in zentralen Fragen nochmals deutliche Verbesserungen erreicht werden können. Priorität haben etwa die Sicherung der Volksrechte, ein faires Schiedsgericht (Rolle des Europäischen Gerichtshofs) und eine Ventilklausel bei der EU-Personenfreizügigkeit.

Die ausführliche Stellungnahme von autonomiesuisse finden Sie in der Medienmitteilung im Download-Link.

04. Oktober 2023

EU-Parlamentarier wünschen Einigung mit der Schweiz

Nach zweieinhalb Jahren hat der EU-Parlamentarier Lukas Mandl seinen Schweiz-Bericht vorgelegt, der nach dem Prinzip «Zuckerbrot und Peitsche» verfasst ist – wobei Letztere überwiegt. Dessen ungeachtet ergriffen einige Parlamentarier Parole für die Schweiz. Das Land liege im Zentrum Europas und teile die Grundwerte der EU, argumentierten sie gemäss «NZZ». Sie äusserten den Wunsch, dass die Schweiz unabhängig vom Ausgang der laufenden Sondierungsgespräche wieder als voll assoziiertes Mitglied in die EU-Programme «Horizon» und «Erasmus» aufzunehmen sei. Denn dies gereiche beiden Parteien zum Vorteil.

autonomiesuisse ordnet das so ein: Die Voten zeigen, dass die Dauer-Sticheleien der EU-Kommission gegen die Schweiz nicht die Stimmung in den Mitgliederländern spiegeln. Zunehmend merken EU-Parlamentarier, dass es zuallererst der EU schadet, wenn sie den Innovationsweltmeister Schweiz aus der Forschung verbannen. Auch bei der Weigerung der EU, das Abkommen über die Medizinprodukte-Verordnung (MRA) mit der Schweiz zu erneuern, schneidet sie sich ins eigene Fleisch.

Umso wichtiger ist es für die Schweiz, sich nicht durch die EU-Zwängerei irritieren zu lassen. Bei den geplanten Verhandlungen darf sie bei Themen, die fürs Schweizer Volk und seinen Wohlstand zentral sind, nicht nachgeben. Zum Beispiel gilt es, auf ein faires Opting-out bei Volksentscheiden, ein unabhängiges Schiedsgericht zur Streitschlichtung, den Weiterbestand des aktuellen Freihandelsabkommens sowie die Sicherung des Lohnschutzes zu pochen.

10. September 2023

Deutsche Medtech-Verbände fordern Abkommen mit der Schweiz

Labortests, Herzkatheter und andere Medtech-Produkte sind Mangelwaren in Deutschland. Darum schlagen jetzt zwei deutsche Medtech-Branchenverbände Alarm, wie «Cash» berichtet. Schuld an der Misere sind demnach die neuen EU-Verordnungen. In einem Positionspapier wünschen sich die Verbände unter anderem, dass das Abkommen über die Medizinprodukte-Verordnung (MRA) mit der Schweiz aktualisiert wird. Dieses EU-Regelwerk sowie die Verordnung zur In-vitro-Diagnostik (IVDR) verlangen für Medtech-Produkte und Labortests eine spezielle EU-Zertifizierung, bevor sie den Zugang zum EU-Markt erhalten. Das gilt nicht nur für neue Produkte, sondern selbst für «alte». Doch was die EU als Schikane gegen Schweizer Unternehmen geplant hatte, erweist sich als Bumerang für die EU-Unternehmen, die ohnehin zusehends an der Wirtschaftsflaute leiden. Schon vor einem Jahr hatten sich der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) und sein französisches Pendant SNITEM über Missstände beklagt. Jetzt unterstützen beispielsweise die EU-Abgeordnete Angelika Niebler und der EU-Parlamentarier Peter Liese den BVMed sowie den Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH). Diese kritisieren gemeinsam, die EU-Verordnungen seien «handwerklich schlecht gemacht, zu kompliziert und bürokratisch». Zudem verweisen sie darauf, dass viele Unternehmen mittlerweile die Zulassung ihrer Produkte in den USA priorisieren gegenüber jener in der EU. Die Verbände sorgen sich daher um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Medtech-Branche. Auch die Schweizer Medtech- und In-vitro-Diagnostik-Unternehmen sind von den Engpässen bei den EU-Zertifizierungsstellen betroffen. Weil sie schon länger drangsaliert wurden, haben sie jedoch früher gehandelt – und halten ihre Zertifikate meist schon in der Hand.

02. September 2023

EU-Parlament gibt der Schweiz den Tarif durch

Und die EU bewegt sich doch nicht. Sie ist nicht bereit, von den «institutionellen» Regeln aus dem einst ausgehandelten Rahmenabkommen mit der Schweiz abzuweichen. So klar formuliert es der zuständige österreichische Europaabgeordnete Lukas Mandl, Mitglied der Europäischen Volkspartei, gegenüber «SRF»: Wenn die Schweiz anstelle des Rahmenabkommens ein Paket mit verschiedenen Abkommen wünscht, dann sollen am Schluss doch in jedem Abkommen die gleichen institutionellen Regeln gelten. Dabei läuft ohne den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gar nichts. Dessen Anerkennung bleibt eine Voraussetzung für alles Weitere. Das sei «durch die Geschichte» gerechtfertigt: «Das muss im Einklang stehen damit, dass man selbstverständlich auch den Europäischen Gerichtshof, der den Binnenmarkt überhaupt erst möglich macht, anerkennt», diktiert Mandl. Abgesehen davon will die EU das Verhandlungsmandat nach fünf Jahren verfallen lassen, wenn die Schweiz nicht spurt. autonomiesuisse fragt sich: Wenn EU-Vertreter so sprechen, die laut «SRF» der Schweiz «wohlgesonnen» sind, welche Forderungen stellen dann solche mit weniger Feingefühl auf? Der Exrichter am Efta-Gerichtshof in Luxemburg, Prof. Dr. iur. et Dr. rer. pol. h. c. Carl Baudenbacher, kommentiert dies auf LinkedIn so: «Ob ein EU-Politiker der Schweiz wohlgesonnen oder gar ein Schweiz-Freund ist, hängt nicht von irgendwelchen Bekenntnissen ab, sondern von Taten. Und wenn man dann schon vollmundig davon spricht, die Unterstellung eines Nicht-EU-Staates unter die Gerichtsbarkeit des EuGH sei durch die Geschichte gerechtfertigt, so sollte man sich erst einmal mit der Geschichte der ungleichen Verträge befassen. Deren Hauptmerkmal sind nämlich extraterritoriale Gerichte. Im Fall von China ist das nicht gut ausgegangen.» England und Frankreich machten China faktisch zu einer Art Kolonie, um ihre Handelsbilanzen aufzubessern. Bis heute wirkt diese Demütigung nach.

27. August 2023

Selbstermächtigung der EU – eine unterschätzte Gefahr!

In seinem neuen Buch «Wenn alles reisst – hält die Schweiz?» vergleicht der Ökonom und Autor Dr. Beat Kappeler die Schweiz mit einem Uhrwerk. Dieses tickte zwar jahrzehntelang punktgenau, braucht jetzt aber eine Justierung. Zum Beispiel kritisiert Kappeler, dass die Verwaltung mit Verordnungen überbordet, gegen die es kein Referendum gibt. Diese Bürokratie zwingt jedes Unternehmen zur Aufblähung der Administration. Gegenüber der EU sieht der Ex-Sekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes die Schweiz dennoch besser positioniert. Der Grund: Die Macht ist besser und föderaler verteilt zwischen Parlament, Regierung und Volk. Dabei räumt Kappeler mit dem Mythos auf, wonach die Schweiz ein Volk ungehobelter Bauern war. Er zeigt, dass die Urkantone schon vor dem Rütlischwur in Lieferketten des Kontinents eingebunden und auf den «internationalen» Markt ausgerichtet waren. Umso mehr appelliert er an die Politik, den Forderungen der EU selbstbewusster zu begegnen. Wir würden die Dynamik der Selbstermächtigung der EU-Behörden unterschätzen. So hätten sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) und die Kommissionen ab 1963 zusehends Kompetenzen zugeschanzt, die über den nationalen Regeln stehen – und nie von den Mitgliedstaaten beschlossen wurden.

Solche Selbstermächtigungen nenne man nach dem Systemtheoretiker Niklas Luhmann «Autopoiesis». Und sie führen zu einer immer ausgebauteren Zentralisierung der EU. «Legal, vertraglich, demokratisch legitimiert jedoch sind sie nicht», bemängelt Kappeler. Diesen Demokratiemangel deckt auch Prof. Dr. iur. et Dr. rer. pol. h. c. Carl Baudenbacher im Buch «Das Schweizer EU-Komplott» (2019) auf. So schildert er darin etwa, wie die Tschechische Republik, Dänemark, Irland, Polen, Portugal und das Vereinigte Königreich die geplanten Volksabstimmungen zum europäischen Verfassungsvertrag kurzerhand abbliesen – nach den negativen Ergebnissen in den Nieder-landen und Frankreich. Warum verhält sich die Schweiz, eine der ältesten Demokratien der Welt, trotz solcher Fakten so unterwürfig gegenüber der EU? Für Baudenbacher ist klar: Eine Politiker-und-Beamten-Clique liebäugelt klammheimlich damit, die Schweiz in die EU zu führen.

17. August 2023

Mehr Weltoffenheit statt EU-Provinzialismus!

Seit 1992 hat die Schweiz ihre eigene, simple Definition von «weltoffen». Als weltoffen gelten nur EU-Troubadours, die jedes Regulativ aus «Europa», sprich der EU, dienstfertig übernehmen wollen. Diese Engstirnigkeit kritisiert Oliver Zimmer, ehemaliger Geschichtsprofessor der University of Oxford und heute Forscher am Center for Research in Economics, Management and the Arts (Crema), in der «NZZ». Besonders verheerend ist für ihn, dass der «weltoffene Provinzialismus» nicht nur ein wohlfeiler Diskurs ist, sondern die Praxis auf dem Schweizer Arbeitsmarkt prägt.

«So ist es ein offenes Geheimnis, dass zahlreiche Schweizer Firmen – mit der aktiven Unterstützung unserer Behörden – faktisch eine positive Diskriminierung zugunsten von EU-Bürgern betreiben. Die Vermutung liegt nahe, dass talentierte Kandidaten, die keinen EU-Pass besitzen, von vielen HR-Abteilungen sogleich aussortiert werden (…)», schreibt Zimmer und fragt sich: «Warum fällt es unserem Establishment in Politik und Wirtschaft derart leicht, ein solches System als eines zu propagieren, von dem die Schweiz insbesondere wirtschaftlich profitiert?» Zumal die wirtschaftlichen Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht für die EU sprechen: Vor fünfzehn Jahren war das BIP der Eurozone nur marginal kleiner als jenes der USA; heute beträgt das BIP der USA 25 Billionen, dasjenige der EU 15 Billionen.

Hätte also ein weltoffenes Land in der Mitte Europas nicht grosse Chancen? «Die Schweiz hätte es in der Hand, neben ihrer Migrations- auch ihre Arbeitsmarktpolitik selbst zu steuern», ist Zimmer überzeugt. Sie könnte dann die besten Leute unabhängig vom Pass engagieren, statt nach der Pfeife des EU-Regimes zu tanzen. Eine ähnliche Immigrationspolitik verfolgen Kanada und Australien bereits. In der Schweiz könnte der Bund die Basisspielregeln definieren. Die entscheidende Rolle müsste aber den Arbeitgebern im Verbund mit den Kantonen zukommen. Auch ein Blick in die Schweizer Geschichte ist inspirierend: Um 1870 produzierte die liberale und demokratische Schweiz drei Viertel aller weltweit exportierten Uhren. Zimmer resümiert: «Hätte die Schweiz schon nach der Devise ‹Nur nicht ausscheren!› gehandelt, hätte sie ihre Existenzgrundlage verloren.»

03. Juli 2023

Recherche: Kein Forscher verlässt Schweiz wegen Horizon-Aus

Panikartig haben die CH Medien und die «NZZ» vor einem Jahr getitelt: «Die Schweiz wird abgehängt» und «Der Wissenschaftsstandort Schweiz erodiert zusehends». Angeblich sollte der Ausschluss der Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon Europe zum wissenschaftlichen «Grounding» führen. Der «Nebelspalter»-Bildungsexperte Daniel Wahl hat genauer hingeschaut. Fakt ist: Die Schweiz ist «nur zu einem Bruchteil» von Horizon Europe ausgeschlossen. Unsere Forschenden können bezogen aufs Budget zu 66 Prozent an den Ausschreibungen partizipieren. Zudem kann das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation die Forschungsprogramme, welche die EU nicht mehr mitfinanzieren will, auch direkt finanzieren – statt die Gelder zuerst nach Brüssel zu leiten.

 Aber was ist mit den Exzellenz-Stipendien des Europäischen Forschungsrats, die Schweizer Forschenden vergönnt bleiben? Die Medien bangten um 28 Spitzenforschende, die davon profitieren sollten. Umso mehr als die EU diese Hoffnungsträger explizit abwerben wollte. Der «Nebelspalter» ist allen diesen Persönlichkeiten nachgegangen:

– 24 Forschende arbeiten noch immer in der Schweiz.

– 2 Forschende arbeiten an Spitzenuniversitäten in den USA, die nicht mit Horizon Europe assoziiert sind.

– 2 Forschende sind tatsächlich in die EU abgewandert – allerdings nicht wegen Horizon Europe. Taro Kitazawa wechselte von Genf nach Dänemark, weil die dortige Universität über mehr Gelder für sein Spezialgebiet verfügt. Die Primo-Levi-Forscherin Martina Mengoni kehrte in ihr Heimatland Italien zurück – an ein Institut, das sich ausschliesslich Primo Levi widmet: das Centro Internazionale di Studi Primo Levi in Turin.

21. Juni 2023

Drei Punkte, bei denen die Schweiz nicht nachgeben darf

Heute hat der Bundesrat seine Eckwerte für Verhandlungen mit der EU diskutiert. Brüssel und Bern sollen sich bei der Personenfreizügigkeit (Zuwanderung und Lohnschutz) entgegengekommen sein. autonomiesuisse appelliert an den Bundesrat, die erreichten Klärungen offenzulegen. Seine Priorität sollte nicht eine Einigung mit der EU sein, sondern die Zukunft des Schweizer Erfolgsmodells sicherzustellen. Hierzu müssen die direkte Demokratie und der Föderalismus unangetastet bleiben. Damit die Schweiz ihre Standortvorteile halten kann, fordert autonomiesuisse den Bundesrat in einer Medienmitteilung auf, der EU drei Punkte klar zu kommunizieren:

1. Fairness bei Streitschlichtung
Bei Meinungsverschiedenheiten braucht es ein unabhängiges Schiedsgericht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist das Gericht der Gegenpartei. Weder der EuGH noch das Bundesgericht dürfen dem Schiedsgericht verbindliche Weisungen vorgeben.

2. Opting-out ohne Guillotine
Wenn die Schweiz automatisch EU-Recht übernehmen soll, muss sie bei anderslautenden Parlaments- und Volksentscheiden davon abweichen können, ohne dass die EU deswegen Verträge kündigt. «Guillotinen» sind generell abzulehnen. Eine solche Druckauferlegung ist einer Beziehung auf Augenhöhe nicht würdig. Denkbar sind materielle Ausgleichsmassnahmen, wie sie im WTO-Recht üblich sind. Ausnahmen von EU-Vorgaben, wie sie diverse EU-Staaten für sich beanspruchen, müssen zudem auch für die Schweiz möglich sein.

3. Freihandelsabkommen als Rückfallebene
Die Schweiz muss am Freihandelsabkommen von 1972 festhalten, ohne es mit neuen institutionellen Regelungen zu verknüpfen, wie dies die EU wünscht. Das Freihandelsabkommen gehört nicht in die Paketlösung. Die Schweiz hat eine starke Verhandlungsposition und braucht keine Einigung um jeden Preis.

10. Juni 2023

Bekommt Pharmabranche kalte Füsse?

Der Bundesrat will sich noch im Juni mit den Eckwerten für Verhandlungen mit Brüssel befassen. Doch sogar seine treusten Verbündeten gehen auf Distanz. Jahrelang drängte der Branchenverband Interpharma den Bundesrat, die bilateralen Verträge zu erneuern. Jetzt, wo das Gremium den Rufen Folge leistet, bekommt die bisher EU-freundliche Pharmabranche plötzlich kalte Füsse. Wieso? Ganz einfach: Auch das Gesundheitsabkommen soll in die Paketlösung des Bundesrats. Und dies könnte langfristig die Spielregeln der Pharmabranche beeinträchtigen. Der Bundesrat eröffne neue Baustellen, diktierte der Interpharma-CEO René Buholzer der «Aargauer Zeitung»: «Ein Binnenmarktabkommen ist in aller Regel der dynamischen Rechtsentwicklung der EU unterstellt. Oft gibt es Abgrenzungsprobleme, wie weit es gilt. Wir können also nicht sagen, wohin die Reise geht.» Selbst wenn die Schweiz jetzt bloss einzelne Bereiche in dieses Abkommen einschliesse, öffne man der EU längerfristig die Türe für weitere Schritte. Der Schweizer Gesundheitsbereich sei bis jetzt klar abgegrenzt von der EU. «Ich sehe weder in der Wirtschaft, bei den Kantonen mit ihren Spitälern noch der Bevölkerung, dass dies jemand grundsätzlich ändern möchte», sagt Buholzer. autonomiesuisse hält das Motto «wir wissen zwar nicht, was wir wollen, dafür verhandeln wir umso schneller» für keine tragfähige Strategie, um die Zukunft der Schweiz zu gestalten. Zu Recht fragt die «Aargauer Zeitung»: «Entpuppt sich der Paket-Ansatz am Ende als Paketbombe?»

16. Mai 2023

Zu hoher Preis: Jetzt sollte die Wirtschaft aufwachen

Der Abgang von Staatssekretärin Livia Leu als Chefunterhändlerin der Schweiz mit der EU sollte ein Weckruf sein für alle, die sich Verhandlungen auf Augenhöhe wünschen. Mit Leu fällt «der Stachel im Fleisch» im Aussendepartement weg. Während Bundesrat Ignazio Cassis bei den Sondierungsgesprächen mit der EU reflexartig aufs Prinzip Hoffnung setzte, stellte Staatssekretärin Livia Leu stets nüchtern fest, dass die Schweiz bei den relevanten Fragen keine Fortschritte erziele. Diese unbequeme Haltung scheint nicht länger geduldet zu werden, weswegen Leu das Handtuch warf. Im Gegensatz zur Versenkung des Rahmenabkommens anno 2020 hat auch bei den Gewerkschaften ein Meinungsumschwung stattgefunden, wie der «Nebelspalter» berichtet.

Die Gewerkschaften verlangen für ihr Nachgeben allerdings weitreichende Zugeständnisse von den Arbeitgebern. Faktisch würde die freiwillige Sozialpartnerschaft mit einer Pflicht zu Gesamtarbeitsverträgen (GAV) und Zwangsmitgliedschaft bei den Gewerkschaften ersetzt. Die Gewerkschaften könnten ihr Problem der schwindenden Mitglieder durch Zwangszahlungen wettmachen. Dies bedeutete das Ende des flexiblen und liberalen Arbeitsmarkts, der die Schweiz international wettbewerbsfähig hält. Die Leidtragenden wären aber nicht in erster Linie die global orientierten Unternehmen, sondern die Schweizer KMU und die Wohnbevölkerung. Denn es könnte ein Wegfall von Arbeits- und Ausbildungsplätzen und ein Wohlstandsverlust drohen.

autonomiesuisse appelliert an die Entscheidungstragenden in Politik, Gesellschaft und vor allem der Wirtschaft aufzuwachen. Die Schweizer Wirtschaft schneidet sich ins eigene Fleisch, wenn sie einem «raschen Vertragsabschluss» das Wort redet. Für einen kurzfristig möglicherweise leicht einfacheren EU-Marktzugang würde sie ihre wichtigsten Trümpfe im globalen Wettbewerb aus der Hand geben. Weil dieser Preis zu hoch ist, hat autonomiesuisse eine Medienmitteilung herausgegeben.

21. April 2023

Ex-Economiesuisse-Chefökonom: Beerdigen Kantone den Föderalismus?

Die Konferenz der Kantonsregierungen gibt dem Bundesrat grünes Licht für Verhandlungen mit der EU – nach altem Muster des gescheiterten institutionellen Rahmenabkommens (InstA). Unter anderem winkt die Konferenz die dynamische Übernahme von EU-Recht durch und akzeptiert die Streitbeilegung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dabei fehlt der erst 1993 gegründeten Konferenz der Kantonsregierungen die demokratische Legitimation, sich zu Europafragen zu äussern, wie Dr. Rudolf Walser, Ex-Chefökonom von Economiesuisse und Ex-Avenir-Suisse-Experte, in der «Weltwoche» aufzeigt. Wenn das Gremium nun den Bundesrat blindlings bei der europäischen Integration unterstützt, sägt es den Ast ab, auf dem es sitzt. Der Grund: Durch die «Integrationslogik würde gleichsam eine vierte Regulierungsebene zum dreistufigen schweizerischen politischen System aus Bund, Kantonen und Gemeinden hinzukommen. Die politökonomische Forschung zeigt, dass bei einem derart überladenen Institutionengefüge gerade die Kantone die Verlierer wären», argumentiert Walser. Im Sinn der Bundesverfassung sei der Föderalismus ein «System der Nichtzentralisierung». Die Entwicklung laufe jedoch hin zur Zentralisierung der Gesetzgebung, was sich im ungebremsten Wachstum der staatlichen Budgets und Verwaltungen zeige. Walser appelliert an die Konferenz der Kantone, ihre Rolle als «selbsternannte Hüterin des Föderalismus» zu erfüllen und eine vorurteilslose Auslegeordnung aller möglichen Optionen zur Gestaltung der künftigen Beziehungen mit der EU vorzunehmen. So lässt sich etwa auch mit einem umfassenden Freihandelsabkommen nach dem Modell EU-Kanada für beide Partner Wohlstand schaffen – nach dem Motto: «Freihandel statt Rahmenvertrag, Marktzugang statt Marktintegration».

27. März 2023

Europabefragung 2023: Zuwanderung und der Druck auf Löhne und Mieten machen Sorgen

autonomiesuisse interpretiert die neuste Europabefragung von gfs.bern etwas anders als die Auftraggeberin Interpharma, der Verband der forschenden pharmazeutischen Unternehmen in der Schweiz. Interpharma nimmt die Studie zum Anlass, den Bundesrat zu überstürzten Verhandlungen mit der EU zu drängen, weil die Bevölkerung «kompromissbereit» sei. Dabei zeichnet sich die Europabefragung über Jahre hinweg durch stabile Ergebnisse aus: Die Extrempositionen sind bei der Schweizer Bevölkerung chancenlos. Nur eine Minderheit wäre für einen EU-Beitritt zu gewinnen. Ähnlich beharrt lediglich eine Minderheit auf einem kompletten Alleingang der Schweiz. Die Mehrheit hält die bilateralen Verträge insgesamt für vorteilhaft, wobei auffällt, dass diese Sicht in der Romandie an Terrain verloren hat – und im Tessin nur noch eine Minderheitenmeinung darstellt. In der Detailanalyse zeigen sich teilweise Widersprüche, was auch an den Fragestellungen liegen mag. Es fällt aber auf, dass die Zustimmung zu den meisten Pro-Bilaterale-Argumenten schwindet. Besonders verschlechtert hat sich die Sicht auf die EU in Bereichen, bei denen eine Feuerprobe ansteht. So galt beispielsweise die EU bis vor Kriegsausbruch in der Ukraine noch bei 77 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer als Friedensstifterin. Dieser Anteil ist auf 55 Prozent eingebrochen. Dramatisch geschrumpft ist das Vertrauen in das Schengen-System: Nicht einmal mehr ein Drittel glaubt, dass die Schweiz aufgrund der Bilateralen von «Asylwanderungen» verschont bleibt. Eine Mehrheit befürchtet einen zunehmenden Druck auf die einheimischen Löhne (58 Prozent) sowie auf die Miet- und Immobilienpreise (56 Prozent) durch die Zuwanderungen. Das stellen Rekordwerte dar, die von der Politik ernst zu nehmen sind. Weitere Handlungsfelder lassen sich aus der Umfrage nicht ableiten. Um dies klarzustellen, hat autonomiesuisse eine Mitteilung an die Medien verschickt.

27. März 2023

Hans-Jörg Bertschi: «Rahmenabkommen 2.0 wäre Zwangsjacke für die Schweiz»

«Sehr viele Konzerne denken heute leider relativ kurzfristig. Im Gegensatz dazu denken Familienunternehmen langfristig, in Generationen», sagt Dr. Hans-Jörg Bertschi, Verwaltungsratspräsident der globalen Bertschi Group und Co-Präsident von autonomiesuisse in einem Interview mit der «AargauerZeitung». Es sei kontraproduktiv, wenn Verbände einen schnellen Verhandlungsabschluss mit der EU um jeden Preis forderten. Denn die Schweiz verfüge gegenüber der EU über erhebliche Standortvorteile. «Diese Vorteile würden wir auf Dauer verlieren, wenn wir immer mehr bürokratische Regelungen der EU übernehmen müssten, der Aufsicht der EU-Kommission unterstellt würden und bei Meinungsverschiedenheiten der Europäische Gerichtshof schlichten würde», meint Bertschi: «Es darf nicht zu einem Rahmenabkommen 2.0 kommen, das die Schweiz in eine Zwangsjacke steckt.» Seit den Bilateralen habe der Export der Bertschi Group nach Deutschland zwar um 60 Prozent zugenommen, in die USA aber um 150 Prozent. Dabei bestehe mit den USA nicht einmal ein Freihandelsabkommen. «Die Freihandelsabkommen mit der EU sind wichtig. Aber noch sehr viel wichtiger ist unsere Innovationskraft», betont Bertschi.

Sorgen bereitet dem Unternehmer hingegen die Energiemangellage. Dieser Winter sei dank mildem Klima und vollen Gasspeichern glimpflich verlaufen. Diese Voraussetzung falle künftig weg. «Wenn wir für die Strommangellage keine Lösung finden, wird das den Wirtschaftsstandort Schweiz massiv beeinträchtigen», mahnt Bertschi. Selbst bei einer zyklischen Abschaltung von drei bis vier Stunden pro Tag bräuchten die Netze mehrere Tage, bis sie wieder funktionierten. «Da verabschiedet sich die Schweiz wohl mehrere Wochen von der Welt. Das ist bei einem globalen Geschäft unvorstellbar», sagt Bertschi. Kein Asiate, kein Amerikaner habe dafür Verständnis. Deshalb müsse die Politik solche Abschaltungen verhindern. Sie könne sich nicht auf Importstrom verlassen: «Bis 2030 werden wir wohl doppelt so viel wie heute importieren müssen. Aus Frankreich ist es heute hauptsächlich Atomstrom, aus Deutschland stammen aktuell 40 bis 50 Prozent Strom aus Kohle und Gas. Sind Kohle und Gas nachhaltig? (…) Die Schweiz täte gut daran, das Technologieverbot für moderne AKWs aufzuheben.»

21. März 2023

Bruno S. Frey: «Politiker zu unterwürfig gegenüber EU»

Verarmt die Schweiz? Der einflussreiche Ökonom Prof. Dr. Bruno S. Frey gibt sich gegenüber dem «Tages-Anzeiger» optimistisch. Es seien nicht nur die grossen Player, die für den Wohlstand sorgten, sondern auch viele KMU und Start-ups. Zudem halte er die politischen Verhältnisse in der Schweiz nach wie vor für stabil. Das Schweizer System stände mit Referenden, Initiativen und Wahlsonntagen viel besser da als das deutsche Berufsparlament, das sich vom Volk entfernt habe. Frey empfiehlt der Schweiz, selbstbewusster aufzutreten: «Viele Politiker und Staatsangestellte sind zurückhaltend, fast unterwürfig gegenüber der EU. Zuerst einmal könnten sie ja sagen: Wir haben viel mehr Ausländer als ihr, das beste demokratische System, ein hohes Pro-Kopf-Einkommen, eine vergleichsweise faire Einkommensverteilung – und glücklicher sind wir auch noch.» Zudem weist Frey darauf hin, dass kleine Länder wie die Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein, Monaco in der Topliga spielen. «Es sind die grossen, zentralistischen Länder, die Probleme mit den grossen Unterschieden haben», erklärt Frey, den die Tendenz zu mehr Zentralismus betrübt.

04. März 2023

Internationale Studie: Souveränität und Marktzugang statt EU-Unterstellung

Gibt es für die Schweiz nur Wohlstand, wenn sie ihre Souveränität an die EU abgibt? Die Schweizer Europapolitik handelt so, als sei das Mantra «Wohlstand gegen Souveränität» ein Naturgesetz. Schweizer Europapolitiker betonen unisono mit Brüsseler Institutionen, dass sich die Schweiz die politische Souveränität nicht leisten könne. Eine neue Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) aus Kiel, des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) der Universität Luzern und es Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) hinterfragt diese vermeintliche Logik – und entlarvt sie als Aberglauben. Denn die Schweizer Bürgerinnen und Bürger können ihre eigenen Spielregeln behalten, aber sich für Märkte öffnen. «Marktzugang statt Marktintegration» heisse das Zauberwort, schreibt der Mitverfasser der Studie, IWP-Direktor Prof. Dr. Christoph A. Schaltegger in seinem IWP-Impuls zur Schweizer Europapolitik. Alles, was es dazu brauchen würde, wäre eine Modernisierung des Freihandelsabkommens von 1972 – eine Option, auf die auch autonomiesuisse immer wieder verwiesen hat.

In Zahlen kommt die Studie «Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU: Quantitative Bewertung unterschiedlicher Szenarien der zukünftigen Zusammenarbeit» zu folgendem Schluss: Bei einer Modernisierung des Freihandelsabkommens von 1972 nach dem Vorbild des kanadisch-europäischen CETA-Abkommens legt die Schweizer Wertschöpfung um 1,5 Prozent zu, während sich die Realeinkommen um 2,4 Prozent erhöhen. Demgegenüber schrumpften Wertschöpfung und Realeinkommen bei einer totalen Desintegration in ähnlichem Mass. Integriert sich die Schweiz ganz in der EU, resultierten theoretisch die grössten Handelsgewinne, aber zulasten eines unquantifizierbaren Souveränitätsverlusts. Unter dem Strich dürften die wirtschaftlichen Nachteile längerfristig überwiegen. Die Studie zeigt klar: Ein Freihandelsabkommen wäre eine einfache Alternative zu der verfahrenen Position beim Rahmenabkommen respektive der Paketlösung. Es generiert Wohlstand, ohne dass die Schweiz ihre Selbstbestimmung an die EU abgeben muss. Mit dem kanadisch-europäischen CETA-Abkommen würde sogar bereits eine «Blaupause» zur Verfügung stehen, argumentiert Schaltegger in seinem Impuls.

01. März 2023

Schweiz ist «freistes Land der Welt»

Seit rund 20 Jahren versucht das kanadische Fraser Institute, den Puls der Freiheit zu messen. Und siehe da: In der jüngsten Ausgabe des Human Freedom Index rangiert die Schweiz auf Platz eins – vor Neuseeland und Estland. Hierzu hat das Fraser Institute Daten aus 165 Ländern ausgewertet, die sich allerdings auf das Jahr 2020 beziehen. Die Schweiz schneidet sowohl bei den wirtschaftlichen (Platz 3) wie bei den persönlichen Freiheiten (Platz 2) gut ab. Im Gegensatz dazu schwingt etwa Schweden bei der persönlichen Freiheit obenaus, fällt aber wirtschaftlich zurück. Bei Hongkong und Singapur verhält es sich gerade umgekehrt. Sinngemäss hält das Fraser Institute fest: Menschen in freien Ländern geniessen nicht nur mehr Entfaltungsspielraum, sondern auch mehr Wohlstand. Insgesamt ist die Freiheit weltweit gesunken. Der Thinktank spricht von einer «Rezession der Meinungsfreiheit». autonomiesuisse setzt sich dafür ein, dass die Schweiz weiterhin einen Hort der Freiheit bilden kann. Der Erfolgsfaktor Freiheit ist zu grossen Teilen der direkten Demokratie und dem gelebten Föderalismus zu verdanken. Diese Pfeiler dürfen wir nicht durch unvorteilhafte internationale Verträge aufs Spiel setzen.

18. Februar 2023

Mathias Binswanger: «Vergesst Horizon 2020»

Die EU demütigt die Schweiz hartnäckig an einer empfindlichen Stelle – bei der Bildung: Während sie beispielsweise Tunesien als assoziiertes Land des EU-Forschungsprogramms «Horizon Europe» taxiert, stuft sie die Schweiz als nicht assoziiertes Drittland ab. Die Rektoren der Universitäten und die Politiker schlagen fast pausenlos Alarm. «Tatsächlich ist die Situation untragbar, aber in einem ganz anderen Sinn, als von den Rektoren dargestellt», schreibt Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz und gemäss NZZ-Ökonomen-Ranking einer der einflussreichsten Ökonomen der Schweiz, in der «Weltwoche»: «Es ist untragbar, dass sich die Schweizer Forschung von der EU-Förderung abhängig und damit erpressbar gemacht hat.» Denn die Teilnahme am EU-Forschungsprogramm stelle einen bürokratischen Käfig dar, der vom Denken ablenke. Forschende werden laut Binswanger zu fleissigen Antragsschreibern für Projekte, auf deren Resultate niemand wartet. Das System, das Qualität belohnen will, verwandle sich in ein System, das Qualität behindere. «Wissenschaft wird zur Fleissarbeit ohne Geist!», kritisiert Binswanger. Fakt ist: Viele Schweizer Universitäten wie etwa die Universität Zürich wiesen eine bessere Positionierung in internationalen Rankings auf, bevor die Schweiz (2004) bei Horizon Europe mitmischte.

15. Januar 2023

Hans-Jörg Bertschi: «Bundesrat soll Stärken der Schweiz in Waagschale werfen»

In einem Interview mit der «NZZ» greift Hans-Jörg Bertschi, Co-Präsident von autonomiesuisse und Verwaltungsratspräsident der Bertschi AG, ein heisses Eisen auf: Allein 2022 ist die Schweiz um 200'000 Personen gewachsen, was der Stadt Basel entspricht. Dennoch ist der Fachkräftemangel grösser denn je, während das Bevölkerungswachstum bei Infrastruktur, Land- und Immobilienpreisen an seine Grenzen stösst. «Die Schweiz muss prüfen, ob sie die Zuwanderung anders steuern kann», fordert Bertschi. Die Unternehmen würden profitieren, weil sie einfach Arbeitnehmende im Ausland rekrutieren könnten. Deshalb müsse die Wirtschaft einen Beitrag leisten, «damit mehr Bahnlinien, Strassen und Schulhäuser gebaut werden können». Darüber hinaus warnt Bertschi vor einem Schnellschuss bei erneuten Verhandlungen mit der EU. Die Bilateralen hält er zwar für ein Erfolgsmodell, ordnet sie aber ein: So sind etwa die Exporte in die USA mehr als doppelt so stark gestiegen wie jene nach Deutschland, seit die Verträge mit der EU bestehen. Zugleich profitiere die EU bei Handel, Dienstleistungen, Investitionen und Jobs für ihre Bürger mehr von der Schweiz als umgekehrt. Eine institutionelle Anbindung an die EU dürfe nicht so weit gehen, dass die direkte Demokratie und der Föderalismus ausgehebelt würden. «Mich erstaunt, dass der Bundesrat im Europabericht die heiklen innenpolitischen Fragen nicht einmal erwähnt», sagt Bertschi – und resümiert: Der Bundesrat solle die Sondierungen vorantreiben, aber die «demokratiepolitisch heiklen Punkte ansprechen» und die Stärken der Schweiz als innovativstes Land der Welt «in die Waagschale werfen».

06. Januar 2023

In diesen drei Punkten muss der Bundesrat der EU die Stirn bieten

Seit der Bundesrat vor 30 Jahren das EU-Beitrittsgesuch eingereicht hat, ist die Schweizer EU-Politik verschiedentlich durch Schnellschusshandlungen aufgefallen, die für gute Laune bei EU-Funktionären sorgten, aber nicht dem Willen des Schweizer Stimmvolks entsprachen. Bisher ist es gelungen, solche Fehler der Vergangenheit auszubügeln. Dennoch darf sie der Bundesrat jetzt nicht wiederholen. Statt sich von «der positiven Dynamik mit der EU» (Originalton Ignazio Cassis) blenden zu lassen, gilt es für den Bundesrat, sich die realpolitischen Fakten – wie etwa die Nadelstiche der EU gegen die Schweiz – vor Augen zu halten und sich dafür einzusetzen, dass das Erfolgsmodell einer weltoffenen, innovativen und freien Schweiz eine Zukunft erhält. Möglich ist das nur, wenn die Schweiz ihre Handlungsfreiheit behält. autonomiesuisse appelliert darum an den Bundesrat, in künftigen Sondierungsgesprächen der EU in mindestens drei weiteren Punkten die Stirn zu bieten:

1. Wenn die Schweiz schon dynamisch EU-Recht übernehmen soll, muss bei abweichenden Parlaments- und Volksentscheiden ein faires «Opting-out» möglich sein.

2. Das seit 1972 bewährte Freihandelsabkommen mit der EU darf nicht ins Paket miteingeschlossen werden.

3. Es braucht ein neutrales Schiedsgericht für Streitfälle. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist dazu nicht geeignet. Er vertritt die Gegenpartei.

Um ihre Forderungen mit Nachdruck vorzubringen, hat autonomiesuisse eine Mitteilung an die Schweizer Medien verschickt.

15. Dezember 2022

Verliert der Bundesrat den Fokus für die Hauptsache?

Der bilaterale Weg bleibt die vorteilhafteste Lösung für die Schweiz, schreibt der Bundesrat im Bericht «Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz–EU». Für die EU ist dieser Weg allerdings nur gangbar, wenn eine «institutionelle Annäherung» der Schweiz stattfindet. Im Klartext bedeutet das: Die EU will die politischen Rahmenbedingungen der Schweiz bestimmen – ungehindert von direktdemokratischen Prozessen. Während der Bundesrat von einer «Partnerschaft» mit der EU spricht, interpretiert die EU diese Beziehung offensichtlich anders. Sie verfolgt mit Nadelstichen und Forderungen eine Machtpolitik des Eigeninteresses, die wenig partnerschaftlich wirkt. autonomiesuisse begrüsst es, wenn in Sondierungen erste Fortschritte erzielt werden, vor allem im Bereich des Personenfreizügigkeitsabkommens (Einwanderung in Sozialsysteme, Lohnschutz). Doch diese reichen nicht. Die Entscheidungstragenden sollen sich nicht auf Nebenschauplätzen verlieren, sondern für die Hauptsache kämpfen: den Erhalt des Erfolgsmodells Schweiz. Eine institutionelle Anbindung an die EU, welche die Volksrechte und die Souveränität der Schweiz tangiert, gefährdet unseren Wohlstand. Eine dynamische Übernahme von EU-Recht kann nur infrage kommen, wenn der Schweiz bei Volksentscheiden ein faires Opting-out offensteht und eine Streitschlichtung mit unabhängigem Schiedsgericht vorhanden ist. Die Schweiz sollte sich nicht unter Druck zu einem Schnellschuss hinreissen lassen, der sich als Rückenschuss herausstellen könnte. Um die Zukunft der Schweiz als älteste Demokratie zu sichern, hat autonomiesuisse ihre Einschätzung des Berichts des Bundesrats an die Medien geschickt.

08. Dezember 2022

Bewegt «EU-Medienfreiheitsgesetz» die Schweizer Medien zum Umdenken?

Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechte: Diese Werte schreibt sich die EU-Kommission gerne auf die Fahne. Und um sie durchzusetzen, hat sie sich jetzt etwas Neues einfallen lassen: ein «Medienfreiheitsgesetz». Für ein pluralistisches Mediensystem sei dieser «European Media Freedom Act» (EMFA) unerlässlich, lautet die offizielle Argumentation. Doch steckt im neuen Regelwerk das drin, was auf dem Buchdeckel steht – nämlich Freiheit? Nicht nur die aufmüpfigen Mitgliedländer Ungarn und Polen bezweifeln dies. Auch aus Deutschland und Österreich erwächst ungewohnter Widerstand. Verlegervereinigungen befürchten, dass die «Medienunfreiheitsverordnung», so ihre Verballhornung, die Pressefreiheit beschneiden würde. Die EU-Kommission plant nämlich eine neue Aufsichtsinstanz. «Die Kommission schwingt sich nicht nur zum Mediengesetzgeber auf, sondern will gleichzeitig auch noch die Medienaufsicht übernehmen», kritisiert beispielsweise die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Ihr zufolge widerspricht die Zentralisierung der Medienaufsicht dem deutschen Verfassungsrecht – und beeinträchtigt Qualitätsstandards. «Die Kommission sagt, sie wolle die Medien vor dem Staat schützen, und stellt sie unter die Aufsicht des EU-Superstaats», kommentierte die «Frankfurter Allgemeine». autonomiesuisse hofft, dass die Diskussion über die geplante Zentralbehörde auch Schweizer Medienschaffende und Schweizer Verleger dazu bringt, ihre Position gegenüber der EU neu zu denken.

28. November 2022

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28. November 2022

Hans-Jörg Bertschi: «Panikmache hat sich nie bewahrheitet»

Die Schweiz ist weitaus besser durch die Krisen der letzten Jahre gekommen als die EU. Das stellt Hans-Jörg Bertschi, Co-Präsident von autonomiesuisse und Vewaltungsratspräsident der Bertschi Gruppe, im Interview mit dem «Nebelspalter» klar. Die Panikmache der Euroturbos habe sich noch nie bewahrheitet. Worauf ist das Schweizer Erfolgsmodell denn zurückzuführen? «Das hat mit liberalen Rahmenbedingungen, Föderalismus und direkter Demokratie zu tun», sagt Bertschi: «Eine Unterstellung der Schweiz unter EU-Recht und ein EU-Gericht macht diese Vorteile zunichte.» Die Schweiz habe immer gut funktioniert, weil Politik und Wirtschaft zusammengearbeitet hätten, statt gegeneinander anzutreten. In den Sondierungsgesprächen mit der EU müsse das Schweizer Aussendepartement darum jetzt die wesentlichen Fragen auf den Tisch legen: die Ausnahmen von der Übernahme von EU-Recht, ein Opting-out bei Volksentscheiden und ein unabhängiges Schiedsgericht für die Streitbeilegung. Und dann sei sicherzustellen, dass das Freihandelsabkommen nicht diesen institutionellen Regeln unterstellt werde. «Die EU ist für uns sehr wichtig, trotzdem dürfen wir uns nicht einseitig auf sie ausrichten. Wir müssen weltoffen bleiben», betont Bertschi.

23. November 2022

Verhandlungen mit der EU: Schweiz darf Fehler nicht wiederholen

Nach dem gescheiterten Rahmenvertrag mit der EU ist eine «Paketlösung» in Diskussion. Verschiedene Medien sprechen von «positiven Signalen» aus Brüssel, weil die EU gewisse Konzessionen beim Lohnschutz und der Unionsbürgerrichtlinie andeutet. Das neue Wording darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Paket die zentralen umstrittenen Punkte des Rahmenabkommens integriert bleiben. So beharrt die EU etwa für die Streitschlichtung auf dem Europäischen Gerichtshof. Eine dynamische Übernahme von EU-Recht kann für autonomiesuisse nur infrage kommen, wenn der Schweiz bei Volksentscheiden ein faires Opting-out offensteht und eine Streitschlichtung mit unabhängigem Schiedsgericht vorhanden ist. Auch darf das seit 1972 bewährte Freihandelsabkommen nicht in den «neuen Rahmen» gestellt werden.

Mit Blick auf neue Verhandlungen mit der EU hat nicht ein schneller Abschluss Priorität, sondern dass das Erfolgsmodell einer weltoffenen, innovativen und freien Schweiz nicht gefährdet wird. Als ob das Drängen der EU nicht genug wäre, betreiben umtriebige Politikerinnen und Politiker in Brüssel auch eine Paralleldiplomatie und einzelne Wirtschaftsverbände üben unreflektiert Druck aus, in der Hoffnung auf «Quick Wins». All dies schwächt die Position der Schweizer Verhandlungsdelegation erheblich. Vor weiteren Verhandlungen muss die EU zuerst die Vertrauensgrundlage dafür schaffen, indem sie sämtliche «Drangsalierungsmassnahmen» (Ausschluss aus Horizon Europe, Erneuerung MRAs usw.) aufhebt, die sie einseitig ergriffen hat. Mit den Kohäsionsmilliarden hat die Schweiz ihren Goodwill ausreichend bewiesen. Um zu verhindern, dass die Schweiz die Fehler vergangener Verhandlungen wiederholt, hat autonomiesuisse eine Medienmitteilung herausgegeben.

26. Oktober 2022

EU hält an Nadelstich-Politik gegen die Schweiz fest

In den sogenannten Schlussfolgerungen legt die EU den Umgang mit Staaten wie der Schweiz fest. Damit hat sie die Möglichkeit, beispielsweise ihre Politik der Nadelstiche abzuschwächen. Ohne das Gesicht zu verlieren, könnte die EU die Schweiz etwa wieder ins EU-Forschungsprogramm Horizon aufnehmen – schliesslich nehmen sogar Staaten ausserhalb der EU wie Tunesien daran teil. Doch am Treffen der zuständigen Arbeitsgruppe der EU-Staaten standen die Schlussfolgerungen zur Schweiz nicht einmal auf der Traktandenliste, wie der «Blick» berichtet. Der Grund: Die EU bemängelt «ungenügende Fortschritte bei den Sondierungsgesprächen zwischen unserem Land und der EU». Während die EU sich keinen Millimeter weit bewegt, erwartet sie von der Schweiz offensichtlich ein Entgegenkommen auf der ganzen Linie.

autonomiesuisse stellt fest, dass selbst die grossmütig gesprochenen Schweizer Kohäsionsmilliarden die EU nicht von ihrer festgefahrenen Position wegzubewegen vermögen. Für ein Umdenken in Brüssel dürfte es Zeit brauchen – womöglich sogar so lange, bis neue Personen am Tisch sind. Umso kontraproduktiver ist der Druck, den gewisse politische Kreise in der Schweiz aktuell auf den Bundesrat ausüben. Sie schwächen die Schweizer Verhandlungsposition und verlocken die EU dazu, unser Land zu «erpressen». Insgesamt könnte dies zu einer einseitigen Vereinbarung führen, die das Erfolgsmodell der Schweiz sabotieren würde.

24. September 2022

EU-Beitritt? Total uncool!

30 Jahre nach dem Nein des Schweizer Stimmvolks zum EWR lässt die EU die jungen Schweizer kalt. Wie «SRF» berichtet, bilden die 18- bis 34-Jährigen die EU-skeptischste Altersgruppe. Vier von fünf (77,9 Prozent) sprechen sich klar für einen Alleingang der Schweiz aus. Nur gerade 6,5 Prozent der jungen Erwachsenen liebäugeln noch mit einem EU-Beitritt. Damit hat sich die Stimmungslage in 30 Jahren um 180 Grad gedreht. Damals hielten noch über die Hälfte (59,2 Prozent) der jungen Schweizerinnen und Schweizer einen EU-Beitritt für interessant. Der Politgeograf Michael Hermann erklärt es sich damit, dass damals Europa als eine «Art Sehnsuchtsort» galt: «Ein Teil der Bevölkerung sehnte sich nach einer Öffnung nach den Jahren des Kalten Kriegs, für viele war es der Ausbruch aus dem Gefängnis, wie es Friedrich Dürrenmatt formuliert hatte.» Wenn manche «Urgesteine» der Politik bis heute vor jedem Entscheid reflexartig nach Brüssel schielen, so entfernen sie sich immer weiter vom Lebensgefühl der jüngeren Bevölkerung in der Schweiz.

13. September 2022

Staatssekretärin Leu: «EU betreibt Druckpolitik»

Mit einem Interview in der «NZZ» hat Staatssekretärin Livia Leu mancherorts für rote Köpfe gesorgt. «Leider legt die EU keine grosse Eile an den Tag und hat die Termine mehrmals hinausgezögert», verrät die Chefunterhändlerin der Schweiz über ihre «Sondierungsgespräche». So diplomatisch wie möglich bezeichnet sie das Gebaren der EU als «Druckpolitik». «Für die Suche nach Lösungen ist dies nicht förderlich. Gerade vor dem Hintergrund, dass Europa zusammenstehen sollte, ist dieses Verhalten schwer nachvollziehbar.» Die Schweiz hingegen hat die Hausaufgaben laut Leu längst erledigt: Der Bundesrat habe die Forderung der EU, ein klares Bekenntnis abzugeben, erfüllt. Mit dem neuen Paketansatz erkläre er sich bereit, sich institutionell an die EU anzunähern – inklusive der dynamischen Rechtsübernahme. Ebenso sei die Schweiz bereit, eine Streitbeilegung mit der EU festzulegen und über eine «Verstetigung» des Kohäsionsbeitrags zu sprechen. Als Reaktion auf das Interview hat «SRF» die Nationalräte Jürg Grossen (Grünliberale), Hans-Peter Portmann (FDP), Fabian Molina (SP) und Ständerat Pirmin Bischof (Die Mitte) befragt. Diese drehen die Vorwürfe von Leu ins Gegenteil: Nicht Brüssel sei das Problem, sondern Bern. Denn der Bundesrat gehe «zu wenig zügig» vor.

autonomiesuisse hält es für unangebracht, dass Schweizer Parlamentarier die Verhandlungsposition von Livia Leu schwächen. Aus Sicht der unabhängigen Schweizer Wirtschaft fragt es sich zudem, warum die Schweiz bei den Verhandlungen mit der EU Tempo geben soll. Gemessen an allen Kennzahlen – aktuell beispielsweise an den Inflationsraten – steht die Schweiz deutlich besser da als die EU-Staaten. Sie darf dem Druck der EU sowie interner EU-nahestehender Kreise nicht nachgeben. Heikle Punkte im Verhältnis zur EU bleiben die vom Bundesrat nicht grundsätzlich hinterfragte Übernahme von EU-Recht sowie eine mögliche Unterstellung der Schweiz unter den parteiischen Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Streitfall. Die Schweiz darf ihre politische Unabhängigkeit und damit ihr Erfolgsmodell nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

18. August 2022

Medtech: Und wieder schadet sich die EU selbst

Wann immer die EU die Schweiz piesackt, bricht diese auf Vorrat in Panik aus. So wähnte sich die hiesige Medtech-Branche schon im Koma, als ihr die EU im Mai 2021 – entgegen aller Abmachungen – einseitig den Zugang zum EU-Binnenmarkt erschwerte. Ohne Rahmenabkommen hängt die europäische Konkurrenz unsere Unternehmen ab, lamentierten Befürworter des Rahmenabkommens. Markus Somm hat der Branche nun in «Somms Memo» im «Nebelspalter» den Puls gefühlt. Das Resultat: Die EU hat sich vor allem ins eigene Fleisch geschnitten. Denn die Schweizer Medtech-Firmen steigerten ihre Umsätze im ersten Halbjahr 2022, auch in der EU. Laut dem Branchenverband Swiss Medtech sind die Unternehmen flott unterwegs. Dagegen leidet die europäische Medtech-Industrie an der Umstellung auf die neue EU-Regulierung. 85 Prozent ihrer Produkte sind noch nicht zertifiziert. Und die Zeit für deren Zertifizierung hat sich auf bis zu 18 Monate verdoppelt, klagt MedTech Europe. Die Hälfte der Unternehmen in der EU liebäugeln darum damit, ihre Produkte künftig prioritär in anderen Märkten zu zertifizieren und abzusetzen. Während die europäische Konkurrenz bei den Prüfstellen in der Warteschlange steht, haben die drangsalierten Schweizer Unternehmen ihre Zertifikate längst in der Hand. Das Fazit von Swiss Medtech spricht für sich: «Wir haben jetzt sogar einen Vorsprung vor den durchschnittlichen EU-Firmen.»

10. August 2022

Wirtschaftshistoriker sieht Verhältnis Schweiz-EU «entspannt»

Soll die Schweiz so rasch wie möglich wieder mit der EU an den Verhandlungstisch? Zum Beispiel, um wieder am europäischen Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe teilnehmen zu können? Tobias Straumann, der bekannte Professor für Wirtschaftsgeschichte der Universität Zürich, gibt sich «entspannt», wenn er auf diese Frage angesprochen wird. Auch ohne Aktualisierung der bilateralen Verträge laufe die Schweizer Wirtschaft «hervorragend», sagt er der «Aargauer Zeitung». Und bei fast allen Horizon-Programmen sei die Schweiz nach wie vor dabei. Sie könne nur nicht mehr die Leitung übernehmen. «Das hat Nachteile, ist aber nicht dramatisch. Die Schweizer Universitätsinstitute bekommen nach wie vor Geld», betont Straumann: «Wir sollten nicht ständig jammern, wir sollten Ersatzprogramme entwickeln, auch internationale, mit der die Schweiz ihre Stärken als offener und gut dotierter Forschungsstandort ausspielen kann.» Das Austauschprogramm Erasmus funktioniert laut Straumann genauso gut wie früher, seit die Schweiz die Organisation und Finanzierung eigenständig übernommen hat. Er verspricht sich wenig von weiteren Verhandlungen mit der EU. Denn die EU verlangt von der Schweiz beharrlich die dynamische Übernahme von EU-Recht – was in der Schweiz nicht mehrheitsfähig ist. In Anlehnung an Straumann fordert autonomiesuisse, dass die Schweiz die Zeit für Reformen im Inland nutzen sollte. Immerhin liegt die letzte grosse Reform, die Einführung der Schuldenbremse, über zwanzig Jahre zurück. Ohne diese wäre das Land heute ähnlich hoch verschuldet wie die EU-Staaten. Dringend nötig ist es unter anderem, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, die Energieversorgung sicherzustellen, die Sozialwerke auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen und die Volksschulen wieder besser zu machen.

13. Juni 2022

Wer stoppt die kontraproduktive «Horizon-Motion» des Nationalrats?

Der Nationalrat will der Roadmap der SP in Sachen Europapolitik folgen. Auch dank der Schützenhilfe von unerwarteter Seite: von Teilen der FDP sowie vom Wirtschaftsdachverband economiesuisse. Bei 6 Enthaltungen waren 92 Stimmen für die Motion der Aussenpolitischen Kommission und 92 dagegen – eine Pattsituation, welche die Nationalratspräsidentin Irene Kälin per Stichentscheid beendete: Sie winkte die Motion durch, welche dringliche Massnahmen fordert, damit die Schweiz unter anderem wieder am EU-Forschungsprogramm Horizon teilnehmen kann. autonomiesuisse bedauert, dass der Nationalrat die Geduld verloren hat und vermeintlich kurzfristige «Quick Wins» über die langfristigen Interessen der Schweiz stellt. Dabei hat der Nationalrat zuvor ein eigenständiges Schweizer Programm für exzellente Forschung und Innovation vom Bundes-rat gefordert. Dieses könnte sich an wissenschaftlichem Pioniergeist und internationalen Spitzenleistungen orientieren – im Gegensatz zu Horizon, das auf einem tendenziell bürokratischen Wissenschaftsbild aufbaut. Der Nationalrat fällt dem Bundesrat bei den Verhandlungen mit der EU in einem kritischen Moment in den Rücken. Dies schwächt die Position der Schweiz. Wenn der Nationalrat als Köder einen dritten Schweizer Kohäsionsbeitrag an die EU in Aussicht stellt, ignoriert er sämtliche bisherigen Erfahrungen. Trotz Freigabe eines zweiten freiwilligen Kohäsionsbeitrags gegen Ende 2021 rückte die EU keinen Millimeter weg von ihrer Politik der Nadelstiche. Sie kommunizierte, dass für sie bezüglich eines Entgegenkommens einzig die institutionellen Fragen massgebend sind. Ingesamt präsentiert sich die Schweizer Wirtschaft in einer robusteren Verfassung als jene der EU. autonomiesuisse hofft darum, dass der Ständerat seinem Ruf als «chambre de réflexion» gerecht wird und den Schnellschuss der grossen Kammer korrigiert. Die Schweizer Verhandlungsdelegation soll die Interessen der Schweiz mit Nachdruck vertreten und die Strategie mit Geduld fortsetzen können.

02. Juni 2022

Livia Leu an die EU: Absage mit «Zückerchen»?

Staatssekretärin Livia Leu hat die Fragen Brüssels zur Position der Schweiz beantwortet. Der Brief lässt eine «Mischung von Stolz und Depression aufkommen», schreibt «Nebelspalter»-Chefredaktoeur Markus Somm in «Somms Memo». Zu Recht streicht die Staatssekretärin heraus, dass die EU die Bittstellerin ist. Brüssel verlangt einen Überbau über die bilateralen Verträge, «der es ihr ermöglicht, einseitig alle Gesetze und Regeln für den Binnenmarkt weiterzuentwickeln – ohne dass wir dazu etwas zu sagen hätten». Man nenne das vornehm «dynamische Rechtsübernahme». Ebenso gut könne man von einer «Kolonisierung» der Schweiz durch die EU sprechen. Nebst der Abweisung vieler Forderungen macht Leu aber laut Somm ein Zugeständnis, das «so gigantisch wie das Matterhorn» sei. Sie spricht zwar von einem «Paradigmenwechsel», den die EU anstrebt, will diesen aber schlucken. Es reicht ihr, wenn die Schweiz einige Ausnahmen erhält – etwa beim Lohnschutz, der Unionsbürgerrichtlinie und später bei neuen Abkommen über Elektrizität oder Lebensmittelsicherheit. Doch der Fehler liegt in der Kernidee: der dynamischen Rechtsübernahme. Diese torpediert unsere direkte Demokratie, welche dem Schweizer Stimmvolk so viele Rechte gibt, wie sie kaum ein anderes Land auf der Welt kennt. «Warum sollen wir Bürger je ein Abkommen gutheissen, das uns auf Dauer entmachtet?», fragt Somm: «Alle Gesetze, welche Brüssel jetzt und künftig als für den Binnenmarkt relevant hält, macht Brüssel.». Zwar würden EU-Befürworter davon ausgehen, dass die Schweiz Einfluss nehmen könne. «Für den einzelnen Bürger aber steht dieser Weg nie offen», betont Somm. Optimistisch stimmt ihn allerdings, dass Livia Leu so viele Ausnahmen von der Regel verlangt, dass die EU die angebotene Hand wohl ausschlagen wird: «Das ist das Gute an der EU. Sie ist berechenbar, sie ist stur.»

21. Mai 2022

Unfreundlicher Brief aus Brüssel

«Dear Livia», hat Juraj Nociar, Kabinettschef der EU-Kommission, im letzten Moment noch von Hand auf das Schreiben an die Schweizer Staatssekretärin Livia Leu hinzugefügt. Es bleibt die einzige freundliche Formulierung im harschen Brief mit Fragebogen, der kürzlich – wohl nicht ganz unbeabsichtigt – an die Öffentlichkeit gelangt ist, wie Dominik Feusi im «Nebelspalter» kommentiert. Darin zeigt die EU-Kommission der Schweiz vor allem eines: Sie will inhaltlich keinen Millimeter vom Rahmenabkommen abrücken. Sie beharrt weiterhin darauf, dass die Schweiz automatisch EU-Recht nachvollzieht. Zudem soll der europäische Gerichtshof das Recht auslegen und die Schweiz sich zu regelmässigen Kohäsionszahlungen verpflichten. Auch wenn der Bundesrat einen «vertikalen Ansatz» mit der EU anpeilt, pocht diese auf alle Bedingungen, die aus Sicht von autonomiesuisse rote Linien überschreiten und das Erfolgsmodell Schweiz gefährden. Der «vertikale Ansatz» ist also faktisch vom Tisch. Denn die EU möchte der Schweiz keinen Spielraum einräumen, wie ein «erfahrener Diplomat» meint. Vielmehr will sie den Bundesrat unter Druck setzen. Wie wird dieser reagieren? Knickt der Bundesrat nicht ein, muss Livia Leu die Forderungen der EU konsequent zurückweisen. Keine einzige Frage der EU kann sie einfach bejahen.

17. Mai 2022

Frontex-Studie: EU-Bürger wünschen sich mehr Demokratie

Die EU-Grenzschutzorganisation Frontex soll mehr Geld aus der Schweiz bekommen – hat das hiesige Stimmvolk am 15. Mai 2022 beschlossen. In den Ländern der EU wäre ein solches Referendum nicht möglich gewesen. Viele Bürgerinnen und Bürger haben dort noch nicht einmal von Frontex gehört. Sie sind auf einem geringeren Kenntnisstand als Herr und Frau Schweizer, würden aber grundsätzlich einem Frontex-Ausbau zustimmen. Dies zeigt die Studie «Frontex, Europa und die direkte Demokratie», die autonomiesuisse-Co-Präsident und Bitcoin-Unternehmer Luzius Meisser zusammen mit der Stiftung für direkte Demokratie beim Meinungsforschungsinstitut GfS Bern in Auftrag gegeben hat. Daran haben 13’610 Stimmberechtigte in 25 EU-Ländern teilgenommen. Insgesamt hat eine absolute Mehrheit der Stimmberechtigten eine positive Meinung zur EU. Die meisten Befragten fühlen sich zudem sicher – nur nicht in Zypern. Dennoch zeigt die Studie, dass der Wunsch nach Volksabstimmungen auf nationaler wie auf EU-Ebene stark ausgebildet ist. Die EU-Kommission vertritt in dieser Frage also nicht die Interessen der eigenen Bevölkerung, die oft ähnlich ticken würde wie jene in der Schweiz. autonomiesuisse lehnt auch darum eine dynamische Übernahme von nicht direktdemokratisch legitimiertem EU-Recht ab. Aus diesem Grund muss die Schweiz der EU klar zu verstehen geben, dass sie kein «Rahmenabkommen 2.0» abschliessen will. Was es dazu braucht? Etwas Mut von dem Beamtencorps in Bern und dem Bundesrat.

15. März 2022

Nationalrat schwächt Verhandlungsposition gegenüber EU

Drei Wochen nachdem der Bundesrat seine Pläne für die Europapolitik vorgestellt hat, winkt der Nationalrat eine parlamentarische Initiative zur EU-Frage durch – mit 127 zu 58 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Offiziell geht es darum, ein Bundesgesetz über die «Weiterführung und Erleichterung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU» zu erlassen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Doch faktisch entzieht das Gesetz dem Bundesrat das ganze Dossier. Eric Nussbaumer (SP), der diesbezüglich treibende Kopf der Aussenpolitischen Kommission, macht keinen Hehl daraus, dass er weiterhin eine institutionelle Integration der Schweiz in die EU anstrebt – zum Beispiel per «Rahmenabkommen 2.0». autonomiesuisse hofft, dass der Ständerat seinem Ruf als «chambre de réflexion» nachkommt und den emotionalen Schnellschuss der grossen Kammer korrigiert. Dies aus drei Gründen: Erstens würde ein «Europagesetz» die Verhandlungsposition des Bundesrats gegenüber der EU empfindlich schwächen. Schon jetzt erhält die EU den Eindruck, das Parlament fiele dem Bundesrat in den Rücken. Zweitens wäre ein solches «Europagesetz» nicht mit der Kompetenzordnung der Bundesverfassung vereinbar, wie Prof. Dr. Carl Baudenbacher, Präsident des EFTA-Gerichtshofs a.D., argumentiert. Drittens handelte das Parlament entgegen den Interessen der Schweizer Bevölkerung, die gemäss einer gfs-Umfrage ein Freihandelsabkommen mit der EU gegenüber den bilateralen Verträgen, einem EWR-Beitritt und einem Rahmenabkommen klar bevorzugt. Der Gesetzesvorschlag des Nationalrats würde somit ausgerechnet die beliebteste Option ausschliessen. autonomiesuisse hält ein modernes Freihandelsabkommen für eine interessante Rückfallebene, falls die vom Bundesrat geplante Stossrichtung in den Verhandlungen mit der EU nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führt.

07. März 2022

Ernst Baltensberger: «Bundesrat braucht Plan B»

Die Ukraine, Georgien und Moldau wollen in die EU. Müsste sich die Schweiz ebenfalls überlegen, sich der EU anzunähern? Prof. Dr. Ernst Baltensberger, der Doyen der Schweizer Geldpolitik, parierte diese und andere Fragen der «SonntagsZeitung» mit klaren Worten. Er begrüsst es, dass der Bundesrat die Verhandlungen mit der EU wieder aufnimmt – ist aber skeptisch, dass dieser erfolgreich sein wird. «Wir sollten einen Plan B haben», fordert der langjährige Vordenker der Nationalbank. Das Rahmenabkommen sei gescheitert, weil zwei zentrale Elemente in der Schweiz nicht mehrheitsfähig seien: die dynamische Rechtsübernahme und der Europäische Gerichtshof. Eine dynamische Rechtsübernahme ist laut Baltensberger möglich für gewisse technische und organisatorische Fragen. «Aber überall, wo es wie bei der Personenfreizügigkeit um politische Rechte geht, also Bürgerrechte, Sozialrechte, Niederlassungsrecht (...) einfach nicht», betont der Professor. Er hält es für «absurd, von einem souveränen Staat, der nicht Mitglied der EU ist, zu erwarten, dass er bereit ist, die Souveränität über Bürgerrechte und Einwanderung nach Brüssel zu delegieren». Als Plan B schlägt Baltensberger – wie vor ihm schon Rudolf Strahm – ein Freihandelsabkommen ähnlich jenem zwischen Kanada und der EU vor. Zudem müssten wir die bestehenden bilateralen Verträge nicht kündigen. Die EU habe viel Gutes für Europa bewirkt, politisch und ökonomisch. «Aber eine Beteiligung am politischen Projekt der EU möchte ich nicht, weil die politischen Systeme und ihre Institutionen in Europa und in der Schweiz einfach zu unterschiedlich sind.» Sie seien nicht kompatibel, resümiert Baltensberger.

28. Februar 2022

Die neue Stossrichtung des Bundesrats stimmt

Der Bundesrat hat am 25. Februar 2022 einem «Rahmenabkommen 2.0» eine klare Absage erteilt, was autonomiesuisse begrüsst. Es bringt Vorteile mit sich, den bilateralen Weg fortzusetzen und die institutionellen Fragen – wie die dynamische Rechtsübernahme und die Streitbeilegung – mit der EU in den verschiedenen einzelnen Binnenmarktabkommen zu regeln, wie es der Bundesrat beabsichtigt. Um die Chancen zu nutzen, sind aber einige Punkte zu beachten:

Es braucht Opting-out-Möglichkeiten auf Basis der WTO-Regeln bei einer dynamischen Rechtsübernahme. Eine Streitschlichtung soll in bilateralen Ausschüssen sowie vor einem neutralen Schiedsgericht stattfinden. Auf Guillotinen ist zu verzichten. Das Freihandelsabkommen muss unabhängig neuer Regeln bestehen bleiben. Parallel zu den Verhandlungen muss die Schweiz ihre Hausaufgaben erledigen. Dazu gehört, die Selbstversorgung mit Strom aufzugleisen, bürokratische Hemmnisse abzubauen und neue Freihandelsabkommen abzuschliessen. Auch zusätzliche Forschungsabkommen sind anzustreben. Die Einführung des Prinzips «Cassis-de-Dijon-Plus» zur Förderung des Handels ist prüfenswert. Verlaufen die Gespräche mit der EU trotz allem nicht zielführend, sollte der Bundesrat der EU ein modernes Freihandelsabkommen, vergleichbar mit dem CETA zwischen der EU und Kanada, vorschlagen.

02. Februar 2022

Economiesuisse: «Bund soll Klage gegen EU prüfen»

Seit dem Aus zum Rahmenabkommen erweist sich die EU als kreativ, wenn es darum geht, die Schweiz zu diskriminieren. So verweigert sie Schweizer Medtech-Produkten die Anerkennung ihrer Zertifizierung. Und sie schliesst die Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon Europe aus, während sie beispielsweise Tunesien daran teilnehmen lässt. Um solche Nadelstiche abzuwehren, setzt der Bundesrat auf den Dialog mit der EU. Dazu will er sich zwei Jahre Zeit lassen für eine Standortbestimmung – zu lange, wie Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder laut «Blick» mahnt. Er verschärft den Ton gegenüber der EU. Sollte die EU die Anwendung bestehender Abkommen verweigern, «sind juristische Massnahmen zu prüfen und einzusetzen», heisst es in einem Papier von Economiesuisse. Konkret fordert der Verband vom Bund, Unternehmen zu unterstützen, die sich gegen die Diskriminierung wehren wollen. Oder der Bund soll die EU direkt vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder der Welthandelsorganisation WHO anklagen. Darüber hinaus verlangt der Wirtschaftsdachverband von der Landesregierung eine klare Strategie: Wolle sie den bilateralen Weg fortsetzen, brauche es Lösungen für die offenen Fragen um Personenfreizügigkeit, Rechtsübernahme und Streitschlichtung. Sehe die Regierung keine Lösungsmöglichkeiten, müsse sie eine Alternative entwickeln und beispielsweise ein Freihandelsabkommen anstreben.

Damit rückt Economiesuisse den Positionen näher, für die autonomiesuisse den Boden vorbereitet hat. Mit Blick auf ein «Gesamtpaket» mit der EU hatte autonomiesuisse an einem Runden Tisch mit Bundespräsident Ignazio Cassis am 31. Januar 2022 darauf hingewiesen, dass es etwa für eine Streitbeilegung gemischte Ausschüsse und ein neutrales Schiedsgericht ohne den Europäischen Gerichtshof brauche. Eine automatische Übernahme von EU-Recht gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Daher sei nur eine dynamische Rechtsübernahme mit fairem Opting-out nach WTO-Regeln diskutierbar. Bezüglich der Personenfreizügigkeit dürfe die dynamische Rechtsübernahme keine Anwendung finden – und schon gar nicht die Unionsbürgerrichtlinie (UBRL). Sonst wäre das Weiterführen des Status quo für das Erfolgsmodell Schweiz sinnvoller als eine institutionelle Einbindung in die EU. In diesem Fall bevorzugt autonomiesuisse ein Verhältnis zur EU auf der Grundlage eines modernen Freihandelsabkommens wie das CETA zwischen Kanada und der EU.

20. Januar 2022

Deutsche Wirtschaft bedauert Eiszeit zwischen EU und Schweiz

Wenn der Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis am 20. Januar 2022 in Berlin eintrifft, erhält er von unerwarteter Seite sanften Rückenwind: Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zeigt in einem Positionspapier die Bedeutung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz auf. Dabei sehen die Wirtschaftsvertreter für viele Streitpunkte zwischen den Partnern pragmatische Lösungen, wie ein Vorabbericht der «NZZ» ausführt. Der BDI klagt, dass nach Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen bereits erhebliche wirtschaftliche Störungen aufgetreten seien. Mit Blick auf die Dynamik in Europa gelte es, «strategische Schäden» zu vermeiden. Die deutsche Öffentlichkeit unterschätzt laut BDI die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen deutschen und Schweizer Unternehmen. Die deutsche Wirtschaft fordert beide Seiten auf, konstruktive Gespräche zügig wieder aufzunehmen. Sie hinterfragt Handlungen der EU-Kommission wie etwa den Ausschluss der Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon. Auch plädiert sie für eine Wiederherstellung der Börsenäquivalenz und für eine Zusammenarbeit bei der Stromversorgung – mit Blick auf den Green Deal und eine nachhaltige Transformation. Insgesamt zeigt das Positionspapier für «eine positive Agenda», dass die deutsche Wirtschaft eine pragmatische Position bezüglich des Verhältnisses von der Schweiz zur EU bezieht. Sie identifiziert ähnliche Handlungsfelder wie etwa autonomiesuisse.

09. Januar 2022

Bundesratsprotokoll: «Unterwegs zum Kolonialstaat»

Im Abstimmungskampf um den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992 beschwor der Bundesrat das Stimmvolk zu einem Beitritt. Ein Alleingang der Schweiz sei eine Illusion. Nach 30-jähriger Schutzfrist hat die Forschungsstelle «Diplomatische Dokumente der Schweiz» bisher geheime Protokolle, Notizen und Memos veröffentlicht – und offengelegt, was die Landesregierung wirklich dachte. Die «SonntagsZeitung» hat die Dokumente ausgewertet. Nur in einem Punkt waren sich die Bundesräte einig: Sie schätzten den EWR unisono als miserablen Vertrag ein.

Die Bundesräte Arnold Koller und Adolf Ogi ärgerten sich schon damals über die Äusserungen der Chefunterhändler in der Öffentlichkeit. Der damalige Bundespräsident und Innenminister Flavio Cotti bezeichnete die Verhandlungen als «eine ununterbrochene Abfolge von Enttäuschungen». Finanzminister Otto Stich sagte, der EWR bedeute «eine Satellisierung der Schweiz». In der Öffentlichkeit sei «der Eindruck entstanden, dass sich die Schweiz tranchenweise abschlachten» lasse, klagte Arnold Koller. Und Kaspar Villiger stellte fest: «Wir bewegen uns auf dem Weg eines Kolonialstaates mit Autonomiestatut.» Die EG-Vorschläge seien «als Frechheit zu betrachten und sogar für die Schweiz als unwürdig zu qualifizieren». Der Alleingang sei «besser als dieser EWR».

Mit ähnlichen Worten bekämpfte der damalige Nationalrat Christoph Blocher das Vertragswerk. Cotti hielt den EWR für nicht akzeptabel, weswegen er die Flucht nach vorne antreten wollte – und gleich den Beitritt in die Europäische Gemeinschaft (EG) vorschlug. Nach einer «allgemeinen Diskussion» beschloss der Bundesrat «ohne Abstimmung» sein Ja zum EWR. Bundesrat René Felber liess die Bombe platzen: «Für den Bundesrat ist dieser Vertrag eine Etappe auf dem Weg (…) zur vollständigen Integration der Schweiz in die EG.» Otto Stich beschwerte sich in seiner Autobiografie: «Ein derart weitreichender Entscheid wie das EU-Beitrittsgesuch wird in einer kurzen Morgensitzung beschlossen – ohne Traktandierung und ohne schriftliche Begründung!» Am 6. Dezember 1992 lehnte das Volk den EWR-Vertrag ab. Sämtliche Untergangszenarien erwiesen sich als Schreckgespenst. Trotz des Neins zum EWR ist die Anbindung an die EU allerdings enger als je zuvor.

autonomiesuisse stellt fest: Die Episoden aus den 90er-Jahren weisen frappierende Parallelen zu den glücklosen Verhandlungen rund ums verworfene Rahmenabkommen mit der EU auf.

23. Dezember 2021

Gebot der Stunde: starkes Verhandlungsteam und «Eile mit Weile»

Die Schweiz müsse mit einer «Eile mit Weile»-Strategie vorgehen, um eine gute Lösung für ihr Verhältnis zur EU zu finden, schreibt Prof. Dr. Giorgio Behr, Präsident Behr Bircher Cellpack BBC Group und Co-Präsident autonomiesuisse, in der «NZZ». «Eile» sei bei der Analyse geboten, die nächste Verhandlung sollte aber «mit Weile» geplant werden. Weil Verhandlungen scheitern könnten, müsse sich die Schweiz darauf vorbereiten, auch ohne «neue Lösung» mit der EU leben zu können. Laut Behr muss die Schweiz damit beginnen, ihre Lage für die drei wichtigen Themen Strommarkt, Forschungsabkommen und gegenseitige Anerkennung von Zulassungen zu verbessern – unabhängig von Vorgängen in und mit der EU. Für die Zulassungen von Produkten in der EU sieht er eine einfache Lösung: Mit einer Tochtergesellschaft in der EU könnte die Schweizer Zulassungsstelle Produkte im gleichen Verfahren für die EU und die Schweiz zertifizieren. Statt Sololäufen einzelner Departemente brauche es ein starkes Kollektiv bei den Verhandlungen, betont Behr. Er fordert ein permanentes Verhandlungsteam. Dieses sollte auf folgenden Elementen beharren: kein automatischer Nachvollzug von EU-Recht, ein echtes Schiedsgericht für Streitfragen, ein Geben und Nehmen bei zahlreichen Fragen. Zugleich könnten die Kohäsionszahlungen in verhandelbarem Umfang fortgeführt werden. «Wir alle sind aufgefordert, während der Verhandlungen kein eigenes Süppchen zu kochen und dem Verhandlungsteam sowie dem Bundesrat nicht in den Rücken zu fallen», fordert Behr.

06. Dezember 2021

Warum die Schweiz anders tickt als die EU

Um das Verhältnis der Schweiz zur EU zu gestalten, solle man sich einfach der Vernunft bedienen – fordern viele Politikerinnen und Politiker. Oliver Zimmer, Geschichtsprofessor der University of Oxford und ab 1. Januar 2022 Research Director beim Zürcher Forschungsinstitut Crema, zeigt in der «NZZ», warum dieser Ruf naiv ist. Demnach lassen sich «die unterschiedlichen Institutionen und politischen Sensitivitäten in Europa ohne das Konzept der Mentalität nicht erklären». Der Graben zwischen der EU und der Schweiz habe tiefe historische Ursachen. So funktioniere in der Schweiz das Nation Building grundlegend anders als in den Nachbarländern. Dem zentralistischen Modell à la française stehe das anarchische Muster der Eidgenossenschaft entgegen. Im zentralistischen Modell «tritt der Staat als Hüter der Wahrheit und als Zivilisator seiner Bürger auf». Lokale Autonomie hielt der Staatstheoretiker Emmanuel Joseph Sieyès (1748–1836) für «ein Zeichen von Rückständigkeit». Im anarchischen Nation Building wird der Staat dagegen von unten nach oben gebaut. Dem Gebilde fehle es an der «eleganten Geometrie», schreibt Zimmer. Von aussen gesehen wirkt es unübersichtlich, weswegen einige von «Flickenteppich» sprechen. Der Historiker Herbert Lüthy meinte daher, dass die Mentalität der Schweiz «einem Kongolesen, dem sein Stamm oder Dorf die Welt ist, leichter verständlich als einem Nachbarn» aus Frankreich sei. Jedenfalls entschieden sich die Kantone Wallis, Genf und Neuenburg einst für die Schweiz – nicht für Frankreich oder Italien. Zimmer folgert, dass die archaische Eidgenossenschaft womöglich mehr Modernität hervorgebracht habe als die brillanten Staatsphilosophen: «Der Geist und die Wirklichkeit des Zentralismus fördern den Fortschritt nicht – sie behindern ihn.»

Buchtipp:

Oliver Zimmer, Wer hat Angst vor Tell? Unzeitgemässes zur Demokratie, Echtzeit-Verlag, 2020

30. November 2021

Rudolf Strahm plädiert für umfassendes Freihandelsabkommen statt Rahmenabkommen

Während die EU weiss, was sie von der Schweiz will, agiert Letztere in der Aussenpolitik immer noch planlos. So reiste Bundesrat Ignazio Cassis mit leeren Händen nach Brüssel – und kehrte ebenso zurück. Rudolf Strahm, der ehemalige Preisüberwacher und alt Nationalrat, schlägt dem Bundesrat nun im «Tages-Anzeiger» und im «Bund» ein zweigleisiges Vorgehen vor. Einerseits soll die Schweiz Vorschläge für die Kooperation mit der EU ausarbeiten. Andererseits die Beziehungen zu Drittstaaten vertiefen. Mit Blick auf das Verhältnis zur EU lanciert Strahm einen «Appell an die Wirtschaftspolitiker und Verbandsfunktionäre aller Lager: Studiert und beurteilt mal das CETA-Abkommen und weitere Alternativen!» Das CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada umfasst neben Handelsfragen auch Dienstleistungen, Investitionen, Umweltschutz – sowie ein echtes, paritätisches Schiedsgericht, ganz ohne Europäischen Gerichtshof. Zudem klammert es die Personenfreizügigkeit aus und enthält einen Mechanismus zur gegenseitigen dynamischen Normenanerkennung. Ein solches Abkommen könnte die bisherigen Bilateralen und die Sektoralabkommen «ergänzen», wie Strahm schreibt. Darüber hinaus empfiehlt er sektorielle Kooperationen mit der EU wie etwa Stromausgleichsverträge mit Nachbarländern und ein Andocken an das Horizon-Forschungsprogramm. Notabene: Bereits vor einem Jahr hat autonomiesuisse in ihrem Positionspapier auf das CETA als moderne Alternative zu einem Rahmenabkommen hingewiesen.

14. November 2021

Umfrage: EU-Nachbarn wünschen sich mehr Schweiz

Die Forderungen der EU-Kommission an die Schweiz erwecken den Eindruck, dass die EU-Staaten nicht gut auf unser Land zu sprechen sind. Ganz anders klingt es, wenn man das Volk in den Nachbarstaaten befragt. Genau dies hat das Meinungsforschungsinstitut GfS Bern im Auftrag von Luzius Meisser, Gründer der Bitcoin Association Switzerland und Co-Präsident von autonomiesuisse, getan. Das Resultat ist klar, wie auch die «NZZ am Sonntag» schreibt: 90 Prozent der Befragten in der Schweiz sind mit unserem politischen System zufrieden oder sehr zufrieden. In den Nachbarstaaten ist dies nur bei der Hälfte der Fall. 44 Prozent sind gar sehr oder eher unzufrieden mit dem EU-System. Mit Blick auf die Mitbestimmung äussern sich in der Schweiz 93 Prozent als zufrieden, in Österreich, Deutschland, Frankreich und Italien nur 48 Prozent. 87 Prozent in der Schweiz sind mit unseren Regeln zufrieden, in der EU lediglich 48 Prozent. Schliesslich sind 77 Prozent der Befragten in der Schweiz zufrieden mit den Resultaten der Politik. In den vier EU-Staaten ist dagegen eine knappe Mehrheit – 51 Prozent – sehr oder eher unzufrieden mit dem, was die Brüsseler Regierung erreicht. 75 Prozent der Bürger und Bürgerinnen unserer Nachbarländer wünschen sich, dass die EU mehr demokratische Mitsprachemöglichkeiten nach Schweizer Vorbild einführt. Das Fazit? autonomiesuisse schlägt vor, dass sich nicht die Schweiz der EU angleichen sollte, sondern die EU der Schweiz.

20. Oktober 2021

Medtech: Die Schweiz darf sich nicht ins eigene Bein schiessen

Vor einem halben Jahr hat die EU die Schweiz zum Drittstaat degradiert. Swiss Medtech nimmt dies zum Anlass, der eigenen Branche den Puls zu fühlen. Die Diagnose: Für den Export sind die Schweizer Firmen gut aufgestellt. Nur 54 Hersteller leiden unter Exportproblemen, weil die EU-Kommission die Schweizer Zertifizierungsstelle SQS nicht mehr anerkennt (dagegen sind Klagen in Prüfung). Anders sieht es beim Import aus der EU aus. Stellt hier die Schweizer Bürokratie das grössere Übel als jene der EU dar? «Mit den hausgemachten Importhürden gefährdet die Schweiz die Gesundheitsversorgung ihrer eigenen Bevölkerung», alarmiert Swiss Medtech und fordert, dass der Bund die Medizinprodukteverordnung noch bis Ende Jahr ändert. «Egal, ob es um Medizinaltechnik oder Energie geht: Vor Verhandlungen mit der EU sollte die Schweiz ihre Hausaufgaben erledigen und ihre Position stärken», betont Prof. Dr. Giorgio Behr, Unternehmer der BBC Group und Co-Präsident von autonomiesuisse. Er empfiehlt, beim Strom die Produktionskapazitäten massiv zu erhöhen. Denn Strom werde in ganz Europa zur Mangelware. Und die Situation der 54 Medtech-Nachzügler sei sorgfältig abzuklären. Panik mit Blick auf die Gesundheitsversorgung hält er aber nicht für angebracht. «Für den Import von EU-Medizinalprodukten benötigen wir eine elegante Lösung. Parallel dazu sollten wir Alternativen aus anderen Weltregionen prüfen und fördern», empfiehlt Behr. Seit den alten Römern habe sich im Handel das Prinzip «Do ut des», «Ich gebe, damit du gibst», bewährt: «Daran sollte sich auch die Schweiz weiterhin orientieren.»

15. Oktober 2021

Der Liberal Award 2021 geht an autonomiesuisse

Überraschend kommt autonomiesuisse eine hohe Ehre zuteil: Die Jungfreisinnigen Kanton Zürich (JFZH) verleihen ihr den 22. Liberal Award. «Seit der Gründung im Juni 2020 durch Dr. Hans-Jörg Bertschi, Dr. Hans-Peter Zehnder und Prof. Dr. Martin Janssen setzt sich autonomiesuisse für die Wahrung einer autonomen und souveränen Schweiz ein», schreibt die JFZH. Die Jungpolitiker loben, dass autonomiesuisse gleich «sieben Gründe für ein besseres Rahmenabkommen» aufgeführt hatte – nicht nur jene, welche die allermeisten Parlamentarier im Hinterkopf hatten. Das Rahmenabkommen habe ein Konstrukt dargestellt, welches vielen Liberalen «ein Dorn im Auge» gewesen sei. Der Liberal Award wird autonomiesuisse am 25. November 2021 im Zunfthaus zur Saffran überreicht – in Form einer Bronzestatue des Zürcher Künstlers Max Zuber. Die Preisverleihung beginnt um 18:30 Uhr, die Teilnahme ist öffentlich und kostenlos. autonomiesuisse sieht sich durch die Auszeichnung in ihrem Engagement für eine weltoffene, freie und erfolgreiche Schweiz bestätigt. So macht sie sich jetzt dafür stark, dass die Schweiz ihre internen Rahmenbedingungen verbessert und Freihandelsabkommen mit weiteren Handelspartnern anstrebt. In einem neuen Positionspapier definiert autonomiesuisse acht Handlungsfelder, auf welchen die Schweiz aktiv werden sollte, um ihr Erfolgsmodell in die Zukunft zu führen. Sie finden die Punkte einfach erklärt auf der Website.

05. Oktober 2021

Forschung: weltweiter Austausch schlägt EU-Bürokratie

Während die Schweiz die EU mit der Zahlung der Kohäsionsmilliarde besänftigen will, verfolgt diese ihre Politik der Nadelstiche unbeeindruckt weiter. Zum Beispiel schmerzt es die Schweizer Hochschulen, dass die EU sie bei ihrem Forschungsprogramm «Horizon Europe» in den Status eines «nicht assoziierten Drittlandes» versetzt – im Gegensatz zu assoziierten Drittländern wie etwa Armenien, Georgien und Tunesien. Prof. Dr. Martin Janssen, Co-Präsident von autonomiesuisse und CEO der Ecofin-Gruppe, analysiert die Situation im «Schweizer Monat» und gibt sich gelassener als Swissuniversities: «Als Forscher möchte man nichts zu tun haben mit der Bürokratie, die in der EU immer grösser wird und die Forschung eher behindert. Man möchte die Möglichkeit haben, ein Beziehungsnetz mit den besten Forschern weltweit aufzubauen …» Die Forschung lebe vom Austausch mit den besten Köpfen der Welt. Die Schweiz müsse sich nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Forschung differenzieren und spezialisieren. Als Top-Forschungsplatz solle sie gezielt die Karte des weltweiten Austausches spielen. Sie könne auch zu «Horizon Europe» zurückkommen. Dafür brauche es aber eine klare Zusage der EU, «von Spielchen und Druckversuchen auf dem Buckel der Forscher» Abstand zu nehmen.

28. September 2021

EU-Abgeordneter: «Wir schiessen ein Eigentor»

Nach dem Aus zum Rahmenabkommen lässt die EU die Schweiz nicht an ihrem Forschungsprogramm «Horizon Europe» teilnehmen. Lukas Mandl, Berichterstatter zur Schweiz im EU-Parlament, hält dies für «völlig falsch», wie er dem «Tages-Anzeiger» sagt: «Es ist ein Eigentor für die EU. Die Schweiz ist bei der Forschung globale Spitze. Es wäre wichtig, die Schweiz als Leuchtturm dabeizuhaben.» Europa riskiere ohnehin, den Anschluss an die Spitzenforschung zu verlieren und zu einem Kontinent des Konsums zu werden. Er betrachte kritisch, wie Brüssel sich «im Klein-Klein verliert und die Schweiz blockiert». Allerdings bleibt Mandl zuversichtlich: «Die Einsicht wächst auch in Brüssel, dass es nicht klug war, die Schweiz bei Horizon auszusperren.»

20. September 2021

Bundesrat Ignazio Cassis und economiesuisse kritisieren EU

Am «Tag der Wirtschaft» gibt der Dachverband economiesuisse jeweils seine Positionen bekannt. Seinen ersten Auftritt in diesem Rahmen hat der economiesuisse-Präsident Christoph Mäder dazu genutzt, für eine «liberale und nachhaltige Marktwirtschaft» zu plädieren. Überraschender waren allerdings die Worte des Juristen über die Beziehung der Schweiz zur EU. Er kritisierte die «inakzeptablen und rechtswidrigen Massnahmen der EU», die Schweiz zu «bestrafen» und schlechter als die Türkei oder die Ukraine zu behandeln, wie die Journalisten Markus Somm und Dominik Feusi im «Nebelspalter»-Podcast «Bern einfach» diskutierten. Auch Bundesrat Ignazio Cassis hatte an dem Anlass einen Auftritt. Er forderte die EU-Kommission auf, die Verträge mit der Schweiz einzuhalten. Er habe sich für das Rahmenabkommen starkgemacht. «Aber ich musste einsehen, dass die Anbindung zu gross, die Schnittmenge zu klein und der Preis zu hoch ist», zitiert ihn der «Nebelspalter». Die Verknüpfung des Rahmenabkommens mit anderen Fragen wie der Forschung sei «sachfremd und kontraproduktiv». Er höre oft, die Schweiz sei eine «Rosinenpickerin». Doch angesichts eines Handelsbilanzdefizits von 25 Milliarden Franken sei dies falsch. Allerdings, so räumte Cassis ein, habe die Schweiz in den Verhandlungen auch Fehler begangen, was wohl an die Adresse seiner Vorgänger Didier Burkhalter und dessen Staatssekretär Yves Rossier gerichtet war. Die Schweiz müsse selbstbewusst sagen, was sie wolle. Die EU müsse sich aber auch die Frage gefallen lassen, wie sie denn ein geopolitisch starkes Europa erreichen wolle, wenn sie nicht in der Lage sei, mit ähnlich denkenden Staaten zusammenzuarbeiten.

15. September 2021

Medtech-Branche gibt Entwarnung

Seit Ende Mai anerkennt die EU die schweizerische Gesetzgebung bei den Medizinprodukten nicht mehr als gleichwertig an – dies entgegen aller Vereinbarungen. Darum warnte die «NZZ», die Branche bekomme die Ablehnung des Rahmenabkommens «unmittelbar zu spüren». Es drohe eine Verlagerung der Arbeitsplätze in die EU. Im «Nebelspalter» kontert nun Alberto Siccardi, Präsident von Medacta, einem Hersteller von Knie- und Hüftgelenken mit 1200 Mitarbeitern. «Das Rahmenabkommen hätte mittel- bis langfristig dazu geführt, dass die Rahmenbedingungen hier in der Schweiz schlechter geworden wären.» Gemäss Branchenverband Swiss Medtech sind nur ein Zehntel der Produkte noch nicht in der EU zertifiziert. SQS, die einzige übrig gebliebene Zertifizierungsstelle in der Schweiz mit kleinen und mittelgrossen Kunden, liess verlauten, es gebe keine Meldungen, dass Produkte an der Grenze festgehalten würden. SQS beabsichtigt, eine Tochtergesellschaft in Konstanz zu gründen, um Zertifikate im Medtech-Bereich ausstellen zu können. Medacta hat ihrerseits vor zwei Jahren entschieden, die Produkte direkt nach der neuen Regulierung in der EU zertifizieren zu lassen. Der Konzern arbeitet mit Zertifizierungsstellen in der EU. Deshalb braucht er neu bloss einen Repräsentanten in der EU. Hierzu finden sich zahlreiche Anbieter. Egal, für welchen Markt: Mit einer Zertifizierung sind stets Kosten verbunden, die es unternehmerisch zu kalkulieren gilt.

18. August 2021

Neue Analyse: Das sind die wahren Gründe für den Schlussstrich

Seit der Bundesrat entschieden hat, das Rahmenabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen, lassen EU-Vertreter keine Gelegenheit aus, Druck auf die Schweiz aufzusetzen. autonomiesuisse hält es darum für wichtig, keine überstürzten Handlungen vorzunehmen, sondern sich die Gründe für die Ablehnung des Abkommens nüchtern zu vergegenwärtigen. Zu diesem Zweck hat Dr. iur. Richard Wengle, Mitglied bei autonomiesuisse, eine neue Analyse in leicht verständlicher Form verfasst. Diese zeigt, dass die viel diskutierten Streitpunkte wie der Lohnschutz, die Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) und der Europäische Gerichtshof nur die Spitze des Eisberges darstellten. Die Kernprobleme des Abkommens lagen in dessen einseitiger Ausgestaltung zugunsten der EU, in den Risiken der «dynamischen» Rechtsübernahme sowie in der Rechtsunsicherheit, die sich aus den vielen Lücken im Abkommen ergab. Zudem glichen die Folgen der EU-Beihilferegeln der «Büchse der Pandora». Die Analyse legt schonungslos offen, dass die Einschränkungen der Demokratie weit über das politisch und öffentlich diskutierte Mass hinausgegangen wären. Um die Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, hat autonomiesuisse eine Medienmitteilung herausgegeben. Die gesamte Studie ist ab sofort kostenlos verfügbar auf: www.dokustelle-rahmenabkommen.ch

26. Juli 2021

Medtech-Branche dreht den Spiess um: EU-Massnahmen sind nicht zulässig

Kaum hatte der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU platzen lassen, schlug die EU zurück. Noch am gleichen Tag verfügte sie, dass die Schweizer Zertifizierung für Medizintechnikprodukte nicht mehr als gültig erachtet würde. In der Schweiz sind rund 350 Firmen in der Medtech-Branche tätig. Davon litten bisher 54 Firmen unter der Praxisänderung der EU. Sie müssen sich nun neu zertifizieren, um den Export in die EU auch in Zukunft sicherzustellen. Statt zu jammern hat die Medtech-Branche das Heft nun selbst in die Hand genommen, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Demnach gab Medtech Europe in Absprache mit dem Schweizer Branchenverband Swiss Medtech ein Gutachten bei der internationalen Anwaltskanzlei Sidley Austin in Auftrag. Und siehe da: Das Vorgehen der EU verstösst gleich dreifach gegen geltendes Recht – gegen EU-Recht, gegen WTO-Recht und gegen das spezifische Abkommen über technische Handelshemmnisse (MRA) im Medtech-Bereich. Ausserdem hat die EU das MRA gar nie gekündigt. Die Rechtsspezialisten empfehlen darum, rechtliche Schritte gegen die EU-Massnahmen zu ergreifen. Der Bundesrat hätte Möglichkeiten, um gegen das fragwürdige Vorgehen der EU einzuschreiten, sagte Daniel Delfosse von Swiss Medtech gemäss dem Medienbericht. Es gehe der Branche aber auch darum, dass man den Entscheid der EU nicht einfach so hinnehme – etwa mit Blick auf zukünftige Entscheide gegenüber anderen Wirtschaftszweigen. Laut Delfosse hat das Gutachten schon Wirkung gezeigt: «Die EU-Kommission hat ihre Mitgliedsstaaten angewiesen, Schweizer Produkte nicht mehr am Zoll zurückzubehalten.»

13. Juli 2021

Weltoffen oder europhil – das ist die eigentliche Frage

Nach dem Aus des Rahmenabkommens ist vor der nächsten politischen Diskussion. Die EU will mit ihrem Boykott des Abkommens über die technischen Handelshemmnisse den Druck auf die Schweiz aufrechterhalten, schreibt Dominik Feusi im «Nebelspalter». Die EU-Befürworter nutzen dies für ihre Propagandamühle. Dabei bringt «jede noch so geringe Verbesserung der Rahmenbedingungen im Inland» der Schweizer Wirtschaft – vor allem auch KMU – mehr als alles, was die EU je in Aussicht gestellt hat. Der EU-Botschafter Petros Mavromichalis hat es auf den Punkt gebracht: Die Schweiz kann nur zwischen einem EU-Beitritt, einem EWR-Beitritt und grundsätzlich gleichen Rahmenabkommen wählen. Alternativ bliebe lediglich der Freihandel. Denn der bilaterale Weg ist für die EU zu Ende, wie Feusi feststellt: Entweder die Schweiz «konzentriert sich auf den Binnenmarkt der EU oder bleibt weltoffen». Das würde bedeuten, dass es sinnvoller sein könnte, die heimischen Rahmenbedingungen global wettbewerbsfähig zu trimmen, statt einseitig auf den Absatz in der EU auszurichten. Dann müssten wir aber nicht, wie der Bundesrat es vorschlägt, «EU-Regeln auf Vorrat übernehmen, um möglichst gleich schlechte Rahmenbedingungen wie in der EU zu haben, sondern bewusst weniger und besser regulieren, um weltweit konkurrenzfähig zu bleiben».

23. Juni 2021

Rahmenabkommen wäre an der Urne chancenlos

Der Bundesrat hat das Rahmenabkommen mit der EU ohne Volksabstimmung eingefädelt – und auch wieder versenkt. Eine Umfrage des Markt- und Sozialforschungsinstituts Link bei 1386 Personen hat nun ergeben, dass ein Grossteil der Schweizerinnen und Schweizer hinter dem Bundesratsentscheid steht. Das vorliegende Rahmenabkommen war nicht mehrheitsfähig, wie der «Blick» berichtet. Knapp die Hälfte der Befragten (49 Prozent) begrüsst es, dass die Landesregierung die Verhandlungen mit Brüssel abgebrochen hat. Nur 33 Prozent bedauern es. Bei einer Volksabstimmung hätten lediglich 26 Prozent dem Abkommen zugestimmt. 43 Prozent hätten Nein gesagt. Auffällig ist, dass rund jede dritte Person keine Antwort wusste. Laut Studien-Mitautor Georg Lutz, Politikprofessor der Universität Lausanne, ist dies ein Zeichen, dass sich die Bevölkerung beim komplexen Thema unsicher ist. Die deutlichen Resultate überraschen, zumal eine Umfrage des Forschungsinstituts GFS Bern ausgab, dass sich 64 Prozent für den Vertrag aussprechen würden. Woher kommt der frappante Unterschied? Damals formulierte das Forschungsinstitut, ganz im Sinn des Auftraggebers Interpharma, schwammige Suggestivfragen, die positive Aspekte des Rahmenabkommens explizit aufführten, die Aspekte, welche der Bundesrat bemängelte, aber verschwieg.

03. Juni 2021

Prof. Dr. Giorgio Behr: «Reculer pour mieux sauter»

Das Rahmenabkommen mit der EU ist vom Tisch. Entstehen dadurch auch Chancen für die Schweizer Wirtschaft? Diese Frage hat ein Zuhörer der Sendung «Forum» auf Radio DRS 1 am 3. Juni live aufgeworfen. Studiogast Prof. Dr. Giorgio Behr, Verwaltungsratspräsident der Behr Bircher Cellpack BBC, Präsident der Industrievereinigung Schaffhausen und Co-Präsident von autonomiesuisse, bejahte sie: «Wichtiger als ein Rahmenvertrag mit der EU sind die Rahmenbedingungen der Schweiz. Wir haben jetzt die Gelegenheit, die Ausgangslage sauber zu analysieren und zukunftsweisende Lösungen für die Zusammenarbeit mit der EU wie mit anderen Wirtschaftsräumen zu finden.» Es sei wie im Sport: Man müsse sich vorbereiten, damit der Sprung gelinge – «reculer pour mieux sauter». Darüber hinaus räumte Behr mit Missverständnissen auf. So betreffe etwa die neue Verordnung zu Medizinalprodukten der EU (MDR) nicht nur Schweizer Unternehmen, sondern ebenso Unternehmen aus der EU. Darüber hinaus würden die Voraussetzungen für Zulassungen in einem Markt vielerorts gar nicht vom Staat definiert, sondern von Normengremien aus Branchenvertretern. Behrs Gesprächspartnerin Kathrin Amacker, Präsidentin Regio Basiliensis und Mitglied von progresuisse, räumte ein, dass es «positiv wäre, wenn es mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Schweiz gäbe». In 60 Prozent der Fälle würde heute die Schweiz einfach EU-Recht übernehmen.

26. Mai 2021

Schlussstrich unters Rahmenabkommen eröffnet neue Perspektiven

autonomiesusisse begrüsst den Entscheid des Bundesrats, die Gespräche mit der EU in Sachen Rahmenabkommen abzubrechen. Das einseitig ausgerichtete Rahmenabkommen hätte gegen Grundsätze der Aufrichtigkeit und Fairness verstossen, argumentiert autonomiesuisse in einer Medienmitteilung. Der Schlussstrich des Bundesrats bedeutet zunächst Schadensbegrenzung – aber nicht nur: Er eröffnet auch die Chance, die Rahmenbedingungen für die Schweizer Wirtschaft weiter zu verbessern und die Beziehung zur EU wieder auf Augenhöhe zu bringen. Aus Sicht von autonomiesuisse ist die Souveränität der Schweiz unabdingbar, wenn man den Wohlstand für alle Bewohnerinnen und Bewohner sichern und ausbauen will. Erstrebenswert ist es, mit allen starken Handelspartnern – etwa EU, USA, China – faire Verträge abzuschliessen, die zu einer «Win-win»-Situation führen. Demgegenüber bedeutete es einen strategischen Fehler, sich einem dieser Partner auf Gedeih und Verderben auszuliefern. autonomiesuisse ist bereit, den Standpunkt der mittelgrossen Unternehmungen, welche die meisten Arbeitsplätze in der Schweiz unterhalten, in die europapolitische Diskussion einzubringen.

10. Mai 2021

The Somm Podcast mit Hans-Jörg Bertschi: «Angstmacherei ist fernab der Realität»

Wer würde einen Vertrag unterschreiben, der den Mietvertrag, den Arbeitsvertrag, den Hypothekarvertrag und weitere Verträge miteinander verbindet? Wohl kaum jemand – sagt Dr. Hans-Jörg Bertschi, Verwaltungsratspräsident der Bertschi Group und Co-Präsident von autonomiesuisse, im «The Somm Podcast» zu «Nebelspalter»-Chefredaktor Markus Somm. Genau um eine solche Verknüpfung von Verträgen unter einer Guillotine-Klausel handelt es sich beim Rahmenabkommen mit der EU. «Als Unternehmer habe ich noch nie einen so einseitigen Vertrag gesehen», stellt Bertschi klar. Er liste fast ausschliesslich die Pflichten der Schweiz und die Rechte der EU auf. «Das Rahmenabkommen ist uns so dargestellt worden, als ob es nur einen Rahmen um die bilateralen Verträge darstellen würde. Dabei stellt es unser Verhältnis zur EU auf den Kopf», betont Bertschi. Es bedeute nämlich eine Teilintegration in die EU – und somit einen Autonomieverlust. Wie steht es um das Argument der Befürworter, die bilateralen Verträge könnten ohne Rahmenabkommen «erodieren»? Bertschi hält das für «Angstmacherei, die weit weg von der Realität ist». Die bilateralen Verträge lägen im ureigenen Interesse der EU. Zudem verfüge die Schweiz auch über ein Freihandelsabkommen. In den letzten zwanzig Jahren seien die Exporte nach Deutschland gestiegen, allerdings jene in die USA noch wesentlich stärker – dabei verfüge die Schweiz dort überhaupt kein Abkommen.

02. Mai 2021

Europafrage: Establishment gegen Rückgrat der Wirtschaft

Die Schweizer Gesellschaft ist tief gespalten in der Frage, wie sie die Beziehung zur EU gestalten soll – erst recht, seit der heissen Phase der Debatte ums Rahmenabkommen. Tito Tettamanti, Unternehmer, Rechtsanwalt und Ex-CVP-Staatsrat aus dem Tessin, analysiert die Bewegungen Progresuisse, Kompass/Europa und autonomiesuisse im «Corriere del Ticino» und resümiert: «Auf der einen Seite steht ein einflussreicher Teil des nationalen Establishments, auf der anderen Seite die produzierende Schweiz, also wichtige Teile des kleinen und mittleren Unternehmertums, welches das Rückgrat unserer Wirtschaft bildet …» Anhand eines historischen Rückblicks erklärt Tettamanti, warum die schweizerische Europapolitik auch eine Politik der Missverständnisse war. Den jüngsten Auftritt von Bundespräsident Guy Parmelin stuft er als «Akt der politischen Intelligenz» ein. Ein gefährlicher Fehltritt sei allerdings, dass einige Schweizer Parlamentarier den Bundesrat zwingen möchten, zu Verhandlungen zurückzukehren. Das vergrössere die Kluft im Land – und schwäche die Position der Schweiz gegenüber der EU.

29. April 2021

Rechtlich ist der Frexit schon Realität

Während die Schweiz mit dem Rahmenabkommen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) das letzte Wort überlassen würde, lehnt der oberste französische Verwaltungsgerichtshof genau dies unmissverständlich ab. Gemäss «Nebelspalter» betont der Conseil d’Etat, dass die französische Verfassung über dem EU-Recht und dem EuGH steht. Das entsprechende Urteil, in dem es um die Aufbewahrung von Verbindungsdaten ins Internet ging, «ist für Juristen, die an supranationale Rechtssprechung glauben, ein Skandal», schreibt der «Nebelspalter». Denn damit stellt sich Frankreich in eine lange Reihe zahlreicher EU-Mitglieder, die sich mit dem EuGH schwertun. Selbst Deutschland gehört dazu, wenn es um die eigenen Interessen geht: Vor einem Jahr bezeichnete das deutsche Bundesverfassungsgericht ein Urteil des EuGH zum Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank als «willkürlich» und damit nicht bindend. Paul Cassia, Rechtsprofessor der Universität Panthéon-Sorbonne kommentiert, dies sei nicht der erste Entscheid, der sich gegen europäisches Recht wende, doch er bedeute einen rechtlichen «Frexit». Der Conseil d’Etat habe «offen beschlossen, das Recht der Europäischen Union zu missachten».

26. April 2021

EU spielt mit gezinkten Karten

Am Freitag, 23. April 2021, machte Bundespräsident Guy Parmelin klar, dass die Differenzen beim Rahmenabkommen zwischen der EU und der Schweiz zu gross seien. Doch welche Ziele verfolgte der Bundesrat bei den Verhandlungen überhaupt? Darüber hatte er stets eine Geheimniskrämerei betrieben und immerzu wiederholt, dass es nur um den Lohnschutz, die EU-Unionsbürgerrichtlinie und staatliche Beihilfen gehe. Derweil kritisierten Medienberichte, die Schweiz habe der EU-Kommission nie Vorschläge unterbreitet. Mittlerweile lässt sich das als «Fake News» aus Brüssel taxieren, denn der «Tages-Anzeiger» legt die Forderungen des Bundesrats offen. Demnach hat die Schweiz diese mündlich wie schriftlich kommuniziert. Bezüglich staatlicher Beihilfen schien sich eine Einigung zwischen Bern und Brüssel abzuzeichnen. Aber die EU wollte nur «unter der Voraussetzung, dass die beiden anderen Punkte vorab geregelt werden können» Konzessionen machen. Im Klartext – die EU gab sich kompromisslos: Die Schweiz sollte auf den Lohnschutz verzichten und die Unionsbürgerrichtlinie akzeptieren. Bei letzter klafften die Auffassungen am stärksten auseinander. Die Schweiz ist der Meinung, dass sich die Personenfreizügigkeit auf Arbeitnehmende und ihre Familien beschränkt. Die EU will jedoch ihr Konzept der Unionsbürgerschaft durchsetzen: Damit hätten alle EU-Staatsangehörigen Anspruch auf Daueraufenthalt in der Schweiz inklusive Sozialhilfe – auch, wenn sie hier niemals erwerbstätig waren. Trotz weit auseinanderliegenden Positionen appelliert die aussenpolitische Kommission des Nationalrats an den Bundesrat, die Gespräche mit Brüssel fortzusetzen. Das führt autonomiesuisse zu folgender Feststellung: Anscheinend nehmen nicht einmal mehr EU-begeisterte Politikerkreise die EU beim Wort. Denn die EU behauptete schon vor zwei Jahren, dass weitere Verhandlungen übers Rahmenabkommen nicht mehr möglich seien.

21. April 2021

Erster Branchenverband lehnt Rahmenabkommen ab

Als erster Branchenverband lehnt Swissmechanic das vorliegende Rahmenabkommen mit der EU offiziell ab. Der Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallbranche (MEM-Industrie) repräsentiert 1400 Mittel- und Kleinbetriebe mit rund 70'000 Mitarbeitenden. Das «Outing» von Swissmechanic zeigt: Breite Kreise der Schweizer Wirtschaft gewichten die langfristige internationale Wettbewerbsfähigkeit höher als ein kurzfristiges Punkten bei einigen administrativen Abläufen in der EU. Laut der Medienmitteilung von Swissmechanic dreht sich die aktuelle Diskussion um das Rahmenabkommen um Nebenschauplätze, während das Kernproblem vergessen geht: das Ende der Schweizer Souveränität und der damit verbundene Machttransfer an Brüssel. autonomiesuisse begrüsst die klare Positionierung von Swissmechanic. Weil dem Branchenverband eine «First Mover»-Rolle zukommen dürfte, hat autonomiesuisse in einer eigenen Medienmitteilung eine Lagebeurteilung vorgenommen. Demnach ist zu erwarten, dass sich weitere Stimmen aus der Wirtschaft ermutigt fühlen, sich ebenfalls zu einem weltoffenen, erfolgreichen und unabhängigen Wirtschaftsplatz Schweiz zu bekennen. Denn während sich die Wirtschaftskomitees autonomiesuisse und Kompass/Europa gegen den Rahmenvertrag engagieren, finden sich kaum bedeutende Wirtschaftsvertreter, die sich dafür starkmachen würden.

12. April 2021

Der Plan B von autonomiesuisse

Die Gegner des Rahmenabkommens hätten keine Ideen, welche Alternative die Schweiz der EU anbieten könne – so lautet ein Vorwurf, den Befürworter oft anführen. Zunächst ist aus Sicht von autonomiesuisse anzufügen, dass viele Handelspartner ausserhalb der EU gerade die Unabhängigkeit der Schweiz schätzen. Sie können kaum nachvollziehen, warum die Schweiz so viel Energie hineinsteckt, sich der eher schwerfälligen EU anzugleichen. Dennoch hat autonomiesuisse nun einen Vorschlag in einer Medienmitteilung auf den Tisch gebracht, den Dominik Feusi im «Nebelspalter» einordnet: Erfolgsversprechender als eine rechtliche und politische Anbindung an die EU wäre demnach ein umfassendes Freihandelsabkommen. Dieses könnte auch Forschung, Bildung, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Dienstleistungen umfassen. Mit Kanada hat die EU ein solches Abkommen abgeschlossen. Die Vorschläge entsprechen einem Papier des Berner Think Tanks «Forum für Demokratie und Menschenrechte» für ein «FreihandelsabkommenPlus», wie der «Nebelspalter» erklärt. Daran haben auch Exponenten von autonomiesuisse mitgewirkt. Das Kanada-Abkommen gewährleistet wie die bilateralen Verträge die gegenseitige Anerkennung von technischen Normen und Prüfstellen sowie den Zugang zum öffentlichen Beschaffungswesen. Im Unterschied zum Rahmenabkommen wären die automatische Rechtsübernahme, ein Streitbeilegungsmechanismus mit dem europäischen Gerichtshof als entscheidende Instanz und Guillotine-Klauseln nicht enthalten. «Zusätzlich gibt es im Kanada-Abkommen Bestimmungen über den Arbeitnehmerschutz und den Schutz der Umwelt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Schweiz mit dem Vereinigten Königreich, seit es aus der EU ausgetreten ist», erläutert der «Nebelspalter». Dort hat die Schweiz bereits mit sieben Abkommen dafür gesorgt, dass sich die bilateralen Beziehungen nicht verschlechtern. Weitere Verhandlungen sind geplant oder im Gange. autonomiesuisse sieht in einem solchen transparenten Abkommen auf Augenhöhe die Chance, das Erfolgsmodell Schweiz in die Zukunft zu führen. Denn die politische Eigenständigkeit der Schweiz, die direktdemokratischen Prozesse sowie der Föderalismus könnten – nebst einer eingespielten Partnerschaft zur EU – weitergepflegt werden. Damit blieben die Voraussetzungen intakt, nicht gleiche, sondern bessere wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu bieten als die EU.

09. April 2021

autonomiesuisse an Bundesrat: Bitte keine voreiligen Versprechen!

Nach dem Motto «Wie sag ichs meinem Kinde?» will der Bundesrat nächste Woche darüber diskutieren, wie Bundespräsident Guy Parmelin und Bundesrat Ignazio Cassis mit der EU-Kommission am 23. April über das Rahmenabkommen mit der EU verhandeln sollen. Neue Argumente für das Abkommen fehlen. Umso mehr mobilisieren die Befürworter des Rahmenabkommens derzeit alle Kräfte, um in der Öffentlichkeit die Bedeutung des Rahmenabkommens und der EU schönzureden. autonomiesuisse gibt darum eine Medienmitteilung mit einem Appell an den Bundesrat heraus. Wichtig ist, sich an den Fakten zu orientieren: Das erzielte Verhandlungsergebnis bleibt hinter den Anforderungen des Bundesrats zurück. Die von autonomiesuisse aufs Tapet gebrachten Souveränitätsfragen klärt es in keinem wesentlichen Punkt. Derweil hat die EU mit dem Ausstieg Grossbritanniens an Bedeutung verloren. Der Bundesrat muss darum der EU reinen Wein einschenken und ihr mitteilen, dass er das vorliegende Abkommen nicht weiterverfolgen kann. Dabei darf er die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Es gilt, voreilige Zusagen und Versprechen zu vermeiden. Sollte der Bundesrat Brüssel mit einem «Mitbringsel» besänftigen wollen, ist sich zu vergegenwärtigen, dass die EU ohnehin regelmässig einen beachtlichen Handelsbilanzüberschuss mit der Schweiz erzielt. Es braucht einen Neubeginn, den die Schweiz für eine Standortbestimmung nutzen muss.

07. April 2021

Gesucht: Geschenk für Brüssel?

Die Nervosität der Befürworter des Rahmenabkommens mit der EU steigt. Denn am 23. April will Bundespräsident Parmelin, begleitet von Bundesrat Cassis, nach Brüssel reisen. Noch offen ist, ob Nachverhandlungen stattfinden sollen – oder ob es vielmehr darum geht, freundlich mitzuteilen, dass die Schweiz das Rahmenabkommen nicht unterzeichnen will. autonomiesuisse erwartet Letzteres. Eine andere Frage ist laut «Nebelspalter», ob EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überhaupt Zeit für den hohen Besuch aus Bern hat. Festzustehen scheint erst, dass Aussenminister Ignazio Cassis der EU nicht mit leeren Händen gegenübertreten möchte. Im Raum steht «der EU die Kohäsionsmilliarde anzubieten, und zwar nicht nur einmalig, sondern diese immer wieder zu bezahlen, sie also zu verstetigen», schreibt der «Nebelspalter». Aus unternehmerischer Sicht stellt autonomiesuisse fest: Wenn sich ein Land den gegenseitigen Marktzutritt erkaufen muss, kann nicht mehr die Rede von «Freihandel» sein. Als sich der Bundesrat in Verhandlungen um den Rahmenvertrag begab, machte er Brüssel Zusagen, die in einer Volksabstimmung eine Abfuhr erhalten würden. Solche Fehler gilt es jetzt zu vermeiden.autonomiesuisse appelliert an den Bundesrat, keine Unterschrift unter ein Rahmenabkommen zu setzen, die das Ende des Erfolgsmodells Schweiz und des bilateralen Wegs darstellen würde. Als Stimme des Unternehmertums ist autonomiesuisse bereit, einen aktiven Beitrag bei der Neuausrichtung der Europapolitik zu leisten. Dazu hat autonomiesuisse die Arbeit in acht thematischen Arbeitsgruppen aufgenommen, auch in Abstimmung mit Kompass Europa. Dabei wird jede der beiden Bewegungen die Ergebnisse eigenständig bewerten und in die politische Diskussion einbringen. Die Schweiz kann ihren wirtschaftlichen Vorsprung nur erhalten, wenn sie den Willen zu einer gewissen Autonomie aufbringt und sich auf dem internationalen Parkett klar und souverän positioniert.

27. März 2021

Prof. Dr. Giorgio Behr zerlegt Argumente der Befürworter

«Alle reden von Nachteilen, falls man den Vertrag ablehnt. Aber niemand kann mir genau sagen, um welche Nachteile es geht», sagt Prof. Dr. Giorgio Behr, Verwaltungsratspräsident der BBC Group und Co-Präsident von autonomiesuisse den «Schaffhauser Nachrichten». Im Interview zeigt Behr, dass die Argumente der Befürworter des Rahmenabkommens einem «Faktencheck» meist nicht standhalten. So gelte beispielsweise die Verordnung über Medizinalprodukte der EU (MDR) gar nicht für Schweizer Zulieferer, sondern nur für «Inverkehrbringer», welche Produkte in der EU vertreiben. Der Initialaufwand dafür sei zwar gross, doch er treffe ebenso alle EU-Unternehmen. Obendrein seien die betroffenen Unternehmen meist ohnehin mit einer Tochterfirma in der EU präsent. Behr weist ausserdem auf die Präambel des Rahmenabkommens hin. Darin nennt die EU die «Reduktion der wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten zwischen ihren Regionen» als Ziel. «Die Disparitäten auch zur Schweiz zu reduzieren, werden Arbeitnehmer kaum nebensächlich finden – Stichwort: sinkende Löhne», meint Behr: «Die Unionsbürgerrichtlinie wäre da noch das ‹Pünktli ufem i›.» Er hält es darum für besser, die Verhandlungen auszusetzen und später einen neuen Anlauf zu nehmen.

27. März 2021

Rahmenabkommen steht vor dem Aus: drei Lehren

Bundesrat Ignazio Cassis dürfte demnächst das Gespräch übers Rahmenabkommen mit der EU auf höchster Stufe suchen, schreibt Exdiplomat Paul Widmer in der «NZZ am Sonntag». Viel erwartet er nicht davon. Zu gross seien die Differenzen. Danach würde Cassis dem Gesamtbundesrat wohl vorschlagen, den Resetknopf zu drücken. «Aber man soll die EU nicht zusätzlich mit einer gnadenlosen Debatte im Parlament und einem Volks-Nein demütigen», empfiehlt Widmer: «Eine schonende Formulierung für den Abbruch zu finden, das ist jetzt die dringlichste Aufgabe der Diplomatie.» Nach glücklosen Verhandlungen mit der EU formuliert er drei Imperative: «Hände weg von jedem Vertrag, der die unselige Guillotine-Klausel ausbaut! Keine dynamische Rechtsübernahme ohne praktikable Schutzklausel! Und kein Vertrag, der dem Europäischen Gerichtshof das entscheidende Wort gibt!» Schliesslich stellt Widmer klar, dass alle bilateralen Abkommen weiterlaufen. Auch an neuen Verträgen dürfte die EU interessiert sein. Allerdings sinke deren Bedeutung aus Schweizer Sicht. Früher war Deutschland der wichtigste Absatzmarkt, nun lieferte es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den USA. Und die Exporte nach China überstiegen letztes Jahr erstmals jene nach Italien und Frankreich. Mittelfristig sollte die Schweiz laut Widmer auch Modelle wie ein Freihandelsabkommen à la Kanada prüfen. Und langfristig nicht vergessen, dass es im Verhältnis zur EU nicht nur um die Wirtschaft geht, sondern auch «um ein eigenständiges Staatswesen».

19. März 2021

Alle roten Linien sind überschritten

Am ersten Morgen seines Erscheinens analysiert der aufgefrischte «Nebelspalter», der «Sachlichkeit und Humor» unter Leitung von Markus Somm vereinen will, ein Trauerspiel, das im Juni 2013 seinen Anfang nahm. Nach ersten Gesprächen mit Brüssel definierte der Bundesrat damals seine «roten Linien» für die Verhandlungen übers Rahmenabkommen mit der EU. Unter anderem sollte die Schweiz nicht automatisch EU-Recht übernehmen, keine neue Überwachungsbehörde akzeptieren und nicht zulassen, dass ein EU-Gericht die Schweiz bei Streitigkeiten verbindlich verurteilen könne. Klar war überdies, dass an den flankierenden Massnahmen nicht zu rütteln sei und die Unionsbürgerschaft ein «rotes Tuch» darstellte. Auch die Parteien definierten strikte Spielregeln. Wie sieht die Bilanz acht Jahre später aus? «Ernüchternd», resümiert Dominik Feusi im «Nebelspalter». Die markierten Grenzen wurden allesamt überschritten. autonomiesuisse setzt sich für eine Win-win-Beziehung mit der EU ein, bei der keine Indikatoren im «roten Bereich» ausschlagen – und empfiehlt eine Investition in fundierten Journalismus, sprich: in ein «Nebelspalter»-Abo.

10. März 2021

Impfstoff-Zoff: «Unglaublich enttäuscht» von EU

Nach Querelen um Covid-19-Impfstoffe innerhalb der EU und mit Grossbritannien geht jetzt Australien hart ins Gericht mit Brüssel. Handelsminister Dan Tehan beschwerte sich über den «Impfprotektionismus» seitens der EU, wie der «Blick» berichtet. Er sei «unglaublich enttäuscht» über die Entscheidung Italiens, die Ausfuhr von 250'000 Dosen des Vakzins von AstraZeneca für Australien zu blockieren. Er befürchte, die EU könne auch künftige Lieferungen zurückhalten. Damit dürfte er richtig liegen, denn Frankreichs Europa-Staatssekretär Clément Beaune begrüsst die Massnahme: «Sie zeigt, dass wir als Europäer fähig sind, nicht naiv zu sein und unsere Interessen zu verteidigen.» Aus unternehmerischer Sicht fragt sich autonomiesuisse allerdings, was hehre Verlautbarungen seitens der EU gegenüber Drittstaaten wert sind, wenn schon beim Anflug einer Krise grundlegende Prinzipien des fairen Handels leichtfertig über Bord geworfen werden. Umso mehr gilt: Es prüfe, wer sich mit einem solchen Partner bindet.

06. März 2021

EU-Rechtsexperte gegen Rahmenvertrag

Kaum einer hat sich so intensiv mit dem Rahmenabkommen Schweiz-EU befasst wie «Carl der Grosse» (Originalton «NZZ»). Prof. Dr. Dr. Carl Baudenbacher, langjähriger Präsident des EFTA-Gerichtshofs in Luxemburg, kennt das EU-Recht wie kaum ein Zweiter. In seinem Buch «Das Schweizer EU-Komplott» beschreibt er die Motivation der helvetischen «Clique von Beamten im Aussendepartement, Politikern, Verbandsfunktionären, Medienleuten und Professoren». Deren Wunsch: «Die Schweiz möge der Europäischen Union beitreten.» Laut einem Interview mit dem «Blick» hält Baudenbacher das Rahmenabkommen für «falsch aufgegleist». Der Europäische Gerichtshof, das Gericht der Gegenpartei, hätte bei Streitfällen zwischen der Schweiz und Brüssel das letzte Wort. «Das widerspricht dem Völkerrecht», meint Baudenbacher. Dieses Schiedsgerichtsmodell sei für die Ukraine, Moldawien und Georgien entworfen worden. Was schlägt Baudenbacher vor? «Übung abbrechen. Wenn der Bundesrat das Abkommen unterschreibt und anschliessend geht die Volksabstimmung bachab, erleben wir den Worst Case.» Besser wäre es, mögliche Szenarien ohne Denkverbote zu analysieren.

05. März 2021

NZZ-Chefredaktor: «Rahmenabkommen ist gescheitert»

Das Rahmenabkommen mit der EU sei ein «totes Pferd», das der Bundesrat nicht weiter reiten solle, empfiehlt NZZ-Chefredaktor Eric Gujer in der «NZZ». Schuld daran sei der Bundesrat, der keine Beurteilung zum Abkommen abgebe. Auch die Parteien SP, FDP und Mitte wollen das Thema umschiffen. «Alle ihre Exponenten haben deshalb die Kunst perfektioniert, über das Abkommen zu reden, ohne etwas zu sagen», konstatiert Gujer. Geschehe nicht «das Wunder von Brüssel» müsse der Bundesrat die Verhandlungen für gescheitert erklären. Während die Schlachtordnung «SVP gegen den Rest» aufgelöst ist, verhält sich die EU gegenüber Drittstaaten zunehmend unnachgiebig: «Powerplay ist ihr inzwischen wichtiger als ergebnisorientierte Diplomatie.» Besonders problematisch ist daher die Superguillotine im Rahmenabkommen. Bei einer Kündigung würden nicht nur die Bilateralen I hinfällig, sondern alle weiteren Abmachungen, inklusive des Freihandelsabkommens. «Darauf könnte man sich einlassen, wenn ein echtes Vertrauensverhältnis bestünde. Selbst Befürworter eines guten Verhältnisses zur EU sind jedoch skeptischer geworden», meint Gujer. Er hält allerdings einen reinen Freihandelsvertrag, wie er den Briten genügt, für die Schweiz für eine «Verarmung, geradezu eine Kastration». Die Kernanliegen des Abkommens müssten erreicht werden, aber auf anderem Weg: «Ein tragfähiger Kompromiss kommt nur zustande, wenn Bern wie Brüssel Abstriche an ihren Maximalforderungen machen.»

27. Februar 2021

Robert Nef: «Weltoffenheit statt Teilintegration»

Robert Nef, Stiftungsratsmitglied des Liberalen Instituts Zürich, wirft in einem Kommentar in der «Finanz und Wirtschaft» grundlegende Fragen auf: «Ist die EU tatsächlich ein zukunftsträchtiges Projekt, oder ist sie nicht vielmehr ein veraltetes Konstrukt aus der Nachkriegszeit (…)?» Binnenmärkte könne man als Vorstufe einer weiteren Öffnung deuten – oder als Relikt aus Handelskriegen. «Einem weltoffenen, weltweit vernetzten Land bietet ein Binnenmarkt, der nach innen privilegiert und nach aussen diskriminiert, keine bleibenden Vorteile», schreibt Nef. Das sei ein feindseliger Ansatz: «Entweder du machst mit, oder wir diskriminieren dich.» Freihandel braucht laut Nef keine komplizierten bilateralen Regulierungen, sondern glaubwürdige Prinzipien –etwa jene der Schweizer Aussenpolitik: Neutralität, Solidarität, Disponibilität und Universalität. Nefs Fazit deckt sich mit jenem von autonomiesuisse: «Kurzfristig mag die Anbindung an einen grösseren Binnenmarkt für Exporteure wirtschaftliche Vorteile und administrative Erleichterungen bringen, langfristig ist eine möglichst grosse Weltoffenheit die bessere Option.»

20. Februar 2021

Die alte Europa-Koalition zerbricht

20 Jahre lang hielten SP, CVP und FDP die Schweiz in sieben Abstimmungen auf bilateralem Europakurs. Doch am Rahmenabkommen zerschellt diese Allianz, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt. Es hänge «wie ein dunkler Schatten» über den Wahlen 2023. Einerseits blitzt in allen drei Parteien auch intern Kritik am Rahmenabkommen auf. Andererseits wird immer wahrscheinlicher, dass Staatssekretärin Livia Leu mit Ergebnissen zum Rahmenabkommen zurückkehrt, die den Bundesrat nicht wirklich überzeugen. Er reicht «die heisse Kartoffel» ans Parlament weiter. Dieses berät das Thema. Im Frühling 2023 kommt das Rahmenabkommen in Form eines obligatorischen Referendums vors Volk – ein halbes Jahr vor den Wahlen. «Ein Scheitern ist vorprogrammiert», analysiert die «Aargauer Zeitung». Dieses Szenario würden die Parteipräsidenten scheuen «wie der Teufel das Weihwasser». Sie verlangen darum, dass der Bundesrat klar Farbe bekennt.

10. Februar 2021

Micheline Calmy-Rey: «Spielraum der Schweiz würde eliminiert»

Im Interview mit der «NZZ» vergleicht alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey den Brexit-Vertrag mit dem Rahmenabkommen. «Die Schweiz ist über die Bilateralen enger mit der EU verflochten als das Vereinigte Königreich mit dem Freihandelsvertrag», konstatiert sie und kritisiert, dass das Rahmenabkommen eine Streitbelegung mit Einbezug des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vorsieht. Dessen Rolle würde das Schiedsgericht entwerten: «Der Brexit-Deal zeigt, dass ein Schiedsgerichtsmechanismus anders aussehen kann, als dies die EU will.» Darüber hinaus moniert Calmy-Rey, dass das Freihandelsabkommen von 1972 dem Rahmenabkommen unterstellt werden soll. Auch mit dem Bundesrat geht die SP-Politikerin hart ins Gericht: «Da können wir von Boris Johnson etwas lernen.» Die drei Punkte auf der bundesrätlichen Agenda (Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie, staatliche Beihilfen) reichten nicht aus. Problematisch bleibe die Souveränitätsfrage. Und auch die Guillotineklausel sei «nicht zu rechtfertigen», betont Calmy-Rey: «Die EU würde damit ein grosses Druckmittel erhalten, und der Spielraum der Schweiz würde letztlich eliminiert.» Wie die ehemalige Aussenministerin fordert autonomiesuisse, dass das Freihandelsabkommen als letzte Verteidigungslinie gegenüber der EU nicht in das Rahmenabkommen integriert werden darf. Ebenso ist eine Ausdehnung der Guillotineklausel zu vermeiden. Und was beim Schiedsgerichtsmechanismus für die Briten möglich ist, müsste es klar auch für die Schweiz sein.

09. Februar 2021

Und plötzlich stehen die EU-Turbos isoliert da

Den Freunden des Rahmenabkommens mit der EU bricht der Boden unter den Füssen weg, kommentiert der «SonntagsBlick» – und nennt dafür zwei Gründe: Erstens schweigt sich der Bundesrat aus, zweitens sind neue «gefährlichere Gegner» auf den Plan getreten. Der SVP-Patron Christoph Blocher sei ein «dankbarer Gegner» für EU-Turbos gewesen. Denn er polarisierte so sehr, dass sich kaum jemand auf seine Seite schlagen wollte. Doch jetzt geben «andere den Ton an», namentlich die Vereinigung Kompass/Europa und die Bewegung autonomiesuisse. Beide Gruppierungen stammen aus der politischen Mitte, rekrutieren sich aus Unternehmerkreisen und gewinnen rasant neue Mitglieder. Für die Verfechter des Abkommens stellt dies einen «Albtraum» dar. «Im Ja-Lager geht gar die Angst um, dass das Abkommen bereits im Bundesrat scheitern könnte», vermutet das Sonntagsblatt. Justizministerin Karin Keller-Sutter «gilt als eminente Kritikerin des Vertrags». autonomiesuisse hat den Eindruck, dass es den letzten Befürwortern des Rahmenabkommens mehr um die eigene Gesichtswahrung geht als um Argumente. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) muss Wege aus der Sackgasse finden, in die es sich manövriert hat.

08. Februar 2021

Richter in Strassburg: «Passt auf, hier gibt es ein Problem»

Der bisherige Schweizer Bundesrichter Andreas Zünd hat die Wahl an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMRK) geschafft. In einem Interview mit «20 Minuten» warnt er vor dem Rahmenabkommen. Kritik übt er vor allem am vorgesehenen Schiedsgericht, das der Rechtsprechung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) unterläge. Grund: «Weil so unsere Schweizer Justiz eine schwächere Stellung als die nationale Justiz der EU-Mitgliedsstaaten innehätte. Unsere Justiz stünde quasi unter der Überwachung eines gemischten Ausschusses von Beamten und Funktionären, wenn es um Unionsrecht geht.» Zünd hält das für «technisch nicht gut gelöst» und fragt sich: «Wollen wir uns binden und Souveränität abtreten?» Als Richter müsse er zurückhaltend sein. Aber er sage: «Passt auf: Hier ist noch ein Problem, das langfristig ins Gewicht fällt.»

07. Februar 2021

Thomas Egger: «Jede geförderte Unternehmensansiedlung müsste durch neue Zentralbehörde geprüft werden»

Das Rahmenabkommen mit der EU sei definitiv «aus dem Rahmen gefallen», kommentiert alt CVP-Nationalrat Thomas Egger, Direktor Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete, im «Walliser Boten». Laut Entwurf des Rahmenabkommens beziehen sich die Regeln für die staatlichen Beihilfen auf das Luftverkehrsabkommen sowie alle zukünftigen Abkommen. Doch in «vorauseilendem Gehorsam» überprüft die Schweiz laut Egger schon jetzt alle Massnahmen zur Förderung der Wasserkraft darauf, ob sie mit den EU-Regeln für staatliche Beihilfen kompatibel seien. Sollte zudem ein Dienstleistungsabkommen hinzukommen, würde dies wohl das Ende der Staatsgarantien für Kantonalbanken und der Mehrheitsbeteiligungen des Bundes an Post, SBB und Swisscom bedeuten, befürchtet Egger. Mit dem Rahmenabkommen müsste die Schweiz eine neue unabhängige Behörde zwecks Prüfung der staatlichen Beihilfen aufbauen. Die Folgen wären weitreichend: Jede geförderte Ansiedlung eines neuen Unternehmens müsste der Behörde gemeldet werden. «Diese entscheidet abschliessend, ob die Förderung zulässig ist oder nicht», schreibt Egger. Dieser Prozess spiegle die Brüsseler Denkhaltung, in der die Macht bei der Verwaltung konzentriert sei. Ehrlicher als eine kosmetische Retusche wäre «ein wirklicher Neustart, bei dem sich die Schweiz und EU auf gleicher Augenhöhe gegenüberstehen».

03. Februar 2021

Grosse Teile der Schweizer Wirtschaft kontern

Die beiden Wirtschaftsdachverbände economiesuisse und Schweizerischer Arbeitgeberverband haben heute an ihrer Medienkonferenz erklärt, dass sie das Rahmenabkommen mit der EU weiterhin unterstützen, wenn es dem Bundesrat gelingt, seine drei Forderungen bezüglich Lohnschutz, Beihilfen und Unionsbürgerrichtlinie in den Verhandlungen durchzusetzen. Grosse Teile der Schweizer Wirtschaft stehen allerdings nicht hinter dieser Position. Allein autonomiesuisse zählt mittlerweile 550 Mitglieder aus Unternehmerkreisen. Hinzu kommt, dass Anfang Jahr auch die Allianz Kompass/Europa an die Öffentlichkeit getreten ist. autonomiesuisse legt in einer Medienmitteilung nochmals die langfristige unternehmerische Sichtweise auf das Rahmenabkommen dar. Das Kernproblem liegt im unwiderruflichen Machttransfer an Brüssel. Der Souveränitätsverlust würde letztlich das Ende des Erfolgsmodells Schweiz und stattdessen «europäisches Mittelmass» bedeuten.

31. Januar 2021

Jetzt tritt auch economiesuisse auf die Bremse

Sang- und klanglos hat economiesuisse die Position zum Rahmenabkommen abgeschwächt. Bisher drängte der Wirtschaftsdachverband, der Bundesrat müsse den Vertrag mit der EU «bald unterzeichnen». Jetzt ist die Rede von «abwarten und neu beurteilen». Der Journalist Dominik Feusi zeichnet den Gesinnungswandel von economiesuisse in der «Sonntagszeitung» nach. Zumal die Liste der Gegner des Rahmenabkommens in Wirtschaftskreisen mit autonomiesuisse und Allianz Kompass/Europa stark gewachsen ist, kommt es nicht von ungefähr, dass economiesuisse nochmals gründlich über die Bücher will. Eine neue Beurteilung – «auch hinsichtlich des Souveränitätsverlusts» – soll erfolgen, wenn Resultate der neuen Chefunterhändlerin Livia Leu vorliegen. Neu sind die kritischen Punkte wie etwa die Unterstellung unter den Europäischen Gerichtshof und der Souveränitätsverlust allerdings nicht, wie im Sonntagsblatt zu lesen ist: «Diese Themen waren immer da, seit 2008 die EU auf einen institutionellen Rahmen drängte.»

28. Januar 2021

Peter Spuhler: «Als Bundesrat würde ich die Übung stoppen»

Nein, Bundesrat wolle er wirklich nicht werden, bestätigte Peter Spuhler, CEO und Verwaltungsratspräsident der Stadler Rail und autonomiesuisse-Co-Präsident, gegenüber TV-Moderator Urs Gredig in der SRF-Sendung «Gredig direkt». Allerdings wüsste Spuhler sehr wohl, was er als Bundesrat bei der Verhandlung mit der EU machen würde: «Jetzt würde ich die Verhandlungen übers Rahmenabkommen stoppen.» Er befürworte den bilateralen Weg mit der EU, und ein Rahmenabkommen fände er «nicht per se schlimm». Gute Beziehungen zur EU seien wichtig, aber die Schweiz dürfe sich «nicht unterwerfen». Spuhler im Originalton: «Der europäische Gerichtshof würde nie zugunsten der Schweiz entscheiden. Das haben wir bei der Börsenäquivalenz schon gesehen.» Seiner Einschätzung nach würde die Schweizer Bevölkerung einem solchen Abkommen «nie zustimmen».

28. Januar 2021

Prof. Dr. Carl Baudenbacher: «Vom hohen Ross heruntersteigen»

Er zählt zu den intimen Kennern des Europarechts und des internationalen Rechts – und mit spitzer Feder deckt ausgerechnet Prof. Dr. iur. Dr. rer. pol. h.c. Carl Baudenbacher, Präsident des EFTA-Gerichtshofs von 2003 bis 2017, die Fallstricke des Rahmenabkommens Schweiz-EU auf. Die Briten hätten bei den Verhandlungen mit der EU vorgezeigt, dass man bei Souveränitätsfragen hart bleiben müsse, kommentiert Baudenbacher in der «Weltwoche». Die Darstellung des Bundesrats, der Brexit habe mit dem Rahmenabkommen nichts zu tun, sei immer falsch gewesen – und jetzt «vollends unhaltbar geworden». Der Bundesrat müsse nach dem Brexit über die Bücher gehen. Denn die EU von 2021 sei ohne Grossbritannien nicht mehr die EU von 2012. «Bekanntlich hat Bundesrat Didier Burkhalter, angetrieben von Staatssekretär Yves Rossier, seinen Ritt in Richtung EU im Dezember 2012 gestartet. Nun ist wohl die Zeit gekommen, vom hohen Ross herunterzusteigen. Man ist nämlich in einer Sackgasse gelandet.»

24. Januar 2021

«Ablenkungsmanöver» des Bundesrats droht zu scheitern

Von rechts nach links wird der Ruf laut, der Bundesrat solle beim Rahmenabkommen Schweiz-EU den Resetknopf drücken. Wieso beschränkt sich der Bundesrat bei Nachverhandlungen «gerade und nur» auf drei Punkte? Dies fragt der Journalist Niklaus Ramseyer auf «Infosperber» und gibt Antworten. Weil der Bundesrat «glaubt, darüber liesse die EU am ehesten noch ein wenig mit sich reden» und «er könne so drei wichtige Gruppen des Widerstands gegen den EU-Vertrag im Land besänftigen» – die Gewerkschaften, bürgerliche Parteien und die Kantone. Doch das «Ablenkungsmanöver» drohe zu scheitern. Denn der «Elefant im Raum» des Rahmenabkommens sei der Verlust an Souveränität. Und die drei Punkte des Bundesrats müsste man «als drei Mäuschen in der Zimmerecke» bezeichnen. Nur noch die Grünliberalen und economiesuisse drängten Bundesrat Ignazio Cassis auf eine rasche Unterzeichnung des EU-Vertrags. «Mit solchen Stellungnahmen schwächt der Verband indes eher seinen Rückhalt bei der Wirtschaft, als dass er jenen für das EU-Rahmenabkommen stärkt», postuliert Ramseyer. «Bekannte Unternehmer» hätten «das wortspielerisch pfiffige Gegenprojekt» namens autonomiesuisse gegründet. Ein ähnliches Komitee sei die Allianz Kompass / Europa. Bei ihrem Termin in Brüssel habe die neue Chefunterhändlerin, Staatssekretärin Livia Leu, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht gesehen. Auch einen Unterhändler für die Schweiz gebe es nicht. «Die EU streitet ja jeglichen Verhandlungs- oder Nachverhandlungsbedarf in Sachen Rahmenabkommen mit der Schweiz schlichtweg ab.» Das EU-Präsidium schickte bloss die Stellvertretung seiner Stabschefin zum Treffen mit Leu. «Das schien Brüssel gerade recht, um der Schweizerin mitzuteilen, über Mäuschen im Rahmenabkommen gebe es wenig zu verhandeln – und über Elefanten gar nichts.»

23. Januar 2021

Neue Bewegungen formen die Schweiz

Während sich die bürgerlichen Parteien verlören und die Wirtschaftsverbände zerstritten seien, würden zwei neue bürgerliche Bewegungen ins Vakuum stossen, schreibt die «NZZ am Sonntag» in einer Analyse. Beide Gruppierungen nehmen bezüglich Rahmenabkommen die Gegenposition zum Wirtschaftsdachverband economiesuisse ein. Zuerst habe sich autonomiesuisse formiert, dann die Allianz Kompass / Europa, hinter welcher die Gründer der Partners Group stehen. «economiesuisse repräsentiert die Meinung weniger Konzerne. Aber uns geht es nicht um das nächste Quartal, wir haben langfristige Ziele», zitiert das Blatt Hans-Jörg Bertschi, Co-Präsident von autonomiesuisse. Viele Mitglieder der Bewegung stammen laut Bertschi aus dem «FDP-Umfeld, sind aber unzufrieden mit den Positionen der FDP-Fraktion zum Rahmenvertrag».

23. Januar 2021

Den Rahmenabkommen-Befürwortern fehlen die Argumente

«Die Gegner des Rahmenabkommens gewinnen die Oberhand», kommentiert Francesco Benini in der «Schweiz am Sonntag». Demnach hält er den «Wirtschaftsverband autonomiesuisse» sowie das Komitee «Kompass / Europa» für höchst schlagkräftige Allianzen. Die Skepsis in der Schweiz wachse. «Auf der Gegenseite bleibt es auffallend ruhig. Es ist niemand da, der erklären würde, inwieweit die Souveränitätseinbusse, die der Schweiz droht, durch andere Vorteile aufgewogen wird», stellt Benini nüchtern fest. Aussenminister Ignazio Cassis habe in einem NZZ-Interview defensiv gewirkt und sei der Frage der Streitbeilegung – durch den Europäischen Gerichtshof – ausgewichen. «Das ist zu wenig. Die Befürworter des Vertrages müssen argumentativ zulegen, wenn sie den Kampf gewinnen wollen», resümiert Benini. Denn die Gegner seien bereits daran, den Vertrag zu versenken.

23. Januar 2021

Neuer CDU-Vorsitzender kritisiert direkte Demokratie

Der neue starke Mann in Europas einflussreichster Partei, der bestätigte CDU-Vorsitzende Armin Laschet, kritisiert seit Jahren die direkte Demokratie in der Schweiz. Er ist laut «Aargauer Zeitung» froh darüber, dass Deutschland eine «viel klügere Verfassung» besitze. Auf allen Kanälen warnte er schon vor Abstimmungen über Grundrechte. «Glücklicherweise» lasse das deutsche Grundgesetz keine solchen zu. «Komplexe Sachverhalte» liessen sich nicht per Abstimmung beantworten. Nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative 2014 diktierte Laschet der «Rheinischen Post» mit Blick auf die Schweiz: «Wer gegen Deutsche und andere EU-Bürger Stimmung macht, kann nicht von Geschäften in Deutschland profitieren.» Was hält autonomiesuisse von dieser Stimmungsmache? Laschet verrät sein Menschenbild: Die Meinungen von Berufspolitikern hält er für hochwertiger als jene der Bevölkerung. Zugleich scheint er den breiten politischen Diskurs zu scheuen. Darüber hinaus offenbart er eher mangelhafte wirtschaftspolitische Kenntnisse. Denn dass die direkte Demokratie «nicht nur gut, sondern besser» ist als «die realistischen Alternativen», ist «theoretisch und empirisch gut belegt», wie beispielsweise Prof. Dr. Reiner Eichenberger, Wirtschaftsprofessor der Universität Fribourg, in einem Sammelband österreichischer Kollegen (2019) schreibt. Fakt ist: Bezüglich Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand schwingt die Schweiz europaweit obenaus. Armin Laschets Stellungnahmen sind ein Grund mehr, das vorliegende Rahmenabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Denn es würde die Schweizer Souveränität und die direktdemokratischen Rechte beschneiden. Und wenn man davon ausgeht, dass die Richter des Europäischen Gerichtshofs ein ähnliches Politikverständnis wie Laschet mitbringen, wäre es blauäugig, im Fall von Rechtsstreitigkeiten auf ein «ausgewogenes» Urteil zu hoffen.

18. Januar 2021

autonomiesuisse begrüsst die neue Initiative von «Kompass/Europa»

Während der Bundesrat mit der EU nur noch über «Klärungen» am Text des Rahmenabkommens verhandeln will, hat sich das zweite Wirtschaftskomitee gegen das Rahmenabkommen formiert, wie der «Tagesanzeiger» berichtet. Es tritt als «Kompass/Europa» an die Öffentlichkeit und wirbt unter anderem mit bekannten Gesichtern wie Kurt Aeschbacher und Bernhard Russi. Initiant ist Alfred Ganter, einer der Mitgründer der Beteiligungsgesellschaft Partners Group. Seinem Komitee haben sich bereits 250 Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft angeschlossen. Ganter argumentiert ähnlich wie autonomiesuisse: Die Schweiz habe ein kaufkraftbereinigt um 30 Prozent höheres Pro-Kopf-Einkommen als die EU, weil sie die Dinge anderes mache als die EU. autonomiesuisse begrüsst die Initiative. Sie zeigt, dass die Schweizer Wirtschaft nicht hinter dem Rahmenabkommen steht. Die Front von Unternehmen für eine weltoffene und unabhängige Schweiz wächst.

18. Januar 2021

Exdiplomat: Warum die Briten besser verhandelt haben

Kann man den Brexit-Vertrag nicht mit dem Rahmenabkommen Schweiz-EU vergleichen? «Vieles ist in der Tat verschieden. Aber einiges ist vergleichbar», konstatiert Exdiplomat Paul Widmer in einem Gastkommentar in der «NZZ». Beide Staaten wollen einen vorteilhaften Zugang zum EU-Binnenmarkt (…). Und beide haben es laut Widmer «mit einem Verhandlungspartner zu tun, der mehrmals erklärte, vom jeweiligen Angebot nicht mehr abrücken zu wollen». Das Vergleichsverbot erfolge aus einem Grund: «Die Schweiz schneidet schlecht ab» – in der Sache, aber auch im Stil. Boris Johnson sei aufs Ganze gegangen, obschon Grossbritannien bei einem Scheitern in die Vertragslosigkeit gefallen wäre, die Schweiz aber nicht. «Bei einem Abbruch unserer Verhandlungen bestehen 120 bilaterale Verträge fort.» Der Bundesrat habe sich zu früh mit geringen Konzessionen zufriedengegeben, wie Widmer kritisiert. Den Kapitalfehler beging er im Juni 2019. Damals begrüsste er den Entwurf und forderte Nachbesserungen nur beim Lohnschutz, beim Zugang zur Sozialhilfe und bei den staatlichen Beihilfen. Die Kernprobleme, die dynamische Rechtsübernahme und die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bei Streitfällen, nannte er nicht. Als Bundesratskandidat habe Ignazio Cassis davon gesprochen, den Resetknopf zu drücken – Widmers Fazit: «Leider hat er es bis heute nicht getan. Dabei wäre das der einzige Weg, um das Rahmenabkommen zu retten.»

16. Januar 2021

Immer mehr FDP-Exponenten stellen sich gegen das Rahmenabkommen

Noch folgt die Mehrheit der FDP-Fraktion in Bern dem Bundesrat. Nationalrätin Christa Markwalder sowie Nationalrat Kurt Fluri sind der Auffassung, die Streitbeilegung mit dem Schiedsgericht sei «sehr gut», wie die «Aargauer Zeitung» schreibt. Fluri meinte gemäss derselben Quelle, der Europäische Gerichtshof (EuGH) verhindere Akte der Willkür. Doch diese Einschätzungen greifen zu kurz. autonomiesuisse klärt auf: Erstens ist die besagte Streitbeilegung direkt aus dem Abkommen der EU mit der Ukraine entnommen. Dort begründete die EU den Mechanismus mit der – im Gegensatz zur Schweiz – wenig gefestigten Rechtsordnung. Zweitens muss sich die Schweiz bei Willkür, wie etwa der Börsenäquivalenz, erfolgreich wehren können – und nicht sich dem Gericht der Gegenpartei unterwerfen. Gut, dass der FDP-Ständerat Thierry Burkart, welcher den EuGH ablehnt, zunehmend Unterstützung bekommt. Zum Beispiel von den Ständeräten Martin Schmid und Thomas Hefti sowie den Nationalräten Maja Riniker, Marcel Dobler, Peter Schilliger und Christian Wasserfallen. Die «Aargauer Zeitung» hat es richtig beobachtet: «Mehrere freisinnige Unternehmer, die den Vertrag ablehnen, schliessen sich dem Komitee autonomiesuisse an, das kürzlich ins Leben gerufen worden ist.»

15. Januar 2021

Pierre-Yves Maillard: «Kompletter Neubeginn der Verhandlungen wäre ehrlicher»

Der Rückhalt für das Rahmenabkommen bröckelt auf breiter Front. Nachdem FDP-Ständerat Thierry Burkart die Debatte auf den Souveränitätsverlust gelenkt hat, «outen» sich immer mehr Politiker aller Couleur gegen das Abkommen, das der Bundesrat schönredet. So äussert jetzt auch der Präsident des Gewerkschaftsbundes und SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard in den Zeitungen von CH Media die Ansicht, dass es «klarer und ehrlicher wäre, einen kompletten Neubeginn der Verhandlungen anzustreben». Er hält das Abkommen für chancenlos in einer Volksabstimmung. Grossbritannien habe mit der EU einen Brexit-Vertrag vereinbart, in dem der Europäische Gerichtshof keine Rolle spiele. Das zeige, dass «andere Logiken möglich sind». autonomiesuisse hat aus diesem Anlass eine Medienmitteilung herausgegeben und fordert von den politischen Akteuren, ihre Beziehung zur EU neu zu denken.

14. Januar 2021

Ständerat Thierry Burkart: «EU verdient eine ehrliche Antwort»

Nach Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen Grossbritannien und der EU sei es Zeit für «eine Lagebeurteilung ohne Scheuklappen», schrieb FDP-Ständerat Thierry Burkart in Medien von CH Media wie dem «St. Galler Tagblatt» in einem Gastkommentar zum Rahmenabkommen Schweiz-EU. Wir dürften nicht um den «Elefanten im Raum» diskutieren: «Das wahre Problem (…) ist der Souveränitätsverlust.» Das Rahmenabkommen bringe mehr Nachteile als Vorteile. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) könnte künftig Recht und politische Entscheide beurteilen, wenn diese auch nur am Rande von EU-Recht berührt würden, befürchtet der Rechtsanwalt Burkart. Faktisch verkämen die Schweizer Behörden zu «Erfüllungsgehilfen» der EU. Der Bundesrat solle der EU ehrlich kommunizieren, dass das vorliegende Rahmenabkommen bei den politischen Akteuren chancenlos sei. autonomiesuisse teilt die Einschätzung von Burkart vollumfänglich und hat aus diesem Anlass eine Medienmitteilung herausgegeben. Ziel von autonomiesuisse ist eine langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit mit der EU auf Augenhöhe, im Sinn einer Win-win-Partnerschaft.

12. Januar 2021

Deutschland droht Blackout ohne Schweizer Strom

Die EU droht, Gespräche mit der Schweiz über ein Stromabkommen zu stoppen. EU-Befürworter behaupten, die Schweiz brauche weitere bilaterale Verträge, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Doch Recherchen der deutschen «Welt» zeigen, dass klar das Gegenteil der Fall ist. Demnach kann es sich die EU nicht leisten, die Schweiz versorgungstechnisch zu einer Insel zu machen: «Die Europäische Union ist von der Energie-Infrastruktur der Schweiz sehr viel stärker abhängig als umgekehrt die Schweiz vom europäischen Strommarkt.» Darum habe die EU ursprünglich ein Abkommen angeregt. Die «Stromdrehscheibe» Schweiz sei eines der wichtigsten Transitländer für Elektrizität in Europa. Demnach fliessen elf Prozent des europäischen Stroms über Schweizer Territorium. Auch als Stromspeicher sei das Land für die europäische Energieversorgung «unverzichtbar». Die Pumpspeicherseen in den Alpen trügen erheblich dazu bei, das schwankende Ökostromaufkommen aus Wind- und Solarkraft aus ganz Europa zu glätten. Insbesondere Deutschland würde ohne die Schweiz Blackouts riskieren.

09. Januar 2021

Chefökonom des Bundes: «Schweiz kommt glimpflicher davon»

Die Coronakrise hat auch die Schweizer Firmen hart getroffen – aber sie scheinen besser davonzukommen als Unternehmen in den Nachbarländern. Eric Scheidegger, Chefökonom des Bundes, rechnet für die Schweiz gemäss der «NZZ am Sonntag» mit einem Wirtschaftsrückgang von ungefähr 3 Prozent. Deutschland und Österreich mussten einen doppelt so hohen Rückgang, nämlich 6 Prozent, hinnehmen. In Frankreich und Italien schrumpfte die Wirtschaft mit minus 9 Prozent gar um das Dreifache. Fürs laufende Jahr und das nächste Jahr gibt sich Scheidegger optimistisch. Er erwartet in der Schweiz ein Konjunkturplus von 3 bis 4 Prozent. Damit bestätigt Scheidegger implizit, was der österreichische Bundeskanzler im Juni zu Protokoll gegeben hat (News vom 12. Juni 2020): Die Schweiz kann rascher und gezielter auf Krisen reagieren als die EU. autonomiesuisse meint dazu: Die Agilität half der Schweiz schon, schnell aus der Finanzkrise zu finden. Und sie ist auch bei Innovationsschüben von Vorteil. Deshalb dürfen wir das über hundertjährige Erfolgsmodell Schweiz nicht per Gleichschaltung mit der EU durch das vorliegende Rahmenabkommen gefährden.

09. Januar 2021

Schweizer Aktien werden bald wieder in London gehandelt

Die Schweiz führt Gespräche mit Grossbritannien über eine gegenseitige Börsenäquivalenz, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Zur Erinnerung: Mitte 2019 wollte die EU den Druck auf Bern verstärken, das Rahmenabkommen zu unterzeichnen. Darum aberkannte sie der Schweizer Börse die «Äquivalenz». EU-Wertschriften durften nicht mehr an Schweizer Börsen gehandelt werden. Als EU-Mitglied sah sich Grossbritannien gezwungen, auf einige der meistgehandelten Titel wie Nestlé und Roche zu verzichten. Die Schweiz kam glimpflich davon. Denn der Bundesrat verbot im Gegenzug den Handel von Schweizer Wertschriften an EU-Börsen, was der Schweizer Börse einen Umsatzschub bescherte. Die EU schoss sich ins eigene Knie. Schon ab Februar dürfte der Handel mit Schweizer Titeln nun wieder in London, Europas grösstem Finanzplatz, starten. autonomiesuisse empfiehlt: Jetzt wäre auch ein Austauschprogramm für Studierende mit Grossbritannien angezeigt. Von den 35 weltbesten Universitäten befinden sich sechs in Grossbritannien und zwei in der Schweiz – aber keine in der EU. Der Bundesrat hätte es in der Hand, auch die Sticheleien der EU bezüglich Erasmus-Plus ins Leere laufen zu lassen.

08. Januar 2021

Tito Tettamanti: «Brexit war vorhersehbar»

Im «Corriere del Ticino» kommentiert der Ex-Staatsrat und Unternehmer Tito Tettamanti den Brexit mit spitzer Feder. Er verweist auf die Argumentation von autonomiesuisse und folgert: Der Vertrag der Briten zeige, dass sich im Verhandeln mit der EU bessere Ergebnisse erzielen liessen, wenn man ihr ohne ängstliche Ehrerbietung und ohne Furcht vor Erpressungen gegenübertrete. Dann stellt er fest, dass die Scheidung zwischen Grossbritannien und der EU vorhersehbar war – «weniger wegen der Auseinandersetzungen um Fischereirechte (…) als vielmehr, weil beide Seiten zwei gegensätzliche Staatsauffassungen vertreten.» Um «sich selbst zu bleiben», habe Grossbritannien keine andere Wahl als den Brexit gehabt. Auf Seite der EU ordnet Tettamanti den Internationalismus und die «Macht der Technokraten», welche die demokratischen Rechte immer mehr einschränken möchten. Das Gegenmodell sei eine Vision, welche auch die Demokratie, Geschichte, Werte, Wirtschaft und Überzeugungen kleiner Staaten hochachte. Wie in England sei in der Schweiz die «Unvereinbarkeit der beiden Konzepte offensichtlich.» Wenn England also die Souveränität gegenüber der EU verteidige, sollten «wir Schweizer dankbar sein».

07. Januar 2021

«Frühlingserwachen» in Wirtschaftskreisen

«Wenn man die Verhandlungsergebnisse Grossbritanniens und der Schweiz miteinander vergleicht, ist man fast etwas erschüttert, wie schlecht die Schweiz gegenüber der EU verhandelt hat», sagt Hans-Jörg Bertschi, Co-Präsident von autonomiesuisse, der «Weltwoche». Der Verwaltungsratspräsident der Bertschi Gruppe, des «heimlichen Riesen der internationalen Logistik», mit rund 3100 Angestellten und einer Milliarde Umsatz, betont die Vorteile der Schweiz im globalen Wettbewerb gegenüber der EU. Wenn er sich vorstelle, dass in der Schweiz irgendwann dieselben Verhältnisse wie in der EU herrschen könnten, «müsste ich der nächsten Generation empfehlen, das globale Geschäft von einem wirtschaftlich offeneren Standort wie etwa Singapur aus zu betreiben». Die Argumente von economiesuisse für den Rahmenvertrag greifen laut Bertschi zu kurz. Sie seien geprägt durch Grosskonzerne, deren Kader meist nicht als Eigentümer in der Verantwortung ständen, oft nicht Schweizer seien und die direkte Demokratie nicht verständen.

06. Januar 2021

Modellflieger bringen die Schweiz auf Kollisionskurs mit Brüssel

Die EU will neben den Drohnen auch den Modellflug stärker regulieren. Das störte den Aargauer FDP-Nationalrat Matthias Jauslin. Prompt schaffte er es, den Ständerat wie den Nationalrat zu überzeugen. Somit wird der Bundesrat per Kommissionsmotion beauftragt, in Brüssel Ausnahmen von der neuen EU-Drohnenregulierung zu beantragen. Dazu schreibt die «Aargauer Zeitung»: «Im Rahmen des bilateralen Luftverkehrsabkommens ist die Schweiz verpflichtet, ihre Regeln fortlaufend an die EU-Gesetzgebung anzupassen. Weigert sie sich, kann die EU im schlimmsten Fall das ganze Abkommen aussetzen.» Die Angelegenheit sei ein guter Test für die Rechtsübernahme beim institutionellen Rahmenabkommen, das Jauslin befürworte. Wenn es das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) nicht schaffe, solche einfachen Ausnahmen durchzubringen, sage das viel über unser Verhältnis zur EU aus. Kommentar von autonomiesuisse: «Interessant, dass sich ein FDP-Exponent für die 15'000 Modellflugfans wehrt, während die FDP-Fraktion das Rahmenabkommen will, das uns in solchen und viel wesentlicheren Fragen die Hände binden wird. Denn der Entscheid liegt dann bei der Gegenpartei – dem Europäischen Gerichtshof.»

04. Januar 2021

Oswald Grübel: «Schweiz braucht keinen Rahmenvertrag mit EU»

Der Brexit-Deal sei weder für die Finanzmärkte noch für ihn überraschend gekommen, verrät Oswald Grübel, der ursprünglich aus Ostdeutschland stammende Ex-CEO der Schweizer Grossbanken Credit Suisse und UBS, im Interview der «Luzerner Zeitung». «Da waren auf beiden Seiten viel zu grosse finanzielle Interessen im Spiel. Nur die EU-Bürokraten haben aus verhandlungstaktischen Gründen versucht, der Öffentlichkeit eine andere Realität vorzuspielen.» Für die Schweiz zieht Grübel klare Schlüsse: Sie brauche keinen Rahmenvertrag mit der EU. Im Originalton: «Die Schweiz sollte sich nicht ohne Not dem Diktat des Europäischen Gerichtshofes unterwerfen.»

29. Dezember 2020

Exklusive Analyse von Prof. Dr. Carl Baudenbacher für autonomiesuisse

Das Vereinigte Königreich hat es geschafft, den von der EU vorgesehenen Ukraine-Mechanismus mit der Unterstellung unter den Europäischen Gerichtshof (EuGH) aus dem Brexit-Vertrag zu verbannen. Stattdessen kommt ein echtes Schiedsgericht zum Zug. Die Befürworter des institutionellen Rahmenabkommens Schweiz-EU (InstA) argumentieren, die Schweiz erhalte einen «besseren» Zugang zum EU-Markt als Grossbritannien, dafür müsse sie den EuGH «schlucken». Diese Position ist nicht haltbar, wie Prof. Dr. iur. Dr. rer. pol. h.c. Carl Baudenbacher, Präsident des EFTA-Gerichtshofs a.D., in einer Analyse für autonomiesuisse aufzeigt. Mit dem InstA stiege die Schweiz in die Liga von «Nachbarstaaten» wie etwa Ukraine, Marokko und Libyen ab. Die Ukraine nimmt zwar nicht am EU-Binnenmarkt teil, wurde aber zum EuGH gezwungen. Grossbritannien wollte aus dem EU-Binnenmarkt ausscheiden, dennoch versuchte die EU, den Briten den EuGH aufzudrücken. Selbst EU-Exponenten geben zu, dass diese Art «Schiedsgericht» im InstA nur Camouflage ist. Es ist «nicht ehrlich von Bundesbern, vom bilateralen Weg zu sprechen, wenn dieser längst unilateral geworden ist», kommentiert Baudenbacher.

27. Dezember 2020

EU-Kritiker wittern zu Recht Morgenluft

Keine fremden Richter, kein fremdes Recht: Die Briten haben die Klauseln aus dem Brexit-Abkommen wegbedungen, welche Kritiker des vorliegende Rahmenabkommens Schweiz-EU am meisten stören. «EU-Kritiker jubeln – zu früh?», fragt die «NZZ am Sonntag». Das Blatt erwähnt, dass autonomiesuisse für die souveränitätspolitischen Fragen eine ähnliche Lösung wie das Vereinigte Königreich anstrebt. Dazu zitiert es Politiker und economiesuisse, muss sich seitens Regierung aber mit einem «no comment» zufriedengeben. Daraus folgert die «NZZ am Sonntag», dass der Vergleich mit dem Vereinigten Königreiche hinke. Fakt ist: Der Brexit-Vertrag umfasst vergleichbare Marktzugangsverträge wie das Rahmenabkommen und die Bilateralen und entspricht in der Struktur dem CETA-Vertrag der EU mit Kanada. Die EU hat gegenüber Grossbritannien von Anfang an auf die Unterstellung unter den Ukraine-Mechanismus mit dem Europäischen Gerichtshof gepocht. Das Vereinigte Königreich hat sich dieser Forderung jedoch vehement widersetzt und sich durchgesetzt.

26. Dezember 2020

Exdiplomat: Bundesrat muss nachverhandeln

Der Brexit-Deal hat für die Schweiz eine positive Signalwirkung. Das sagt der langjährige Schweizer Spitzendiplomat Paul Widmer gegenüber «20 Minuten». Es lohne sich, die eigene Position beharrlich zu verteidigen. Man dürfe sich von «Einschüchterungsversuchen seitens EU nicht beeindrucken lassen». Die EU habe mehrmals betont, dass sie zu keinerlei Konzessionen bereit sei – um danach erneut Kompromisse einzugehen. «Genau in diesem Punkt hat sich der Bundesrat meines Erachtens jedoch in eine Sackgasse manövriert, als er im Juni das vorliegende Rahmenabkommen grundsätzlich begrüsste und nur in drei Bereichen Nachbesserungen verlangte», meint Widmer. Selbst wenn die EU der Schweiz nicht entgegenkomme, soll der Bundesrat das vorliegende Rahmenabkommen nicht unterzeichnen. Die Schweiz befinde sich nämlich in einer komfortableren Lage als das Vereinigte Königreich: «120 Verträge werden auch in Zukunft die bilateralen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz regeln. (...) Uns bleibt genügend Zeit zum weiterverhandeln.»

25. Dezember 2020

autonomiesuisse begrüsst Brexit-Einigung

Auf den Heiligen Abend hin haben sich Brüssel und London auf einen Freihandelsvertrag geeinigt. Damit ergeben sich neue Spielräume für die Verhandlungen Schweiz-EU. Denn in zentralen Punkten hat das Vereinigte Königreich seine Interessen durchgesetzt. Im Gegensatz zum vorliegenden Rahmenabkommen Schweiz-EU sieht das Brexit-Abkommen eine politische Streitbeilegung ohne den Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Zudem umfasst der Brexit-Vertrag keine dynamische Übernahme von EU-Recht durch das Vereinigte Königreich. Schliesslich verzichten die Brexit-Vereinbarungen auf Guillotine-Klauseln – wie sie das Rahmenabkommen Schweiz-EU enthält –, um den Vertragspartner unter Druck zu setzen. Da die Personenfreizügigkeit kein Bestandteil des Vertrags ist, entfällt überdies die Unionsbürgerrichtlinie. Insgesamt wurden die souveränitätspolitischen Fragen in den Brexit-Verhandlungen weitgehend so geregelt, wie es autonomiesuisse für das Rahmenabkommen Schweiz-EU anstrebt. Aus unternehmerischer Sicht ist die Souveränität unerlässlich für den langfristigen Erfolg der Schweizer Wirtschaft. Das Brexit-Abkommen zeigt, dass es Verhandlungspotenzial mit Brüssel gibt.

18. Dezember 2020

Plan B von autonomiesuisse punktet bei Unternehmern

Während economiesuisse zum Rahmenabkommen mit der EU drängt, erachtet Hans-Jörg Bertschi, Unternehmer und Co-Präsident von autonomiesuisse, diese Position als zu kurzfristig, wie die «Schaffhauser Nachrichten» berichten. «Auf dem Spiel steht nicht nur der Marktzugang, sondern die Souveränität der Schweiz», erklärt Bertschi. «Wir brauchen Souveränität, damit wir unsere wirtschaftlichen Rahmenbedingungen selbst gestalten können und sie uns nicht von Brüssel aus diktiert werden.» Mit dem Rahmenabkommen würde eine Angleichung an die deutlich schlechteren Bedingungen in der EU stattfinden. Als Plan B für ein Rahmenabkommen sieht Bertschi beispielsweise ein Wirtschafts- und Freihandelsabkommen (CETA), wie es die EU und Kanada ausgehandelt haben. Das würde vieles abdecken, was heute in den bilateralen Verträgen geregelt ist – ohne dass die Schweiz dynamisch EU-Recht übernehmen und sich dem Europäischen Gerichtshof unterstellen müsste. Sollte das Rahmenabkommen scheitern, «wäre ein Freihandelsabkommen wohl eine naheliegende Alternative», gibt selbst Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung von economiesuisse, zu. Sowohl Markus Gross, Geschäftsführer des Medtech-Zulieferers Zanol GmbH, wie Marcel Fringer, Unternehmer und Präsident des Kantonalen Gewerbeverbandes Schaffhausen, könnten einem Freihandelsvertrag laut «Schaffhauser Nachrichten» persönlich Gutes abgewinnen. Fringer plädiert etwa dafür, dass die Schweiz die Handelsbeziehungen mit Ländern ausserhalb der EU vertiefen solle. Gleichzeitig betonen die Unternehmer, dass sich die Schweiz als Teil Europas nicht isolieren dürfe.

29. November 2020

Tito Tettamanti: Bundesrat in der Sackgasse?

Der ehemalige Staatsrat und Unternehmer Tito Tettamanti skizziert im «Corriere del Ticino» das glücklose Agieren der Regierung beim Verhandeln mit der EU. Er vermutet, dass der Bundesrat mehrheitlich gegen das vorliegende Rahmenabkommen ist, aber gegenüber der EU – «die keine Demokratie wie unsere ist und in der die Macht der Bürokratie beträchtlich ist» – das Gesicht wahren will. Seinen Kopf aus der Schlinge ziehen könnte er, wenn er bei seinen drei Punkten so sehr Härte markiert, dass die EU das Abkommen ablehnt. Tettamanti hält aber ein anderes Szenario für realistisch: Der Bundesrat begnügt sich mit Fassadenkorrekturen und unterschreibt demütig. Die endgültige Entscheidung überlässt er dem Volk. Dann könne er sich gegenüber Brüssel rechtfertigen: «Das ist Demokratie.»

28. November 2020

Bundesrat scheut sich vor Souveränitätsfragen

Der Bundesrat bricht sein Schweigen bezüglich des Rahmenabkommens, wie die «Neue Zürcher Zeitung» berichtet. Doch trotz Druck aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft drückt er sich davor, die Souveränitätsfragen gegenüber der EU anzusprechen. Er will nur über die drei Themen Lohnschutz, Beihilfen und Unionsbürgerrichtlinie verhandeln, die er seit Sommer 2019 auf der Agenda hat. Damit stellt sich der Bundesrat hinter die «fremden Richter». «Die Souveränitätsfrage wurde in diesem Sinn berücksichtigt», titelt die «Neue Zürcher Zeitung» irreführend und zitiert damit den Bundesrat. Dieser ist nämlich der Auffassung, dass die Unterwerfung unter den Europäischen Gerichtshof (EuGh) aus Sicht der Souveränität der EU nachvollziehbar sei. autonomiesuisse meint: Der Bundesrat riskiert den Absturz des Rahmenabkommens in einer Volksabstimmung. Das Parlament sollte in der Wintersession ein Zeichen für ein besseres Rahmenabkommen setzen. Es gilt, die direkte Demokratie zu wahren, um das Schweizer Erfolgsmodell mit den wirtschaftlich besseren Rahmenbedingungen nicht zu gefährden.

26. November 2020

Oxford-Historiker plädiert für Eidgenossenschaft

René Scheu, Feuilletonchef der «Neuen Zürcher Zeitung», diskutiert das Buch des Oxford-Geschichtsprofessors Oliver Zimmer «Wer hat Angst vor Tell? Unzeitgemässes zur Demokratie». Demnach hat das Parlament in der EU wenig zu melden. Neben dem Europäischen Rat, dominiert von Deutschland und Frankreich, dehnen die EU-Gerichte ihre Machtbefugnis kontinuierlich aus. Nicht gewählte Richter betreiben Wirtschafts-, Sozial-, Beschäftigungs- und Migrationspolitik, ohne Verfassungsgrundlage. Damit greifen sie sogar in die Souveränität des Nicht-EU-Mitglieds Schweiz ein. Zimmers Fazit laut «NZZ»: Mit der Annahme des Rahmenabkommens würden wir die «fremden Richter» noch «adeln». Das bedeutete «das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen». Dabei sei längst das Kleine, nicht mehr das Zentrale, erfolgsversprechend. «Warum sollte die Eidgenossenschaft das Archaische ausgerechnet in dem Moment preisgeben, in dem es zum Modernsten überhaupt geworden ist?»

21. November 2020

Position von autonomiesuisse stösst auf grosses Echo

Mit dem Schritt an die Öffentlichkeit am 13. November 2020 hat die im Unternehmertum und der Schweizer Wirtschaft verankerte Bewegung autonomiesuisse eine regelrechte Lawine von Medienberichten in allen Landesteilen und über die Grenzen hinaus ausgelöst. In der Folge ist es innerhalb weniger Tage gelungen, die Mitgliederbasis zu verdoppeln. Das Co-Präsidium steht weiterhin gerne zu Verfügung, um darzulegen, warum die wirtschaftlichen Standortvorteile der Schweiz mit dem vorliegenden Rahmenabkommen erodieren würden.

15. November 2020

Bundesrat tappt in Falle

Der Bundesrat will nochmals das Gespräch mit der EU-Kommission suchen. Er ist bestrebt, das Rahmenabkommen zu retten – wenn die EU noch Zugeständnisse beim Lohnschutz, beim Zugang zur Sozialhilfe und den staatlichen Beihilfen macht. «Er wird wohl weitgehend erreichen, was er verlangt – und sitzt dann in der Falle», kommentiert Alt-Botschafter Paul Widmer im «Tages-Anzeiger» und doppelt nach: «Was ein Erfolg zu sein scheint, ist in Wahrheit ein Misserfolg.» Denn dieses Abkommen bedeute einen massiven Souveränitätsverlust. An den Kernproblemen wie der dynamischen Rechtsübernahme und der Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bei Streitfällen werde «kein Jota» geändert. Würde das Abkommen ratifiziert, verbaue sich die Schweiz den Weg zurück: «Sie kann nur noch ganz in die EU hinein.»

13. November 2020

autonomiesuisse lanciert Kampagne für besseres Rahmenabkommen

Breite Teile der Schweizer Wirtschaft befürchten, die Schweiz könnte mit dem vorliegenden Rahmenabkommen mit der EU ihre Wettbewerbsvorteile verlieren. Aus diesem Grund haben die Unternehmer und Wirtschaftsvertreter aus der politischen Mitte die Initiative autonomiesuisse ins Leben gerufen. Im Rahmen einer Medienkonferenz im Bundeshaus, am 13. November 2020, stellten Dr. Hans-Jörg Bertschi, Verwaltungsratspräsident Bertschi Group, Prof. Dr. Martin Janssen, Verwaltungsratspräsident Ecofin Group, Marco Romano, Nationalrat CVP Tessin, Kristiane Vietze, VR-Sekretär Baumer Group und Kantonsrätin FDP Thurgau, sowie Dr. Hans-Peter Zehnder, Verwaltungsratspräsident Zehnder Group AG, ihre Kampagne für ein besseres Rahmenabkommen vor. Deren Ziel ist, Politik und Bevölkerung zu sensibilisieren, was vor allem über Social Media geschehen soll. Darüber hinaus baut autonomiesuisse ihre Mitgliederbasis aus und steht für Medienanfragen und Veranstaltungen zur Verfügung.

10. November 2020

Soll die Schweiz ein Abkommen à la Kanada fordern?

Als Handelspartner ist Kanada für die EU viel weniger bedeutend als die Schweiz. Und doch ist Kanada gelungen, ein attraktives Abkommen mit der EU unter Dach und Fach zu bringen – das CETA. Das Abkommen geht weit über einen Freihandelsvertrag hinaus und umfasst viele Bereiche unserer heutigen bilateralen Verträge. Im Gegensatz zum vorliegenden Rahmenabkommen Schweiz-EU setzt es aber auf eine bilaterale Schiedsgerichtsklausel auf Augenhöhe und klammert umstrittene Punkte wie den Lohnschutz und die Unionsbürgerrichtlinie aus. Der «Tages-Anzeiger» hat die beiden Abkommen im Detail verglichen.

24. Oktober 2020

Das Rahmenabkommen – eine «Mission impossible»?

Der Bundesrat hat zwar den Unterhändler fürs Rahmenabkommen (InstA), Roberto Balzaretti, durch Livia Leu ersetzt. Doch seine Position bleibt unklar. «Das Dümmste, was nun passieren könnte, wäre, wenn Leu in Brüssel einen Verhandlungserfolg erzielt, die EU bei den drei Nebenpunkten nachgibt, aber die Souveränitätsfrage nicht geklärt ist», kommentiert darum Arthur Rutishauser, Chefredakteur des «Tages-Anzeigers». Es brauche einen klaren Auftrag, auch diese Punkte neu zu verhandeln. Denn wir könnten uns den «Lockdown in der Europapolitik nicht leisten».

21. Oktober 2020

Micheline Calmy-Rey: «Nicht nach Brüssel rennen»

Mit dem Rahmenabkommen mit der EU (InstA) würden «alle Errungenschaften der jahrelangen fruchtbaren Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU zunichtegemacht. Wir würden nicht anders behandelt als jedes beliebige Drittland, dem Kontrollen und verbindliche Stellungnahmen des Europäischen Gerichtshofs aufgezwungen werden ...», schreibt Micheline Calmy-Rey, von 2003 bis 2011 Bundesrätin und Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, in der «Weltwoche». Sie sieht «überhaupt keine Eile» für eine Vertragsunterzeichnung. Stattdessen rät sie, auf die Briten zu schauen, sich intern zu einigen und dann «gründlich» neu zu verhandeln.

12. Oktober 2020

Andenas/Baudenbacher: «EWR des armen Mannes»

Der Rahmenvertrag weise Elemente eines ungleichen Vertrags auf, schreiben Mads Andenas, Professor an der Universität Oslo und Carl Baudenbacher, ehemaliger Präsident des EFTA-Gerichtshofs und unabhängiger Schiedsrichter, in der «NZZ». Doch was ist ein «ungleicher Vertrag»? Die Experten verweisen auf ein Beispiel: Die westlichen Mächte haben China im Opiumkrieg 1842 besiegt – und ihm unter erheblichen Drohungen einen Vertrag aufgezwungen. China musste sich britischen und amerikanischen Gerichtshöfen unterstellen. Das Abkommen leitete eine Epoche ein, die von den Chinesen als «Jahrhundert der Erniedrigung» bezeichnet wird. Andenas und Baudenbacher schliessen: Das InstA sei eine Art «EWR des armen Mannes».

11. Oktober 2020

Keine Rechtssicherheit, sondern Unsicherheit

Die aufmerksame Lektüre des institutionellen Rahmenabkommens (InstA) offenbart seine offensichtlichen Mängel – schreibt Paul Aenishänslin, Geschäftsführer der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft SPAG, im «Bund». Durch das Abkommen würden die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU nicht auf eine sichere Basis gestellt, sondern geschwächt. Die EU könne der Schweiz jederzeit künden. Damit fiele selbst das Freihandelsabkommen von 1972 weg. Somit würde die Schweiz erpressbar, im Sinne von Goethes Erlkönig: «Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.»

07. Oktober 2020

Neues Unternehmernetzwerk gegen InstA

Alfred Gantner, Marcel Erni und Urs Wietlisbach bauten die Partners Group in einem Vierteljahrhundert zum globalen Milliardenkonzern auf, der im Bereich Private Equity führend ist. Jetzt lanciert das Trio ein Netzwerk gegen das institutionelle Rahmenabkommen (InstA), gemäss «Aargauer Zeitung» mit «Hunderten von Unternehmern». Die Wirtschaftsverbände würden nicht die Interessen der Schweiz vertreten und nicht die ganze Wirtschaft repräsentieren, gibt Alfred Gantner zu Protokoll. Politisch ordnet er sich «am ehesten in der Mitte» ein. Entsprechend sind die Unternehmer gegen das InstA politisch unabhängig.

06. Oktober 2020

Rudolf Strahm: «Rezepte gegen das EU-Powerplay»

Schon am Tag nach der Ablehnung der SVP-Begrenzungsinitiative kam aus Brüssel die ultimative Forderung an den Bundesrat, das institutionelle Rahmenabkommen (InstA) schleunigst zu unterzeichnen. Doch dieses sei keine «Fortsetzung des bilateralen Wegs», wie uns «EU-Troubadours einreden, sondern verfahrensrechtlich ein Bruch mit allen bilateralen Verträgen», warnt der Expreisüberwacher und ehemalige SP-Nationalrat Rudolf Strahm im «Tages-Anzeiger». Er hält das InstA für einen «Souveränitätstransfer an Brüssel für zukünftige Regulierungen, deren Inhalt wir heute noch gar nicht kennen»! Strahm schlägt dem Bundesrat darum drei Massnahmen vor. Er soll klären, wer verhandelt, konkrete Änderungsvorschläge zum Abkommenstext formulieren – und sich entscheiden, wo er das Abkommen scheitern lassen will.

28. September 2020

«Nein zur Begrenzungsinitiative ist kein Ja zum Rahmenabkommen»

Die Begrenzungsinitiative hat das Stimmvolk klar abgelehnt. Weniger klar ist, was das Resultat bedeutet. Ivana Pribakovic befragte für «SRF Audio» den Altdiplomaten Paul Widmer. Das Abstimmungsresultat zeige, dass das Volk hinter den bilateralen Verträgen stehe. Es wäre aber eine Fehlinterpretation, daraus zu schliessen, man müsse nun das Rahmenabkommen (InstA) mit Vollgas unterschreiben. «Die fundamentale Kritik am InstA von einem alt Bundesrat und einem früheren Chefunterhändler der Schweiz überrascht angesichts des Resultats nicht», meinte Widmer. Zwar strebe der Bundesrat noch Änderungen an, aber: «Das ist eine Symptombehandlung. Sie dringt nicht zur Wurzel des Problems vor. Wir müssten dynamisch EU-Recht übernehmen und uns unter das EU-Schiedsgericht unterstellen.»

19. September 2020

Johann Schneider-Ammann: «Rahmenabkommen schränkt Souveränität zu stark ein»