Wann immer die Schweiz und die EU über ein institutionelles Rahmenabkommen sprechen, legen beide ein Verhalten an den Tag, das deutlich vom «Courant normal» zwischenstaatlicher Gespräche auf Augenhöhe abweicht.
Was macht beispielsweise ein Unternehmen, wenn es ein Gut nicht loswird? Es senkt den Preis.
Diametral anders verhält sich die EU. Sie bietet der Schweiz einen «präferenziellen sektoriellen Zugang zum Binnenmarkt». Im Gegenzug verlangt sie, dass die Schweiz ihre Gesetzgebung übernimmt, sich dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) unterstellt und diverse Zahlungen leistet. Unter anderem deshalb hat die Schweiz 2006 eine erste «Kohäsionsmilliarde» für die EU-Osterweiterung lockergemacht und 2021 gut 1,3 Milliarden Franken über zehn Jahre freigegeben.
Jetzt drängt die EU darauf, dass die Schweiz noch tiefer in die Tasche greift. Fast eine halbe Milliarde pro Jahr schwebt ihr vor. Dabei orientiert sie sich an Norwegen, das rund 450 Millionen Euro jährlich nach Brüssel abliefert. Anders als die Schweiz gehört Norwegen zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).
Doch auch Schweizer Politexponenten gebärden sich seltsam. Jede Privatperson fragt sich vor einem Einkauf: Was bringt mir das Gut? Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) beschönigt den Nutzen des «Binnenmarktzugangs» dagegen bewusst. So liest man auf der Website, dass rund die Hälfte unserer Exporte in die EU gingen. Das ist längst nicht mehr der Fall. Gemäss Bundesamt für Statistik sind es nur noch knapp 40 Prozent. Die Tendenz ist seit Jahren abnehmend.
Effektiv bewegt sich der Nutzen des bevorzugten EU-Binnenmarktzugangs im mikroskopischen Bereich. So exportieren beispielsweise China und die USA wesentlich mehr in die EU als die Schweiz. Und ihre Ausfuhren sind in den letzten 30 Jahren teilweise dynamischer gewachsen als jene der Schweiz – obgleich keines der Länder der EU eine «Binnenmarkt»-Gebühr entrichtet. Im Gegensatz zur Schweiz verfügen sie nicht einmal über ein Freihandelsabkommen mit der EU.
Irritierend ist schliesslich, dass die EU ihrem Topkunden Schweiz fast mantramässig die «Rosinenpickerei» vorwirft. Dabei erzielt sie jedes Mal ein dickes Plus in der Handelsbilanz. «Kundengeschenke» macht nicht die EU, sondern immer wieder der «Käufer»: So hat die Schweiz kürzlich bekannt gegeben, dass der Bund allein 50 Millionen Franken in die Hochrhein-Strecke der Deutschen Bahn investieren will. Welches andere Land finanziert schon Bahnstrecken anderer Länder?