«Wer die Geschichte kennt, versteht die Gegenwart», sagt ein Bonmot. In diesem Sinn beobachten die Historiker Oliver Zimmer – er hat 27 Jahre in Grossbritannien gelebt, jahrzehntelang als Professor in Oxford – und Tobias Straumann mit Sorge, wie sich die Schweiz an die EU andocken will.
Zimmer sieht die direkte Demokratie in Gefahr. Denn die Schweizer Politik sei elitär, denke zunehmend gleichförmig und orientiere sich lieber an der EU als an Volksrechten, wie er der «NZZ» erklärt: «Es gibt viele Leute, auch gut Gebildete, die historisch eher schwachbrüstig unterwegs sind. Sie haben das Gefühl, der Zug des Fortschritts fahre unweigerlich in die supranationale Richtung, in die Richtung der EU.» Diese Angst, den Zug nach Brüssel zu verpassen, hält Zimmer für einen Irrtum.
EU tickt absolutistisch
«Die EU steht in der Tradition des aufgeklärten Absolutismus, einer Zeit, in der aufgeklärte und gutmeinende Herrscher und ihre Berater Reformen zum Wohl ihrer Untertanen durchsetzen wollten. Die Fürsten von damals sind heute die administrativ geschulten Beamten», betont Zimmer. Die Beamten hätten ein Interesse daran, möglichst viel Macht an die Verwaltung und die Gerichte zu übertragen. Parlamente und Bürger seien für sie «ein Störfaktor».
Klar ist für Zimmer daher, dass Volk und Kantone über das institutionelle Abkommen mit der EU entscheiden müssen. Sonst würden wir uns von Artikel 1 der Bundesverfassung verabschieden.
Wann wachen Wirtschaftsverbände auf?
Wirtschaftshistoriker Straumann analysiert, wie die EU ihren Charakter über die Jahre enorm geändert hat. «Sie war früher wirklich ein liberales Projekt, jetzt ist sie zum stark bevormundenden Konstrukt geworden, auch gegenüber den eigenen Mitgliedstaaten. Ich glaube nicht, dass es gut herauskommt für die EU-Länder, wenn die EU weiterhin ihre Kompetenzen ausweitet», diktiert er der «Weltwoche». Seiner Ansicht nach ist die Schweiz «schon sehr weit» in die EU integriert: «Die Bilateralen müssen meiner Ansicht nach nicht weiterentwickelt werden.»
Etwas erstaunt Straumann ganz besonders: dass die Wirtschaftsverbände den Nachteil einer EU-Anbindung «kaum ernst nehmen». Dabei würde ein institutionelles Abkommen bedeuten, «dass die Schweizer Firmen noch viel stärker reguliert würden».