Mit einem Interview in der «NZZ» hat Staatssekretärin Livia Leu mancherorts für rote Köpfe gesorgt. «Leider legt die EU keine grosse Eile an den Tag und hat die Termine mehrmals hinausgezögert», verrät die Chefunterhändlerin der Schweiz über ihre «Sondierungsgespräche». So diplomatisch wie möglich bezeichnet sie das Gebaren der EU als «Druckpolitik». «Für die Suche nach Lösungen ist dies nicht förderlich. Gerade vor dem Hintergrund, dass Europa zusammenstehen sollte, ist dieses Verhalten schwer nachvollziehbar.» Die Schweiz hingegen hat die Hausaufgaben laut Leu längst erledigt: Der Bundesrat habe die Forderung der EU, ein klares Bekenntnis abzugeben, erfüllt. Mit dem neuen Paketansatz erkläre er sich bereit, sich institutionell an die EU anzunähern – inklusive der dynamischen Rechtsübernahme. Ebenso sei die Schweiz bereit, eine Streitbeilegung mit der EU festzulegen und über eine «Verstetigung» des Kohäsionsbeitrags zu sprechen. Als Reaktion auf das Interview hat «SRF» die Nationalräte Jürg Grossen (Grünliberale), Hans-Peter Portmann (FDP), Fabian Molina (SP) und Ständerat Pirmin Bischof (Die Mitte) befragt. Diese drehen die Vorwürfe von Leu ins Gegenteil: Nicht Brüssel sei das Problem, sondern Bern. Denn der Bundesrat gehe «zu wenig zügig» vor.
autonomiesuisse hält es für unangebracht, dass Schweizer Parlamentarier die Verhandlungsposition von Livia Leu schwächen. Aus Sicht der unabhängigen Schweizer Wirtschaft fragt es sich zudem, warum die Schweiz bei den Verhandlungen mit der EU Tempo geben soll. Gemessen an allen Kennzahlen – aktuell beispielsweise an den Inflationsraten – steht die Schweiz deutlich besser da als die EU-Staaten. Sie darf dem Druck der EU sowie interner EU-nahestehender Kreise nicht nachgeben. Heikle Punkte im Verhältnis zur EU bleiben die vom Bundesrat nicht grundsätzlich hinterfragte Übernahme von EU-Recht sowie eine mögliche Unterstellung der Schweiz unter den parteiischen Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Streitfall. Die Schweiz darf ihre politische Unabhängigkeit und damit ihr Erfolgsmodell nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.