07. März 2022

Ernst Baltensberger: «Bundesrat braucht Plan B»

Die Ukraine, Georgien und Moldau wollen in die EU. Müsste sich die Schweiz ebenfalls überlegen, sich der EU anzunähern? Prof. Dr. Ernst Baltensberger, der Doyen der Schweizer Geldpolitik, parierte diese und andere Fragen der «SonntagsZeitung» mit klaren Worten. Er begrüsst es, dass der Bundesrat die Verhandlungen mit der EU wieder aufnimmt – ist aber skeptisch, dass dieser erfolgreich sein wird. «Wir sollten einen Plan B haben», fordert der langjährige Vordenker der Nationalbank. Das Rahmenabkommen sei gescheitert, weil zwei zentrale Elemente in der Schweiz nicht mehrheitsfähig seien: die dynamische Rechtsübernahme und der Europäische Gerichtshof. Eine dynamische Rechtsübernahme ist laut Baltensberger möglich für gewisse technische und organisatorische Fragen. «Aber überall, wo es wie bei der Personenfreizügigkeit um politische Rechte geht, also Bürgerrechte, Sozialrechte, Niederlassungsrecht (...) einfach nicht», betont der Professor. Er hält es für «absurd, von einem souveränen Staat, der nicht Mitglied der EU ist, zu erwarten, dass er bereit ist, die Souveränität über Bürgerrechte und Einwanderung nach Brüssel zu delegieren». Als Plan B schlägt Baltensberger – wie vor ihm schon Rudolf Strahm – ein Freihandelsabkommen ähnlich jenem zwischen Kanada und der EU vor. Zudem müssten wir die bestehenden bilateralen Verträge nicht kündigen. Die EU habe viel Gutes für Europa bewirkt, politisch und ökonomisch. «Aber eine Beteiligung am politischen Projekt der EU möchte ich nicht, weil die politischen Systeme und ihre Institutionen in Europa und in der Schweiz einfach zu unterschiedlich sind.» Sie seien nicht kompatibel, resümiert Baltensberger.