«1992 haben sehr viele Unternehmer, und auch ich, den EWR-Beitritt der Schweiz befürwortet», sagt Giorgio Behr, Unternehmer und Co-Präsident von autonomiesuisse, den «Schaffhauser Nachrichten» in einem Interview. Heute würde das niemand mehr tun. Denn die EU hat sich in den letzten 30 Jahren dramatisch verändert. Wäre die Schweiz EWR-Mitglied, müsste sie gigantische Zahlungen leisten und hätte kaum mehr Handlungsspielraum. Gerade diesen benötigt ein Land aber, um sich gute Rahmenbedingungen zu verschaffen.
Das Vertragspaket, das der Bundesrat mit der EU abschliessen will, braucht die Schweiz hingegen nicht – ist Behr überzeugt. Den Zugang zum EU-Binnenmarkt sichert das Freihandelsabkommen seit 1972 ab. Zudem findet das Wachstum nicht in der EU statt. «Die USA haben Deutschland schon längst als wichtigsten Handelspartner der Schweiz abgelöst. Wir sollten uns stärker auf Märkte ausserhalb von Europa ausrichten. Dazu zählen auch Indien oder Lateinamerika», erklärt Behr. Der hohe Wohlstand in der Schweiz hänge nicht von Verträgen mit der EU ab, sondern davon, dass die Schweiz innovativer als die EU-Staaten sei. Nicht zuletzt machen es Länder wie die USA, China und Indien vor. Sie treten im EU-Binnenmarkt höchst erfolgreich auf – ohne «freien» Zugang.
Mit der institutionellen Anbindung an die EU nähme die Paragrafendichte in der Schweiz zu. «Allein das deutsche Gesellschaftsrecht ist etwa zehnmal ausführlicher und komplizierter als das schweizerische», meint Behr. Das würde nur Bürokratie und hohe Kosten bringen.
Warum drängt economiesuisse dann auf einen Vertragsabschluss? Behr unterscheidet zwischen der unternehmerischen Sicht von autonomiesuisse und jener von Konzernchefs, die oft in der Schweiz nicht stimmberechtigt sind und die Firma regelmässig wechseln. «Wir Unternehmer denken in Generationen und darum nachhaltig», betont Behr. Dass economiesuisse wenig glaubwürdig agiert, zeigt sich für ihn auch an einem anderen Fall: Zunächst machte der Verband enorm Druck für die OECD-Steuerreform. Nun gehört der Verband zu den Ersten, die auf die Bremse getreten sind.
Behr fordert den Bundesrat auf, endlich Rückgrat zu beweisen. «Es geht nicht an, dass die Schweiz beispielsweise beim Landverkehr brav alle Verpflichtungen erfüllt, während Deutschland und Italien hinterherhinkten. Zudem sei die Kohäsionsmilliarde ausgegebenes Geld ‹ohne Gegenwert›. Dieser Schritt war naiv.»