Der Unternehmer Prof. Dr. Giorgio Behr, Co-Präsident von autonomiesuisse und Verwaltungsratspräsident der Behr Bircher Cellpack (BBC) Group, weiss, wie man erfolgreich exportiert. Seine Firmen sind in ganz Europa, in China und den USA aktiv – in Bereichen wie Energieverteilung, Medizintechnik, Engineering und Sensorik. Zudem war Behr lange Vorsitzender des Aufsichtsrats von ZF Friedrichshafen, einem der weltweit grössten Automobilzulieferer.
Nachdem er die neuen EU-Verträge im Detail studiert hat, zieht Behr ein klares Fazit: «Die Wirtschaft braucht diese Verträge nicht.» In einer Spezialausgabe des Podcasts «Bern einfach» erklärt Behr im Gespräch mit Journalist Dominik Feusi, weshalb die viel zitierten Argumente einiger Verbände für eine engere Anbindung an Brüssel nicht stichfest sind.
1. Die Wirtschaft braucht keine Aktualisierung des MRA
Das Abkommen zum Abbau technischer Handelshemmnisse (MRA) trat mit den Bilateralen I in Kraft. «Eine Aktualisierung im Rahmen der neuen Verträge ist unnötig», meint Behr. Mit den geplanten MRA-II-Regeln müsste die Schweiz sämtliche EU-Vorgaben übernehmen. «Die meisten KMU beantragen ihre Produktzulassung direkt in einem EU-Land», sagt Behr. «Das ist oft günstiger als in der Schweiz. Und nebenbei erfährt man von den Behörden hilfreiche Hinweise über den lokalen Markt.»
Behr rechnet vor: Die Industrie erwirtschaftet rund 23 Prozent des Schweizer BIP, doch viele KMU exportieren gar nicht oder sind reine Zulieferbetriebe. Diese orientieren sich an internationalen ISO-Normen und benötigen keine EU-Zulassung. «Der Anteil jener Unternehmen, die vom MRA profitieren könnten, ist verschwindend klein», betont Behr.
Warum also sollte der Grossteil der Unternehmen und Steuerzahler hohe Kosten tragen für etwas, das in der Praxis kaum jemand braucht?
2. Die Schweiz kann die Personenfreizügigkeit selbst regeln
Ein Nein zu den Rahmenverträgen bedeutet laut Behr nicht das Ende der Personenfreizügigkeit. «Auch ohne EU-Vertrag könnte die Schweiz Grenzgänger weiterhin zulassen und Fachkräfte aus der EU wie bisher willkommen heissen», erklärt er. Der Unterschied: Die Schweiz könnte beispielsweise den Familiennachzug eigenständig regeln.
Befürworter der Rahmenverträge würden hingegen die Kosten der Personenfreizügigkeit und insbesondere der Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) ausblenden. Ein Beispiel: «Wenn künftig mehr EU-Studenten an Schweizer Hochschulen studieren – ohne einen Aufpreis zu zahlen –, könnte das teuer für die Allgemeinheit werden», warnt Behr.
3. Auftragsstudien sind nur so gut wie ihre Annahmen
Die vom Bundesrat beauftragten Ecoplan-Studien führen den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz vor allem auf die Personenfreizügigkeit zurück. Für Behr greift diese Sicht zu kurz: «Die Stärke einer Volkswirtschaft hängt von unzähligen Faktoren ab. Dass die Annahmen dieser Studien auf sehr wackeligen Füssen stehen, ist offensichtlich.»
Behrs Fazit: Die Schweiz muss ihre Stärken eigenverantwortlich ausbauen. Dabei ist er überzeugt: «Von einer starken Schweizer Wirtschaft profitiert auch Europa.»