27. März 2023

Hans-Jörg Bertschi: «Rahmenabkommen 2.0 wäre Zwangsjacke für die Schweiz»

«Sehr viele Konzerne denken heute leider relativ kurzfristig. Im Gegensatz dazu denken Familienunternehmen langfristig, in Generationen», sagt Dr. Hans-Jörg Bertschi, Verwaltungsratspräsident der globalen Bertschi Group und Co-Präsident von autonomiesuisse in einem Interview mit der «AargauerZeitung». Es sei kontraproduktiv, wenn Verbände einen schnellen Verhandlungsabschluss mit der EU um jeden Preis forderten. Denn die Schweiz verfüge gegenüber der EU über erhebliche Standortvorteile. «Diese Vorteile würden wir auf Dauer verlieren, wenn wir immer mehr bürokratische Regelungen der EU übernehmen müssten, der Aufsicht der EU-Kommission unterstellt würden und bei Meinungsverschiedenheiten der Europäische Gerichtshof schlichten würde», meint Bertschi: «Es darf nicht zu einem Rahmenabkommen 2.0 kommen, das die Schweiz in eine Zwangsjacke steckt.» Seit den Bilateralen habe der Export der Bertschi Group nach Deutschland zwar um 60 Prozent zugenommen, in die USA aber um 150 Prozent. Dabei bestehe mit den USA nicht einmal ein Freihandelsabkommen. «Die Freihandelsabkommen mit der EU sind wichtig. Aber noch sehr viel wichtiger ist unsere Innovationskraft», betont Bertschi.

Sorgen bereitet dem Unternehmer hingegen die Energiemangellage. Dieser Winter sei dank mildem Klima und vollen Gasspeichern glimpflich verlaufen. Diese Voraussetzung falle künftig weg. «Wenn wir für die Strommangellage keine Lösung finden, wird das den Wirtschaftsstandort Schweiz massiv beeinträchtigen», mahnt Bertschi. Selbst bei einer zyklischen Abschaltung von drei bis vier Stunden pro Tag bräuchten die Netze mehrere Tage, bis sie wieder funktionierten. «Da verabschiedet sich die Schweiz wohl mehrere Wochen von der Welt. Das ist bei einem globalen Geschäft unvorstellbar», sagt Bertschi. Kein Asiate, kein Amerikaner habe dafür Verständnis. Deshalb müsse die Politik solche Abschaltungen verhindern. Sie könne sich nicht auf Importstrom verlassen: «Bis 2030 werden wir wohl doppelt so viel wie heute importieren müssen. Aus Frankreich ist es heute hauptsächlich Atomstrom, aus Deutschland stammen aktuell 40 bis 50 Prozent Strom aus Kohle und Gas. Sind Kohle und Gas nachhaltig? (…) Die Schweiz täte gut daran, das Technologieverbot für moderne AKWs aufzuheben.»