Seit 1992 hat die Schweiz ihre eigene, simple Definition von «weltoffen». Als weltoffen gelten nur EU-Troubadours, die jedes Regulativ aus «Europa», sprich der EU, dienstfertig übernehmen wollen. Diese Engstirnigkeit kritisiert Oliver Zimmer, ehemaliger Geschichtsprofessor der University of Oxford und heute Forscher am Center for Research in Economics, Management and the Arts (Crema), in der «NZZ». Besonders verheerend ist für ihn, dass der «weltoffene Provinzialismus» nicht nur ein wohlfeiler Diskurs ist, sondern die Praxis auf dem Schweizer Arbeitsmarkt prägt.
«So ist es ein offenes Geheimnis, dass zahlreiche Schweizer Firmen – mit der aktiven Unterstützung unserer Behörden – faktisch eine positive Diskriminierung zugunsten von EU-Bürgern betreiben. Die Vermutung liegt nahe, dass talentierte Kandidaten, die keinen EU-Pass besitzen, von vielen HR-Abteilungen sogleich aussortiert werden (…)», schreibt Zimmer und fragt sich: «Warum fällt es unserem Establishment in Politik und Wirtschaft derart leicht, ein solches System als eines zu propagieren, von dem die Schweiz insbesondere wirtschaftlich profitiert?» Zumal die wirtschaftlichen Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht für die EU sprechen: Vor fünfzehn Jahren war das BIP der Eurozone nur marginal kleiner als jenes der USA; heute beträgt das BIP der USA 25 Billionen, dasjenige der EU 15 Billionen.
Hätte also ein weltoffenes Land in der Mitte Europas nicht grosse Chancen? «Die Schweiz hätte es in der Hand, neben ihrer Migrations- auch ihre Arbeitsmarktpolitik selbst zu steuern», ist Zimmer überzeugt. Sie könnte dann die besten Leute unabhängig vom Pass engagieren, statt nach der Pfeife des EU-Regimes zu tanzen. Eine ähnliche Immigrationspolitik verfolgen Kanada und Australien bereits. In der Schweiz könnte der Bund die Basisspielregeln definieren. Die entscheidende Rolle müsste aber den Arbeitgebern im Verbund mit den Kantonen zukommen. Auch ein Blick in die Schweizer Geschichte ist inspirierend: Um 1870 produzierte die liberale und demokratische Schweiz drei Viertel aller weltweit exportierten Uhren. Zimmer resümiert: «Hätte die Schweiz schon nach der Devise ‹Nur nicht ausscheren!› gehandelt, hätte sie ihre Existenzgrundlage verloren.»