29. April 2021

Rechtlich ist der Frexit schon Realität

Während die Schweiz mit dem Rahmenabkommen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) das letzte Wort überlassen würde, lehnt der oberste französische Verwaltungsgerichtshof genau dies unmissverständlich ab. Gemäss «Nebelspalter» betont der Conseil d’Etat, dass die französische Verfassung über dem EU-Recht und dem EuGH steht. Das entsprechende Urteil, in dem es um die Aufbewahrung von Verbindungsdaten ins Internet ging, «ist für Juristen, die an supranationale Rechtssprechung glauben, ein Skandal», schreibt der «Nebelspalter». Denn damit stellt sich Frankreich in eine lange Reihe zahlreicher EU-Mitglieder, die sich mit dem EuGH schwertun. Selbst Deutschland gehört dazu, wenn es um die eigenen Interessen geht: Vor einem Jahr bezeichnete das deutsche Bundesverfassungsgericht ein Urteil des EuGH zum Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank als «willkürlich» und damit nicht bindend. Paul Cassia, Rechtsprofessor der Universität Panthéon-Sorbonne kommentiert, dies sei nicht der erste Entscheid, der sich gegen europäisches Recht wende, doch er bedeute einen rechtlichen «Frexit». Der Conseil d’Etat habe «offen beschlossen, das Recht der Europäischen Union zu missachten».