Seit Filippo Leutenegger das kantonale FDP-Präsidium übernommen hat, schwört er die Partei auf die liberalen Werte ein, die sie einst geprägt haben. So wagt sich der Zürcher Freisinn gar an eine «heilige Kuh» – die Personenfreizügigkeit mit der EU. Er fordert ein griffiges Schutzkonzept «zur Steuerung und Reduktion der Zuwanderung aus der EU». Denn allein im vergangenen Jahr seien offiziell fast 100'000 Personen in die Schweiz geströmt. Bei diesem Tempo könne die Infrastruktur nicht mehr Schritt halten, warnt die Zürcher FDP. Solche Töne sind so ungewohnt, dass «Nebelspalter»-Chef Markus Somm in «Somms Memo» von einer «Zeitenwende» spricht.
Die grosse Frage: Wie reagiert die nationale FDP? Einige Parlamentarier wie Marcel Dobler, Peter Schilliger und Christian Wasserfallen sympathisieren mit dem Kurswechsel. Der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann bringt es auf den Punkt: «Bei der Personenfreizügigkeit muss unter dem Strich etwas Positives für die Schweiz herausschauen.» Der Parteipräsident Thierry Burkart plädiert zwar für eine griffige Schutzklausel im Vertrag mit der EU. Schweizweit will die FDP die Diskussion über das Rahmenabkommen 2.0 aber erst lancieren, wenn das Verhandlungsergebnis des Bundesrats vorliegt.
Derweil sorgen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für Kopfschütteln. So stossen die Richter aus Strassburg ein Urteil der Schweiz um: Ein Drogendealer aus Bosnien-Herzegowina darf nicht des Landes verwiesen werden – und soll stattdessen von den Steuerzahlern eine Genugtuung von 10'000 Franken erhalten.
Unbeachtet solcher Diskussionen und hinter dem Rücken der Parteispitze will darum einer schon jetzt Fakten schaffen: Der FDP-Nationalrat Simon Michel kritisiert mantrahaft die «Abschottungstendenzen» der Schweiz, redet der Zuwanderung das Wort und weibelt für eine Anbindung des Landes an die EU. Unter anderem startet er «Gesprächskreise von FDP-Mitgliedern und -Freunden» mit Referenten, die wohl alles vorbehaltlos unterschreiben würden, worauf der Absender Brüssel steht.