18. Juli 2024

Selbsternannter «Mr. Bilaterale» betreibt «Age Shaming»

Abgesehen von vereinzelten EU-Freaks, macht sich kaum ein Politiker mit Herzblut für die bundesrätliche Paketlösung mit der EU stark. Aus der Reihe tanzt einzig der Solothurner FDP-Nationalrat Simon Michel. Er fällt umso mehr auf, als er CEO von Ypsomed ist – eines börsenkotierten Medtech-Konzerns, den sein Vater aufgebaut hat. Unter den Parlamentariern spielt er wirtschaftlich in einer Liga wie sonst nur Magdalena Martullo-Blocher. Neu übernimmt Michel das Präsidium der Lobbyorganisation Progresuisse. Die Organisation hat die PR-Agentur Furrerhugi – als Anspielung auf autonomiesuisse – aus dem Boden gestampft, um die Schweiz institutionell an die EU zu docken.

«Vor seinem Einstieg im Familienunternehmen war Michel beim Mobilfunkanbieter Orange im Marketing. Der Mann ist ein Verkäufer, der auch mal mit einer Idee den Markt testet», schreibt der «Tages-Anzeiger» über den selbsternannten «Mr. Bilaterale». Ganz Verkäufer zeichnet sich Michel vor allem durch sein Mundwerk aus. So spricht er bei der Paketlösung beschönigend von «Bilateralen III» und der «Fortsetzung des Bilateralismus» – und redet die Folgen klein.

Nach dem Motto «Ich weiss zwar nicht, wovon ich spreche, dafür spreche ich umso lauter» greift er Andersdenkende an. «Ein emeritierter Professor, der unqualifiziert mit #Bullshit argumentiert, sollte sich auf seine Emeritierung konzentrieren und nicht die Zukunft unseres Landes gefährden», schreibt er auf LinkedIn über Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Baudenbacher, Expräsident des EFTA-Gerichtshofs. In einem weiteren Beitrag poltert er über «alte weisse Männer, angeführt durch einen noch älteren weissen Mann aus Herrliberg», welche die EU angeblich verteufeln …, «ohne auch nur andeutungsweise einen Plan B aufzuzeigen. Es ist an der Zeit, dass Sie Ihre Rente geniessen und die Zukunft unseres Landes der nächsten Generation überlassen, denn das ist nicht Ihre, aber unsere Zukunft!»

Für autonomiesuisse sind das Aussagen, aber keine Argumente. Wie verzweifelt muss ein Politiker sein, wenn er seine Gegenspieler nur beschimpfen kann? Und fällt dem 47-jährigen «Jungspund» Michel wirklich nichts anderes ein als plumpes «Age Shaming»? Auch dabei ignoriert er geflissentlich, dass prominente Wirtschaftsvertreter, welche für die Gegenposition einstehen, jünger sind als er. Ein Verdacht drängt sich auf: Michel geht es weniger um sein Land als vielmehr um sein Geschäft. Die Medtech-Branche bekam die Brüsseler Bürokratie früh zu spüren. So musste Ypsomed ihre Produkte neu zertifizieren lassen, um sie weiterhin in der EU verkaufen zu können.

Ironie des Schicksals: Seit der Bundesrat das Rahmenabkommen 2021 versenkt hat, hat sich der Aktienkurs der Ypsomed positiv entwickelt.