21. Oktober 2025

Starhistoriker mahnt Bundesbern: «Leute merken, dass sie immer weniger zu sagen haben»

Soeben ist das neue Buch des Starhistorikers Oliver Zimmer erschienen: «Brüssel einfach? 10 Essays zum Verhältnis Schweiz – EU». Passend dazu gab Zimmer der «NZZ» ein Interview: «Die Schweiz war im Vergleich mit anderen europäischen Ländern immer etwas liberaler und wirtschaftsfreundlicher.» Das ändere sich seit der Masseneinwanderungsinitiative von 2014. Der Grund: Das Volk hat sie angenommen, aber die Politik will sie nicht umsetzen. «Das war ein demokratiepolitischer Sündenfall», betont Zimmer.

Demokratiepolitischer Sündenfall

«Die Leute können mitentscheiden, im Gegenzug müssen sie Selbstverantwortung übernehmen. Wenn man die Regeln plötzlich nicht mehr einhält und den Leuten sagt: ‹Ihr habt jetzt zwar so entschieden, aber wir halten uns nicht dran›, hat das Folgen.» Die Leute spürten, dass sie immer weniger zu sagen hätten. «Das liegt im Wesentlichen an der Supranationalisierung der Politik.» Die Konsequenz sei, dass sich die Leute entsolidarisieren. Genau darum hätten die Leute beispielsweise für die 13. AHV-Rente gestimmt.

Mit den Rahmenverträgen mit der EU würde sich die Situation noch verschärfen. «Dann muss die Schweiz so viel Mitsprache abgeben, dass sie zu einer blossen Formaldemokratie wird», sagt Zimmer und rügt die Landesregierung: «Der Bundesrat sagt Dinge, die nicht zutreffen. Er tut so, als ginge alles weiter wie bisher.» Auch führende Kreise der FDP wüssten nicht mehr, was die Schweizer Liberalisierung so erfolgreich gemacht habe.

Bundesbern: Lesen – statt Kommunikationsberater anheuern

Formal handelt es sich bei den Rahmenverträgen zwar noch nicht um eine EU-Mitgliedschaft, aber laut Zimmer ist es ein Integrationsschritt. «Das Vertragspaket ist der kurze Weg zur EU-Mitgliedschaft.»

Die Schweiz sei daran, das Vertrauen in die Institutionen zu verspielen. Noch sei dieses hoch – dank der direktdemokratischen Rechte. Der Rest Europas bestehe aus «Wahlaristokratien». Die Demokratie sei in Ländern wie Frankreich und Deutschland nur so lange stabil, wie sie die Leute mit Leistungen in der Form sozialer Zuschüsse befriedigen kann. Das erklärt, weshalb diese Länder eine hohe Staatsverschuldung aufweisen.

Für Bundesbern hat Zimmer darum eine klare Empfehlung: Bücher über Demokratie lesen – statt teure Kommunikationsberater bezahlen. Das Buch «Brüssel einfach? 10 Essays zum Verhältnis Schweiz – EU» kann hier bestellt werden.