Für Paul Richli, emeritierter Professor für öffentliches Recht und ehemaliger Rektor der Universität Luzern, ist eines klar: Die Rahmenverträge mit der EU «sind auf Dauer ausgerichtet und verändern unser Verhältnis zur EU grundlegend», wie er in der «NZZ» sagt.
Was stört ihn an den Verträgen?
1. Im Geltungsbereich der Abkommen wird die Gesetzgebungskompetenz des Parlaments auf ein Vetorecht zurückgestuft.
2. Legt die Schweiz ein Veto ein, drohen Ausgleichsmassnahmen.
3. Befürchtet ein Verband, dass seine Mitglieder von Ausgleichsmassnahmen betroffen sein könnten, wird er alles unternehmen, dass die Schweiz kein Veto einlegt.
4. Ergo dürfte die Schweiz alle EU-Erlasse durchwinken.
Rechtsexperte Richli ist mit der EU bestens vertraut. Zwölf Jahre lang leitete er die Europäische Gesellschaft für Agrarrecht (CEDR) mit Sitz in Paris. Vom sogenannten Mitspracherecht im «decision shaping» der EU-Rechtsakte verspricht er sich wenig.
Auch Österreich kann sich nicht durchsetzen
«Die Schweiz entscheidet ja nicht mit, sondern kann nur ihre Sicht der Dinge einbringen», betont Richli: «Ich bin im Austausch mit Agrarrechtskollegen in EU-Ländern und in der EU-Kommission. Sie sagen mir, wie das in der Praxis abläuft. So konnte zum Beispiel Österreich noch kaum je etwas gegen den Willen von Deutschland oder Frankreich durchsetzen.»
Lebensmittelqualität – bald gefährdet?
Richli ist überrascht, «dass links-grüne Kreise nicht kritischer sind. Denn gerade im Bereich Lebensmittelsicherheit lancieren sie immer wieder neue Vorstösse oder Volksinitiativen für strengere Regelungen. Aber künftig wird es nicht mehr möglich sein, strengere Regeln als die EU zu haben». Grundsätzlich könne «die EU der Schweiz nicht zu sehr entgegenkommen, weil sonst einzelne Mitgliedsländer auch Ausnahmen wollen».
Naive Vorstellungen
Schliesslich hält Richli auch die Vorstellung für naiv, wonach man die Rahmenverträge auf Probe einführen könne. Würde die Schweiz nach ein paar Jahren doch Nein sagen, fielen alle Verträge weg. Denn auch schon bestehende Verträge sind mit den neuen Abkommen verknüpft. «Das führte zu einem vertragslosen Zustand, was nicht im Interesse der Schweiz wäre», schliesst Richli.