Kaum jemand kennt sich in der Handelspolitik besser aus als Simon J. Evenett. Der Brite ist Professor für Geopolitik und Strategie am International Institute for Management Development (IMD). In einem Interview mit der «NZZ» mahnt er, dass die Einigung über die Zölle mit den USA nur «ein Waffenstillstand» sei. «Nachdem die Schweiz einmal gezahlt hat, kann sie auch mehrfach zur Kasse gebeten werden», warnt Evenett.
Erhöht sich Druck auf EU?
Hätte die Schweiz also bessere Karten im Machtpoker, wenn sie gegenüber den USA gemeinsam mit der EU auftreten würde? «Nein», betont Evenett, «und es ist offenkundig, welcher Hintergedanke solchen Behauptungen zugrunde liegt. Das ist nur ein weiterer Versuch, einen EU-Beitritt zu begründen. Wenn dieselben Leute vorgeschlagen hätten, die Schweiz solle sich mit der EU, dem Vereinigten Königreich, Japan, Korea, Kanada und Mexiko gegenüber den USA zusammentun, wäre das glaubwürdiger gewesen.» Er geht davon aus, dass die EU in den nächsten Monaten «unter enormen Druck» von Washington geraten dürfte – wegen ihrer Lieferkettenregulierung, der Durchsetzung ihrer Digitalgesetze und des CO₂-Grenzausgleichs. «Die Schweiz ist nicht in diese Dinge eingebunden. Der von den USA gegenüber der EU verlangte Zoll von momentan 15 Prozent könnte bald deutlich steigen», erklärt Evenett. Er rechnet mit höheren Zöllen für die EU.
USA auf eigenen Vorteil bedacht
Vereinfacht gesagt würden die Zölle nur sinken, wenn die USA darin einen Vorteil sehen. Selbst wenn Trump nach seiner Amtszeit von einem Demokraten abgelöst werde, dürfe sich die Schweiz keine Hoffnung auf ein Freihandelsabkommen machen: «Dann wird es noch schlimmer. Schauen Sie sich Obama und Biden an (…)».