02. juin 2022

Livia Leu an die EU: Absage mit «Zückerchen»?

Staatssekretärin Livia Leu hat die Fragen Brüssels zur Position der Schweiz beantwortet. Der Brief lässt eine «Mischung von Stolz und Depression aufkommen», schreibt «Nebelspalter»-Chefredaktoeur Markus Somm in «Somms Memo». Zu Recht streicht die Staatssekretärin heraus, dass die EU die Bittstellerin ist. Brüssel verlangt einen Überbau über die bilateralen Verträge, «der es ihr ermöglicht, einseitig alle Gesetze und Regeln für den Binnenmarkt weiterzuentwickeln – ohne dass wir dazu etwas zu sagen hätten». Man nenne das vornehm «dynamische Rechtsübernahme». Ebenso gut könne man von einer «Kolonisierung» der Schweiz durch die EU sprechen. Nebst der Abweisung vieler Forderungen macht Leu aber laut Somm ein Zugeständnis, das «so gigantisch wie das Matterhorn» sei. Sie spricht zwar von einem «Paradigmenwechsel», den die EU anstrebt, will diesen aber schlucken. Es reicht ihr, wenn die Schweiz einige Ausnahmen erhält – etwa beim Lohnschutz, der Unionsbürgerrichtlinie und später bei neuen Abkommen über Elektrizität oder Lebensmittelsicherheit. Doch der Fehler liegt in der Kernidee: der dynamischen Rechtsübernahme. Diese torpediert unsere direkte Demokratie, welche dem Schweizer Stimmvolk so viele Rechte gibt, wie sie kaum ein anderes Land auf der Welt kennt. «Warum sollen wir Bürger je ein Abkommen gutheissen, das uns auf Dauer entmachtet?», fragt Somm: «Alle Gesetze, welche Brüssel jetzt und künftig als für den Binnenmarkt relevant hält, macht Brüssel.». Zwar würden EU-Befürworter davon ausgehen, dass die Schweiz Einfluss nehmen könne. «Für den einzelnen Bürger aber steht dieser Weg nie offen», betont Somm. Optimistisch stimmt ihn allerdings, dass Livia Leu so viele Ausnahmen von der Regel verlangt, dass die EU die angebotene Hand wohl ausschlagen wird: «Das ist das Gute an der EU. Sie ist berechenbar, sie ist stur.»