Seit dem Aus zum Rahmenabkommen erweist sich die EU als kreativ, wenn es darum geht, die Schweiz zu diskriminieren. So verweigert sie Schweizer Medtech-Produkten die Anerkennung ihrer Zertifizierung. Und sie schliesst die Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon Europe aus, während sie beispielsweise Tunesien daran teilnehmen lässt. Um solche Nadelstiche abzuwehren, setzt der Bundesrat auf den Dialog mit der EU. Dazu will er sich zwei Jahre Zeit lassen für eine Standortbestimmung – zu lange, wie Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder laut «Blick» mahnt. Er verschärft den Ton gegenüber der EU. Sollte die EU die Anwendung bestehender Abkommen verweigern, «sind juristische Massnahmen zu prüfen und einzusetzen», heisst es in einem Papier von Economiesuisse. Konkret fordert der Verband vom Bund, Unternehmen zu unterstützen, die sich gegen die Diskriminierung wehren wollen. Oder der Bund soll die EU direkt vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder der Welthandelsorganisation WHO anklagen. Darüber hinaus verlangt der Wirtschaftsdachverband von der Landesregierung eine klare Strategie: Wolle sie den bilateralen Weg fortsetzen, brauche es Lösungen für die offenen Fragen um Personenfreizügigkeit, Rechtsübernahme und Streitschlichtung. Sehe die Regierung keine Lösungsmöglichkeiten, müsse sie eine Alternative entwickeln und beispielsweise ein Freihandelsabkommen anstreben.
Damit rückt Economiesuisse den Positionen näher, für die autonomiesuisse den Boden vorbereitet hat. Mit Blick auf ein «Gesamtpaket» mit der EU hatte autonomiesuisse an einem Runden Tisch mit Bundespräsident Ignazio Cassis am 31. Januar 2022 darauf hingewiesen, dass es etwa für eine Streitbeilegung gemischte Ausschüsse und ein neutrales Schiedsgericht ohne den Europäischen Gerichtshof brauche. Eine automatische Übernahme von EU-Recht gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Daher sei nur eine dynamische Rechtsübernahme mit fairem Opting-out nach WTO-Regeln diskutierbar. Bezüglich der Personenfreizügigkeit dürfe die dynamische Rechtsübernahme keine Anwendung finden – und schon gar nicht die Unionsbürgerrichtlinie (UBRL). Sonst wäre das Weiterführen des Status quo für das Erfolgsmodell Schweiz sinnvoller als eine institutionelle Einbindung in die EU. In diesem Fall bevorzugt autonomiesuisse ein Verhältnis zur EU auf der Grundlage eines modernen Freihandelsabkommens wie das CETA zwischen Kanada und der EU.