Da reibt man sich verwundert die Augen: Andreas Bohrer, Lonza-Chefjurist und Titularprofessor der Universität Zürich, beklagt sich als economiesuisse-Vorstandsmitglied über die «Überregulierung» der EU bei Nachhaltigkeitsvorschriften für Unternehmen. Er wehrt sich in seinem Fachbeitrag gegen «eine Ausweitung der Vorschriften nach EU-Vorbild». Dabei erinnert er daran, dass die Schweizer Wirtschaft «global» agiert – also nicht auf den Euroraum beschränkt ist. Während Bohrer «ein überhastetes gesetzgeberisches Vorgehen» ablehnt, weibelt die Verbandsspitze tagtäglich für ein Rahmenabkommen mit der EU. Dieses würde der Schweiz genau die umstrittenen Regeln eins zu eins aufzwingen. «Es ist ein sehnenzerreissender Spagat, den der Wirtschaftsdachverband economiesuisse da vorführt», kommentiert Wirtschaftsredaktor Beat Gygi in der «Weltwoche». Die Rechtssicherheit, die Bohrer sich wünscht, «kann die Schweiz, so der logische Schluss aus Bohrers Worten, nur dann garantieren, wenn sie sich von der Gesetzesproduktion der EU und deren Richter fernhält», folgert Gygi. Entgegen Gygis Annahme hat die Regulierungsflut noch weiter zugenommen. So haben die EU-Staaten – trotz ablehnender Haltung Deutschlands – kürzlich die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) durchgeboxt. Wer die Paragrafenproduktion im Elfenbeinturm verfolgte, erlebte dabei eine Art Déjà-vu: Zuvor hatte Deutschland schon seinen Widerstand gegen das einschneidende neue EU-Lieferkettengesetz kleinlaut aufgeben müssen. autonomiesuisse weist darauf hin, dass es sich um «Binnenmarkt-Themen» handelt, welche die Schweiz nach Aufforderung durch die EU-Kommission zu übernehmen hätte. Und wenn sie das nicht will? Ausscheren wäre kaum möglich. Denn im Streitfall hätte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das letzte Wort.