«Der Bundesrat entscheidet als Kollegium», schreibt die Bundesverfassung vor. «Die Entscheide werden gemeinsam getroffen.» Alle Ratsmitglieder müssen diese Entscheide gegen aussen vertreten. «Das bedeutet, dass der Bundesrat einvernehmliche Lösungen sucht, anstatt gestützt auf das Mehrheitsprinzip den eigenen Standpunkt durchzusetzen», erklärt die Schweizer Regierung auf ihrer Website. In der Praxis bekunden manche Bundesratsmitglieder Mühe mit dieser Kultur. Wie sonst kommt Beat Jans dazu, in der «NZZ» eine PR-Stellungnahme zu einem Thema zu schreiben, das nicht zu seinem Dossier gehört? Hat er diesen Schnellschuss mit seinen Ratskollegen abgesprochen?
Tatsächlich irrt Beat Jans in mindestens sieben Punkten.
1. Beat Jans schreibt konsequent von den «Bilateralen III». Obwohl der Bundesrat dafür das Wording «Paketansatz» kreiert hat. Die EU lehnt den Begriff «Bilaterale» ab, weil sie von der Schweiz eine institutionelle Anbindung erwartet.
2. Über Streitigkeiten zwischen der EU und der Schweiz würde ein paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht entscheiden, behauptet Jans – falsch! Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das Auslegungsmonopol über die Verträge, das Bundesgericht wäre ausgeschaltet, das Fake-Schiedsgericht an den EuGH gebunden.
3. Ohne Vertrag sei die Schweiz den Nadelstichen der EU schutzlos ausgeliefert. Deshalb brauche es jetzt Rechtssicherheit. Dabei stellt die EU mit ihrer ausufernden Bürokratie fast die verkörperte Rechtsunsicherheit dar. Jans verkennt, dass Nadelstiche durch die Rahmenverträge 2.0 sogar legitimiert würden. Wenn der Souverän oder das Parlament im Rahmen der dynamischen Rechtsübernahme ein neues EU-Gesetz ablehnt, erlauben die Verträge der EU, auch sachfremde Gegenmassnahmen gegen die Schweiz zu ergreifen.
4. «Mit einer Einigung stärken wir also unsere Souveränität (…), damit Schweizer Wissenschafter mit ihren Kollegen in der EU forschen und unsere KMU mit ihren europäischen Partnern wirtschaften können», schwadroniert Jans. Weiss er nicht, dass unsere KMU seit dem Freihandelsabkommen von 1972 freien Zugang zum EU-Markt haben? Mit den USA besteht kein solches Abkommen. Dennoch sind sie unser Handelspartner Nummer eins. Der einzige Trumpf der EU ist «Horizon». Aber auch das relativiert sich: Kein Schweizer Nobelpreisträger hat je im Rahmen eines EU-Programms geforscht.
5. Wir müssten das EU-Recht laut Jans «dynamisch» übernehmen, nicht «automatisch» – und nur dann, wenn es um den «Zugang zum EU-Binnenmarkt» geht. Das Problem: Die EU entscheidet, was für den Binnenmarkt relevant ist. Und sollte die Schweiz ausscheren, ermächtigen die Verträge die EU zu weiteren Nadelstichen.
6. «Die dynamische Rechtsübernahme wäre beunruhigend, wenn sie ein Blankocheck für jegliche erdenkliche Neuregelung wäre», räumt Jans ein. Gemäss vorgesehenem Regelwerk ist die dynamische Rechtsübernahme jedoch genau ein solcher Blankocheck. Mit anderen Worten: Die Schweiz müsste die «Katze im Sack» kaufen.
7. Fast erwartbar stimmt auch Jans das Hohelied der Zuwanderung an. Ohne Zuwanderung kein Wohlstand, keine Lösung des Fachkräftemangels – meint er. Dass die Schweiz mit weniger Zuwanderung nicht wachsen könne, ist «nachweislich falsch», wie der «Nebelspalter» klarstellt. Die Schweizer Wirtschaft würde ohne übermässige Zuwanderung aus der EU nachhaltiger wachsen. Die Zuwanderung selbst verschärft den Fachkräftemangel: Mehr Menschen brauchen nun mal mehr Infrastruktur.
So sieht es autonomiesuisse: Wenn ein Magistrat mit Blick auf die EU rührselig von «Friedensprojekt», «Garant für Stabilität und Prosperität» und «Wertegemeinschaft» spricht, offenbart er seine wahren Absichten. Es geht ihm weniger um die Wettbewerbsfähigkeit und die Unabhängigkeit der Schweiz, als vielmehr darum, diese enger an die EU zu binden.
Welchen Aussagen können wir noch trauen, wenn Bundesräte zu Chefaktivisten mutieren – und selbst vor Lobbying nicht zurückschrecken? Ein solches Verhalten sägt am Fundament der direkten Demokratie, welche entscheidend zur Spitzenstellung der Schweiz bezüglich Innovation, Wohlstand und Stabilität beiträgt.